Honoré de Balzac - Die Muse des Départements

  • Ich habe das Buch in der englischen Übersetzung von James Waring gelesen.


    Im Städtchen Sancerre an der Loire lebt die junge, intelligente und natürlich überaus schöne Dinah, die gerne mehr vom Leben möchte, als in der Provinz an der Seite ihres älteren, vertrockneten und dazu noch recht geizigen Mannes zu versauern. Um sich herum hat sie eine treue Schar von Bewunderern, die erfolglos um ihre Gunst konkurrieren. Erst mit der Ankunft des Pariser Journalisten Étienne Lousteau kommt Bewegung in ihr Leben. Ihm - ein ziemliches A*** vor dem Herrn - gelingt dank seiner in Paris geschulten Fähigkeiten als Lebemann, woran die Provinzler scheiterten, nämlich Dinah zu verführen. Sie verliebt sich in ihn, während es sich für ihn um eine Spielerei handelt. Dass das Ganze für Dinah ein böses Ende nehmen wird, wird dem Leser durch mehrere eingeschobene Geschichten, in denen Ehebruch übelst bestraft wird, suggeriert. *Gähn*


    Doch dann kommt alles ganz anders: Nach seinem Erfolg kehrt Lousteau nach Paris zurück, wo ihm ein finanziell sehr vorteilhaftes Heiratsangebot gemacht wird, das er natürlich annimmt. Bzw. das er annehmen will, nur kommt ihm dabei die von ihm schwangere Dinah, die ihm nach Paris nachgereist ist, in die Quere, was der Frau Schwiegermama in spé gar nicht behagt. Was sich dann weiter tut, werde ich euch nicht erzählen, das müsst ihr selber nachlesen.


    Jedenfalls wird die Geschichte, die mich viel zu lange langweilte (Balzac scheint von "show, don't tell" nichts gehört zu haben und referiert die Ereignisse weitgehend), doch noch interessant, denn die Menschen verhalten sich nicht so, wie ich es von einem Ehebruchroman erwartete. Das gilt für alle Beteiligten, Dinah und Étienne sowie in noch stärkerem Maße den Nebenfiguren, allen voran Dinahs Gatten und ihrer religiösen Mutter. Balzac geht dabei mit seinen Figuren nicht zimperlich um; er stellt sie wie auch die Gesellschaft im Großen mit ihren Macken und Eigenheiten gnadenlos bloß. Wenn er auch weiterhin viel referiert, so kommt es doch zu einigen Dialogen, in denen die Personen plötzlich richtig lebendig werden.


    Diese Stellen, die gegen Ende des Buches häufiger werden, haben mich nach einem langen, zähen Start dann doch noch mit ihm versöhnt. Mein nächster Balzac (eine Zeit lang zweifelte ich, ob es einen nächsten geben würde) wird dann aber eines seiner anerkannt "großen" Werke werden, das seine Qualitäten hoffentlich von Anfang an zeigen kann.


    2ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    Wir sind irre, also lesen wir!

    Einmal editiert, zuletzt von Saltanah ()