Andreas Diekmann - Spieltheorie

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  • Spieltheorie ist eine Disziplin der Mathematik, die sich mit der Analyse von Entscheidungssituationen befasst, an denen mehrere Handelnde beteiligt sind und ihr Verhalten in verschiedener Weise wechselseitig beeinflussen können. Die Materie hat, was ihr Name nicht unbedingt vermuten lässt, sehr reale Anwendungsgebiete. Es geht um Modelle strategischen Handelns, die in den Sozialwissenschaften, in der Politik und in der Ökonomie Verwendung finden; unter anderem sind einige Nobelpreise für Ökonomie für spieltheoretische Arbeiten vergeben worden.


    Andreas Diekmann ist nicht Mathematiker, sondern Soziologe, das Buch nähert sich dem Thema folglich auch mehr von der gesellschaftswissenschaftlichen Seite her. Daher hält sich die mathematische Notation der behandelten Themen auch in engen Grenzen. Bedingt dadurch taugt das Buch nicht als Einstieg in die Praxis der spieltheoretischen Methoden, allerdings, und so hatte ich es auch gelesen, zur Einführung in die Denkweise dieser Disziplin und zum Überblick über die praktischen Anwendungsbereiche. Dafür ist das Buch durchaus empfehlenswert.


    Diekmann stellt die Grundmodelle der Spieltheorie – vom einfachen Assurance-Spiel über "Klassiker" wie das Gefangenendilemma, das Chicken-Spiel und das Nullsummenspiel bis zu komplizierten Vertrauensspielen mit unvollständiger Information - vor; auch experimentelle Spieltheorie hat ein eigenes Kapitel erhalten. Die Darstellung ist zwar stellenweise sehr abstrakt, wird aber durch Hinweise auf bekannte Lebenssachverhalte anschaulich gemacht. So erfährt man, dass sich Spekulationsblasen kurz vor ihrem Platzen recht präzise mit spieltheoretischen Modellen analysieren und verstehen lassen; Winkelzüge der nuklearen Abschreckungspolitik werden nachvollziehbar, der Sinn gesellschaftlicher Institutionen und Normen wird zur messbaren Größe, und nebenbei wird gezeigt, dass und warum der sozioökonomische Entwurf von Adam Smith auf einer unhaltbaren Hypothese beruht.


    Mathematische Disziplinen haben meist die unangenehme Eigenschaft, eigenständige Codes zu entwickeln. Spieltheorie macht da keine Ausnahme, man muss sich also rasch an eine neue Begriffswelt gewöhnen: Nash-Gleichgewicht, Pareto-Optimum, Teilspielperfektheit, SEU-Wert…hilfreich ist es, dass der Autor im Anschluss an den Textteil ein als „Kleines Lexikon der Begriffe“ bezeichnetes Glossar angefügt hat, das das schnelle Rekapitulieren sehr erleichtert.


    Das Buch liegt, an seinem Abstraktionsgrad gemessen, im oberen Drittel populärwissenschaftlicher Literatur. Ich könnte mir vorstellen, dass es von Studenten in den „Anwendungsfächern“, also in der Sozial-, Politik- und Wirtschaftswissenschaft, auch als Vorbereitungslektüre vor der Einarbeitung in ein einschlägiges Lehrbuch mit Gewinn durchgearbeitet werden kann.


    Kein Kritikpunkt? Doch, einer:


    Es ist die unter Fachautoren verbreitete Unsitte, Teile des Stoffes in „Kästen“ unterzubringen. Diese Technik nimmt hier schier überhand. Teilweise dient der Inhalt dieser Kästen nur der Veranschaulichung an Hand von Beispielen. In diesem Falle sind die „Kästen“ als solche überflüssig, aber zumindest nicht störend. Anders verhält es sich mit „Kästen“, in denen Exkurse und Ausblicke untergebracht sind. Solche Einschübe, teilweise über mehrere Seiten, reißen den Textzusammenhang auseinander und gehören besser in einen Anhang an das jeweilige Kapitel.


    Den guten Gesamteindruck trübt das aber nur unwesentlich.

    Einmal editiert, zuletzt von Gronauer ()

  • Danke für die Rezi, Gronauer.


    Da ich gerade "Spieltrieb" von Juli Zeh lesen, habe ich schon nach einem Einführungswerk in die Spieltheorie gesucht und das hier klingt recht ansprechend.

  • Hallo Myriel,


    vielen Dank für die Rückmeldung.


    Wenn möglich solltest Du in einer Buchhandlung die einschlägigen Bücher auszugsweise vergleichen. Sie unterscheiden sich in ihrem Stil recht deutlich. Ich habe meiner persönlichen Neigung nach eine eher extra dry geschriebene Fassung bevorzugt, aber das will ich nicht verallgemeinern.


    :winken: