Napoleón Baccino – Die traurige Freiheit der Meere

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    Inhalt: 1558, kurz vor seinem Tod, erhält der abgedankte Karl V. einen Bericht über die Reise, die Fernão de Magalhães in seinem Auftrag einige Jahrzehnte zuvor unternommen hatte. Abgefaßt ist dieser Bericht von Juanillo Ponce, der als Spaßmacher der Flotte diese Reise mitgemacht hat, von der Inquisition gezwungen wurde, darüber zu schweigen, weil er schon zu viel erzählt habe, und dem man zudem die ihm als Überlebenden zustehende Pension gestrichen hat. Um diese wiederzubekommen, schreibt er an Don Carlos. Und Juanillo berichtet aus seinem sehr spezifischen Blickwinkel, denn als Bordnarr hatte er zum einen Freiheiten, die die normalen Matrosen nicht hatten, und zum anderen Zugang zu Informationen, die selbst die Offiziere nicht hatten, was er seinem wachsenden Vertrauensverhältnis zu „Don Hernando“, wie er ihn nennt, verdankt. Vor den Augen des Lesers entfaltet sich so ein eindrückliches Bild der Reise, die neben manchen komischen Situationen vor allem Schwierigkeiten zu bieten hatte: langanhaltende Flauten, Entbehrungen bis zum bitteren Hunger, Rebellion innerhalb der Flotte, Kriegsgericht, Überwinterung in Patagonien, ... Ein verrottetes Schiff von den fünf ausgesandten kehrt zurück, mit gerade noch 18 Mann Besatzung.



    Meine Meinung: Juanillos Bericht weist noch eine weitere Besonderheit auf: Er erzählt keineswegs linear, sondern durchaus ein wenig durcheinander, und das mit voller Absicht. Er spricht Don Carlos häufig direkt an, denkt darüber nach, wie es diesem wohl in seinem Refugium geht, wie angenehm das Leben der oberen Gesellschaftsschicht, die sich an den Gewürzen erfreut, die zu gewinnen die Flotte damals ausgezogen war, gewesen sein muß, im Vergleich zu seinem eigenen armseligen Dasein. Dabei ist Juanillo keineswegs verbittert, sondern vermag immer noch alles mit Humor zu nehmen, „rächt“ sich am Leser seiner Chronik aber dadurch, daß er diesen manches Mal absichtlich zappeln läßt, frei nach dem Motto: „Für uns war es eine elendige Plage, du sitzt bequem beim Lesen und wenn es dir zu anstrengend wird, dann machst du eine Pause. So einfach mache ich es dir jetzt aber nicht.“ Und zugegebenermaßen geht seine Taktik auf, jedenfalls bei mir.


    Am Anfang habe ich ein paar Seiten gebraucht, mich an die etwas gewundene Sprache zu gewöhnen. Tatsächlich entfaltet sich aber mit der Zeit ein Rhythmus in der Erzählung, der sehr gut zur Bewegung der Schiffe paßt. Und wenn man dann auch noch die Vielzahl der teils recht ähnlichen Namen sortiert hat, macht es sehr viel Spaß, Juanillo bei seiner Rekonstruktion zu folgen, ob er diese nun schafft, weil er wirklich mitgereist ist, oder nur vieles gehört und gelesen und sich mit Verständnis für die menschliche Psyche zusammengereimt hat, spielt dabei gar keine Rolle mehr. Baccino ist hier eine Annäherung an eines der (für mich jedenfalls) spannedsten Abenteuer der Menschheit gelungen, die eine neue Perspektive vor allem auch auf Magalhães selbst eröffnet.


    4ratten


    Schönen Gruß
    Aldawen

  • Danke für deine Besprechung, Aldawen.


    Ich las diesen Roman vor ziemlich genau zehn Jahren. Deine Rezension hat ihn nun vor mein geistiges Auge zurückgeholt. Mir gefiel die Perspektive des Spaßmachers ebenfalls, ein klug gewählter Schachzug Baccinos.
    Insgesamt ein spannender, dabei niveauvoller und lehrreicher Roman mit einer eindrücklichen, auch in der Übersetzung noch spürbaren Kraft der Beschreibung.


    finsbury