Kaufen* bei
Amazon
Bücher.de
Buch24.de
* Werbe/Affiliate-Links
Gioconda Belli - Tochter des Vulkans
Inhalt:
Durch tragische Umstände ist das kleine Zigeunermädchen Sofía in Dariá einst ihren Eltern verlorengegangen. Seitdem lebt sie im Haus des kinderlosen reichen Kaffeepflanzers Don Ramón, wo sie zu einer starken, eigenwilligen Frau heranwächst. So wundert es denn nicht, daß die schöne Sofia sich in ihrer Ehe mit dem patriarchalischen René buchstäblich eingesperrt fühlt, versteht er es doch, sie von jeglichem Kontakt mit der Außenwelt abzuschneiden.
Aber die rebellische Frau weiß sich zu wehren. Ihr Wunschkind wird sie eines Tages bekommen, aber bestimmt nicht von diesem Mann! Und das Schicksal meint es gut mit ihr, denn nach dem plötzlichen Tod ihres Ziehvaters erbt sie die Hacienda und erreicht die Scheidung von René. Finanziell endlich unabhängig, kann sie ihr Leben nun selbst in die Hand zu nehmen. Und was tut sie als erstes? Sie hält nach dem passenden Vater für ihr Kind Ausschau...
Meine Meinung:
Gioconda Belli gehört ja zu meinen Lieblingsautorinnen, entsprechend groß war meine Erwartungshaltung. Ganz erfüllt konnte diese leider nicht werden, denn ich hab schon weitaus bessere Romane von ihr gelesen; trotzdem ist auch dieses Buch lesenwert und ich bereue die Lektüre keineswegs.
Im Mittelpunkt der Handlung steht Sofia, eine südamerikanische Frau, die durch ihre Zigeunerherkunft so gar nicht in das Denkschema der Dorfbewohner passt. Gerade an dieser Außenseiterin zeigt die Autorin auf, wie sich die Emanzipation auch in Südamerika langsam aber sicher durchsetzt. Für mich klang das alles etwas angestaubt, aber ich musste mir immer wieder ins Bewusstsein rufen, dass nicht in allen Ländern und Erdteilen die Rechte der Frauen überhaupt existent sind, geschweige denn von den Frauen auch durchgesetzt werden. Insofern war die Lektüre an diesem Punkt lehrreich, obwohl ich manchmal schon mit dem Kopf schütteln musste, was hier alles thematisiert wird, obwohl es in unserem Weltbild doch selbstverständlich ist. Selbstbestimmung ist hier das Stichwort, Dinge wie die Anti-Baby-Pille, Scheidung und Berufstätigkeit der Frau werden als neue Errungenschaften gefeiert.
Dementsprechend macht die Protagonistin im Laufe der Handlung eine gewaltige Wandlung durch - von der völlig gegängelten und weggesperrten Ehefrau zur selbständigen, eigenverantwortlichen Unternehmerin. Einen Rückschlag erhält ihre Entwicklung in meinen Augen in dem Moment, als ihr Kind auf die Welt kommt - ab sofort haben wir es nur noch mit einer besorgten Mutter zu tun, die ihre ganzen erreichten Ziele diesem einen kleinen Menschen opfert. Ok, hier ist die mentale Grenze - eine Mutter, die alleinstehend und auch noch erfolgreich in Beruf und außerhäuslichem Leben ist, war für die Autorin wohl (noch) nicht vorstellbar, der Ruf nach männlichem Beistand unumgänglich. Auf die damit verbundenen Wirrungen, Sofias Schwangerschaft, ihr verzweifelter Ruf nach Liebe, Geborgenheit, die schon fast ein wenig kitschige Auflösung, auf das alles hätte ich gerne verzichten können.
Gelungen fand ich dagegen einen ganz anderen Aspekt: es ist nämlich so, dass innerhalb von Sofias Geschichte auch immer wieder Kirche und Naturglauben gegenüber gestellt werden. Die Kirche in Form eines labilen, ängstlichen Pfarrers, der seine Schäfchen um sich schart und der sich auch um das schwarze Schäfchen Sofia bemüht, was ihm nicht gerade leicht gemacht wird; auf der anderen Seite drei Naturschamanen, die Sofia in schwierigen Lebenslagen mit alteingesessenen Ritualen weiter helfen. Diese Darstellung fand ich sehr interessant, und wenn ich alles richtig interpretiert habe, lässt die Autorin beiden Spielarten ihren Raum; ermöglicht zumindest im Rahmen ihrer Erzählung eine sich ergänzende Koexistenz der Religionen. Klar ergeben sich da einige bizarre Szenen und Situationen, aber ich fand genau diesen Aspekt der Handlung recht faszinierend.
Am Ende des Romans stellt sich dann heraus, dass da auch noch das Thema Verlassen werden, Verlustängste mit verwurstet wurde; das ging für mich etwas unter. Da hat die Autorin wohl ein wenig zuviel gewollt, was bei mir einen etwas überfrachteten oder auch sprunghaften Eindruck hinterlassen hat. Insgesamt also nicht das beste Buch von Gioconda Belli, aber wer sich für Südamerika und dessen Gesellschaftsstrukturen interessiert, sich auf eine Begegnung mit Naturreligion und Katholizismus einlassen will und einer doch sehr frauenbetonten Handlung nicht abgeneigt ist, der soll es ruhig mal damit versuchen.
Land im Betreff ergänzt. LG Aldawen