Janice Galloway - The Trick is to Keep Breathing / Die Überlebenskünstlerin

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    Zitat von New York Times Book Review

    Resembles Tristram Shandy as rewritten by Sylvia Plath


    Wenn eine Protagonistin Joy (="Freude") heißt, dann kann man mitunter davon ausgehen, dass einiges im Argen ist. Denn Joy ist alles andere als glücklich: Sie hat ihre erste lange Beziehung geschrottet, scheint in ihrem Job (Schauspiellehrerin) wenig herausgefordert, und in ihrer Familie, so erfahren wir nach und nach, stimmt es an allen Ecken und Enden nicht. Und doch öffnet sie wieder einem (verheirateten) Mann ihr Herz, der dann tragisch ums Leben kommt. Und plötzlich kommt Joy mit nichts mehr zurecht, beginnt zu trinken, erkrankt an Bulimie, und erlebt alle zwischenmenschlichen Beziehungen, die ihr noch geblieben sind, wie ein Beobachter von außen, der keine Möglichkeit hat, in das Geschehen einzugreifen.


    Der Leser wird von Fragment zu Fragment gereicht: Vergangenheit, Gegenwart, Horoskope, Briefe... Und obwohl ihm die chronologische Abfolge der Ereignisse sehr schnell klar scheint, erhalten manche Ausschnitte erst nach vielen Seiten ihre Bedeutung. Insofern ergeht es ihm nicht anders als der Protagonistin:

    Zitat von p. 133


    So. This is who David is.
    This is who David was.
    I have problems with tenses. I have to remember things are not as they were because I have changed things.


    Der deutsche Titel ist meiner Ansicht nach unpassend gewählt, weil er genau die gegenteilige Assoziation des englischen weckt: Eine Überlebenskünstlerin kommt mit ihrem Leben zurecht, kann sich in allen Situationen behaupten und geht auch aus den schlimmsten als starke Person hervor. The Trick is to Keep Breathing (Der Trick ist weiter zu atmen) fängt ein, wie Joy mit Schicksalsschlägen umgeht: überhaupt nicht, aber sie atmet weiter. Aber auch dieses Weiter-Atmen ist schmerzvoll, man muss sich dazu zwingen, diese einfachste und lebensnotwendigste Körperfunktion fortzuführen, und sie wird zum Kunststück.


    Janice Galloway schafft es, mit ihrer Aneinanderreihung ganz unterschiedlicher Teilstückchen, dem Leser Joys Abrutschen, ihr Grauen vor dem Leben, vor sich selbst und anderen sehr plastisch vor Augen zu führen. Kurze, oft knappe Sätze, wechseln sich mit klassisch erzählten Prosapassagen, Listen und einigen wenigen sehr experimentellen Wortketten ab, immer aber bleibt die Sprache schnörkellos.

    Zitat von p. 138


    There are split seconds in the morning between waking and sleep when you know nothing. Not just things missing like where or who you are, but nothing. The fact of being alive has no substance. No awareness of skin and bone, the trap inside the skull. For these split seconds you hover in the sky like Icarus. Then you remember.


    Leider patzt Galloway in der Kür: Das Zuviel an Furchtbarem verwischt das Grauen des Einzelnen, gegen Ende stellt sich schon beinahe Langweile ob des "Och, schon wieder mal ist alles schlimm!" ein. Nicht Lichtmomente sind es, die fehlen, sondern das Augenmerk hätte auf schon Bekanntem verharren sollen, denn das ständige Immer-noch-einen-draufsetzen ist irgendwann ermüdend. Und die fragmentarische Struktur, die so gut auf Erlebtes und Erzähltes passt, wird gegen Ende ebenfalls eintönig; ihr hätten ein oder zwei Tempowechsel mehr gut getan.


    3ratten

    Auch ungelebtes Leben<br />geht zu Ende<br />- Erich Fried