[Kenia] Meja Mwangi – Narben des Himmels

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    Autor: Meja Mwangi
    Titel: Narben des Himmels
    Originaltitel, Jahr: Striving for the wind, 1990
    Übersetzung aus dem Englischen: Susanne Koehler
    Verlag: Peter Hammer
    ISBN: 3-87294-471-1
    Ausgabe: Hardcover
    Seiten: 278


    Inhalt: Kambi ist ein normales Dorf in den Aberdare-Bergen mit den üblichen Honoratioren, die es mit der Ehre aber nicht immer so genau nehmen. Das liegt auch daran, daß der reichste Großgrundbesitzer Baba Pesa, der sich nach der Unabhängigkeit Stück für Stück das Land auf diesem und dem nächsten und dem übernächsten Hügelkamm gesichert hat, ihnen in der Tajiri Bar regelmäßig das Bier bezahlt. Umso enttäuschender sind für Baba Pesa zwei Dinge. Zum einen will sein ältester Sohn Juda, der die Universität besucht hat, einfach nicht die vom Vater gewünschte Karriere anstreben, ist zurückgekehrt und verbringt seine Tage und Nächte mit seinen Freunden saufend und mit dem von ihm adoptierten Dorfköter Konfuzius philosophierend. Und zum anderen gibt es da die Familie der Barus, die sich hartnäckig weigern, Baba Pesa ihr Land zu verkaufen und für ihn zu arbeiten und sich stattdessen lieber selbständig und mit geringem Erfolg abplagen. Alles in Kambi wartet dringend auf Regen, der sich in diesem Jahr einfach nicht einstellen will, auch die Regenopfer zeitigen nicht den gewünschten Effekt. Dafür bringt Juda Baba Pesa ziemlich in Verlegenheit, denn der junge Mann hält gerne flammende Reden für Entwicklung und Selbstverantwortung auf dem Marktplatz und kritisiert damit seinen Vater. Und dann geraten die beiden auch noch in einer delikaten Familienangelegenheit aneinander ...



    Meine Meinung: Eigentlich hat Mwangi ein paar Themen zu viel für diesen Roman herangezogen: von den Landtricksereien einzelner während und nach der Unabhängigkeit, die neue Abhängigkeiten und Ungerechtigkeiten etabliert haben, über den Zusammenstoß und das Ineinanderübergehen von Tradition und Moderne bis hin zum sozialen Phänomen des sugar daddy, Männern, die junge Mädchen mit ihrem Geld und ihrer Position verführen und in dumme, ja verzweifelte Lagen bringen. Aber es gelingt ihm gut, dies zum einen auf eine überschaubare Anzahl von Personen wie auch Kernaspekte der Themen zu beschränken und die Geschichte nicht zu überladen. Durchaus typisch für Mwangi gibt es kein ausgesprochenes Happy End, auch wenn sich der ein oder andere Hoffnungsstreifen ausmachen läßt.


    Ebenfalls typisch merkt man ihm die Sympathie für seine Figuren an, auch wenn diese es im ersten Moment gar nicht zu rechtfertigen scheinen. Dabei äußert er durchaus Kritik an den Zuständen, wie er sie beschreibt, aber er macht sich eben nicht über die Menschen lustig, sondern nimmt sie mit all ihren Schwächen und Fehlern ernst, auch wenn er über sie zu schmunzeln scheint. Das resultiert dann durchaus auch in Szenen, die einfach nur komisch sind, wie bspw. der Versuch der Polizei, die Windmühle abzuschleppen, von der Juda seine Reden schwingt. Insgesamt vermittelt Mwangi ein gutes, wenn auch leicht überzeichnetes Bild davon, wie in den 1970er Jahren das Leben in so einem typischen Kikuyu-Dorf gewesen ist. Seine Romane eignen sich auch deshalb so gut als Einstieg in die Literatur Afrikas, weil seine ganze Erzählhaltung und -konstruktion hiesiger Leseerfahrung entgegenkommt. Schade nur, daß der Peter Hammer Verlag kein umfassenderes Glossar bereitgestellt hat, aber zumindest für den Kiswahili-Teil habe ich in der Leserunde ein umfassendes Wörterbuch angelegt.


    4ratten


    Schönen Gruß
    Aldawen

  • Auf dieses Buch bin ich (vermutlich) durch Aldawens literarische Afrikarundreise aufmerksam geworden und habe es mir zwar recht zügig gekauft, braucht aber noch einen weiteren Anstoß, um endlich mit dem Lesen zu beginnen, den es in Form des SLWs und einer kleinen Leserunde gab. Die Erläuterungen, die es dadurch zu dem Buch gab, waren recht interessant und halfen, die Hintergründe noch etwas besser zu verstehen, „Narben des Himmels ließe sich aber auch ohne diese Hilfestellung gut lesen. Praktisch war auch das Wörterbuch, das Aldawen erstellt hat, der Verlag hat sich da nämlich nicht besonders hervorgetan, die 6 (!) Begriffe, die am Ende des Buches erläutert werden, hätte man auch gleich weglassen können, da sie ja nur ein Bruchteil der vorhandenen fremdsprachlichen Ausdrücke sind. Über solche Miniwörterbücher ärgere ich mich mehr, als wenn es gar keins gibt.


    Anfänglich war ich etwas kritisch, da mich keine der Figuren so wirklich begeistern konnte. Baba Pesa ist der inoffizielle Herrscher des Dorfes, denn er ist der Einzige, der tatsächlich Geld hat und nutzt seine Stellung weidlich aus. Sein Sohn Juda missbilligt das, hält aber lieber volltrunken aufwiegelnde Reden, denen niemand folgen kann, als sich einen Platz im Leben zu suchen. Sein Hund Konfuzius, der Einzige, der ihm zuhört, ist mein heimlicher Held in diesem Buch. Insgesamt wirken fast alle Figuren in ihrem Handeln übertrieben, so dass sich für mich zwischendurch immer mal wieder der Eindruck eines Schelmenromans ergibt. Dabei sind die Themen, die Mwangi behandelt eigentlich sehr ernst: Es geht um Machtmissbrauch und den Verlust von Traditionen.


    Tatsächlich zeigt Mwangi positive und negative Effekte sowohl des traditionellen Lebens wie auch der modernen Lebensweise auf und macht klar, dass man sich seinen Weg irgendwo in der Mitte suchen muss und auch, dass selbst der Mächtigste manchmal die Hilfe anderer braucht. Das klingt jetzt sehr moralbeladen, aber Mwangi versteckt diese Moral geschickt in einer abwechslungsreichen Geschichte. Offensichtlich wird nur, dass gerade die im Vordergrund stehenden Männer manchmal geschickt von ihren Frauen gelenkt werden, die einfach deutlich pragmatischer mit dem Leben umgehen.


    Das Ende war zwar in sich passend, hat mich aber trotzdem enttäuscht. Nachdem Mwangi es zunächst so wirken lässt, als würden sich sämtliche Probleme in Wohlgefallen auflösen und ein freundschaftliches Miteinander aller avisiert wird, zerstört er sicherheitshalber die Idylle. Nun gut, vielleicht waren es wirklich ein paar positive Entwicklungen zu viel, aber ein offenes Ende ohne vorhergehende Katastrophe wäre mir lieber gewesen.


    Entgegen meiner unterbewussten Befürchtungen hat mir "Narben des Himmels" jedenfalls viel Spaß gemacht und ich habe vor, demnächst mehr von Mwangi zu lesen.


    4ratten

  • Spät :redface: , aber die Rezi kommt:



    Meine Meinung
    Ich kenne bisher nicht viele Bücher, die das Leben und die Menschen auf diesem Kontinent beschreiben, aber mich hat es sofort sehr angesprochen, wie der Autor diese Geschichte erzählt. Schon die Umgebung und besonders das Dorf beschreibt er sehr schön, so dass ich das laute Treiben auf dem Markt deutlich vor Augen hatte. Aber besonders die Figuren sind toll beschrieben. Ihre Ausstrahlung, ihre Gestik und Mimik, ja sogar den Tonfall, wenn sie sprachen, glaubte ich zu hören, so lebendig wirkten sie alle in ihrer Art auf mich.


    Und ihre Dialoge und ihre Handlungen brachten mich immer wieder zum Grinsen, und das, obwohl die Geschehnisse ja eigentlich meist nicht lustig waren. Und so täuschten die humorvollen Situationen dabei auch nicht über den Ernst der Handlung hinweg. Im Gegenteil: Es machte mich oft sehr betroffen, wenn z. B. Baba Pesas Sohn Juda mal wieder total betrunken den Weg vom Dorf nach Hause läuft. So lustig er immer wieder erscheint, wenn er seine Reden von den Windmühlenflügeln aus über die Dorfbewohner schreit oder sich mit seinem Hund Konfuzius unterhält, so traurig ist es dabei, zu beobachten, dass er seine Perspektiven nicht nutzt, nichts aus seiner Ausbildung machen will. Auch Baba Pesa und wie er seine Mitmenschen behandelt (die z. B. auch mal auf einen Fingerschnipp von ihm im wahrsten Sinne des Worte für ihn in der Kneipe tanzen mussten) und der sich in anderen Situationen auch selbst immer mal wieder in seinem Größenwahn lächerlich machte, sorgte für einige Schmunzler. Aber machte dabei aber auch ganz klar deutlich, wer die Macht hat.


    Das Ende hat mich dann sehr betroffen gemacht, hatte ich doch das Gefühl, es könnte sich vieles in eine positive Richtung verschieben. Doch wirkte es dann so, als dürfte dies einfach nicht sein, als wäre dies für die Menschen dort nicht vorgesehen. Aber trotzdem – ein kleiner Hoffnungsschimmer bleibt am Ende für mich doch bestehen. Ich glaube daran, dass die Geschehnisse eine bleibende Veränderung bei dem ein oder anderen erzeugt haben. Auch wenn sie vielleicht nur klein ist.


    So werden auf für mich spannende und unterhaltsame Weise die Probleme deutlich gemacht, die die Menschen haben, die nach der Unabhängigkeit von wenigen Reichen abhängig sind, unter deren Machtmissbrauch leiden (darunter fällt auch der Missbrauch junger Mädchen) und die ihre alten Traditionen vergessen oder mit neuem Glauben vermischen und dabei oft ihre Wurzeln verlieren. Und so wie der Autor über sie schreibt, spürt man einfach, dass er offensichtlich diese Menschen und das Land liebt, auch wenn er mit dem Finger quasi genau auf die Schwachpunkte zeigt. Das Schöne ist aber, dass er beim Schreiben für die Figuren quasi ein Lächeln „in den Fingern“ hat. Ich hatte beim Lesen manchmal den Eindruck, es schreibt ein Vater über seine ungezogenen Kinder. So war für mich das Buch trotz der ernsten Themen ein schönes Buch, das ich sehr gerne gelesen habe.


    4ratten