David Thewlis - The Late Hector Kipling

  • David Thewlis – The Late Hector Kipling


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    Taschenbuch: 341 Seiten
    Verlag: Picador (4. Juli 2008)
    Sprache: Englisch
    ISBN: 0330373382


    Hector Kipling führt an sich ein beneidenswertes Leben: er ist ein erfolgreicher Künstler, dem es auch materiell an nichts fehlt, hat eine bildschöne Freundin, die er über alles liebt und zudem noch gute Freunde und liebenswerte Eltern. Und doch ist er latent unzufrieden, was sich vor allem in seinem insgeheimen verzehrenden Neid auf seinen besten Freund Lenny ausdrückt. Dieser übertrifft ihn nicht nur optisch, sondern auch in punkto Erfolg, was Hector schier zur Weißglut treibt.
    Diese Konkurrenzsituation ist der Ausgangspunkt eines Strudels, der Hector langsam aber stetig in den Abgrund führt…


    Mehr kann ich eigentlich gar nicht zum Inhalt verraten, ohne zu viel preiszugeben.
    Der bekannte Schauspieler David Thewlis (bekannt unter anderen als Remus Lupin aus den „Harry Potter“-Verfilmungen) beweist mit seinem Erstlingswerk, dass sich sein künstlerisches Vermögen nicht nur über die Schauspielerei erstreckt, sondern dass er darüber hinaus auch noch ein erstaunlich talentierter Schriftsteller ist.


    Mit einer guten Portion schwarzem Humor und einem bemerkenswerten Ideenreichtum entführt Thewlis den Leser in die Welt des etwas verrückten, psychisch offensichtlich angeschlagenen Protagonisten Hector Kipling. Der Roman zeichnet sich durch schräge Ideen und absurde Szenarien aus und nimmt dabei humorvoll die Londoner Kunstszene auf die Schippe.


    Der Sprachstil ist oft derb, mit viel Slang, manchmal driftet er auch ins Vulgäre, was mich aber nicht weiter gestört hat, denn diese Sprache wirkt stimmig für die Protagonisten und ihre soziale Lebenswelt. Hinzu kommt eine ganze Reihe an kühnen Metaphern und innovativen Wortspielereien. Zudem hat der Autor ein gutes Händchen für spritzige, prägnante und authentisch wirkende Dialoge, die mich häufig zum Grinsen brachten.


    Auch die Ausarbeitung der Charaktere ist Thewlis gut gelungen: Hector Kipling bietet dem Leser als Ich-Erzähler einen tiefen Einblick in seine skurrile Gedanken- und Gefühlswelt und spricht ihn zuweilen auch direkt an. Dadurch werden auch Vorahnungen auf sein kommendes Leid, auf die folgenden Entwicklungen erweckt, doch ahnt der Leser zu keiner Zeit wirklich, wohin die Reise geht. Er ahnt nur, dass es für Hector immer weiter bergab gehen muss, dass sein Untergang notwendig folgen muss, was zunächst grundlos erscheinen mag, weil doch die Ursache allen Übels tief in den Abgründen seiner Seele sitzt.


    Trotz seiner vorteilhaften sozialen Situation ist Hector neidisch auf den größeren Erfolg seines besten Freundes Lenny, auf dessen gutes Aussehen und absurderweise auch darauf, dass der Tod in das Leben seines besten Freundes Einzug gehalten hat: Lenny hat in jungen Jahren durch einen skurrilen Unfall seinen Vater verloren. Skurrile Unfälle – auch dies ist im Übrigen ein Motiv, dessen sich der Autor des Öfteren bedient.
    Doch zurück zu Hector: halb bewusst, halb unbewusst sehnt er sich nach dem Tod, nach der Tragik in seinem Leben, von der er bisher glücklich verschont geblieben ist. Es geht ihm um Mitleid und Aufmerksamkeit und nicht zuletzt erhofft er sich von einem Todesfall in seinem näheren Umfeld eine Verbesserung seiner künstlerischen Fähigkeiten. Dabei ist ihn selbst durchaus bewusst, wie absurd, ja schon beinahe verachtenswert ein derartiger Wunsch ist. Und doch steckt er tief in ihm.


    Auch die Nebenfiguren hat Thewlis glaubwürdig und facettenreich ausgestaltet. So lernt der Leser auch Hectors Freundin Eleni, eine griechisch-stämmige Komponistin, kennen, sowie Hectors liebenswert schräge Eltern, seine Freunde Lenny und Kirk sowie einige andere interessante Nebencharaktere. Ganz besonders fasziniert hat mich die düstere Poetin Rosa Flood, der Hector im Laufe der Handlung begegnet und die eine nicht ganz unwichtige Rolle bei seinem Untergang spielt.
    Mit den Nebenfiguren litt ich letztendlich mehr als mit Hector selbst, denn während Hector nicht ganz unschuldig an seinem Unglück ist, müssen die anderen seinen Verfall hilflos mit ansehen, ohne wirklich eingreifen und zu ihm durchdringen zu können.


    Das Ende ist dann sehr drastisch, sogar schockierend, und doch scheint es im Nachhinein wie eine notwendige, logische Konsequenz aus der gesamten vorhergehenden Entwicklung.


    Fazit: „The Late Hector Kipling“ ist eine sehr unterhaltsame Satire, die mir so manches Schmunzeln entlockte und mich dennoch auch emotional packte und zum Nachdenken anregte.
    Anzumerken ist noch, dass es von dem Buch meines Wissens noch keine deutsche Übersetzung gibt. Wer aber gewillt ist, es auf Englisch zu lesen, kann mit diesem Buch viel Freude haben.


    5ratten

    :lesen: Joe Navarro - Menschen lesen