Rainer Moritz - Wer hat den schlechtesten Sex?

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    Rainer Moritz - Wer hat den schlechtesten Sex? Eine literarische Stellensuche


    Klappentext lt. Amazon:
    Eine einzigartige Geschichte von Wahnsinns-Höhepunkten in der Literatur – zum Totlachen, fremdschämen, Mitzittern und Genießen


    Die schönste Sache der Welt. Die Glücklichen unter uns kommen hin und wieder in ihren Genuss, die meisten aber haben Probleme mit dem Kommen, dem Nicht-Können, dem zu heftigen Wollen. Die größten Probleme jedoch haben Schriftsteller, denn die richtigen Worte für die körperliche Liebe zu finden: das ist eine Kunst.


    Früher ging es in der Literatur meist züchtig zu und der Geschlechtsakt wurde mit einem »Am nächsten Morgen« dezent übersprungen, aber ein Gegenwartsroman scheint ohne Fellatio und Cunnilingus kaum mehr vorstellbar zu sein. Rainer Moritz begibt sich auf Stellensuche – vor allem in der deutschsprachigen Literatur der vergangenen Jahrzehnte. Es geht um peinliche Verrenkungen, tierische Vergleiche, um das Non-Verbale, um die »Angstblüten« des Alterssex und um Spielarten, die die Generation seiner Eltern nicht dem Sexualleben Mitteleuropas zugeordnet hätte. Stöhnend kommen u. a. Elfriede Jelinek, Clemens J. Setz, Peter Härtling, Sibylle Berg, Martin Walser, Michael Kleeberg, Andreas Altmann und Karen Duve zu Wort. Keine Frage, dieses an- und aufregende Buch ist eine Stellenbeschreibung der besonderen Art.



    Meine Meinung:
    New Adult und romantische Urban Fantasy sind nur einige Beispiele dafür, dass Erotik in der Literatur mittlerweile recht häufig, offen und ohne Scham thematisiert wird. Was ich in Rezensionen oft lese, ist dass die sexy moments ansprechend geschrieben waren — oder manchmal eben auch nicht. In diesem Buch geht es genau um diese schlechten Sex-Stellen, allerdings gar nicht so sehr in den oben genannten Genres. Rainer Moritz untersucht hier Sex-Stellen in Büchern, die primär oft gar eine Beziehung oder Erotik thematisieren, aus dem Genre Belletristik.


    Noch bevor es richtig los geht, fängt das Buch mit der Widmung schon ganz witzig an: “Dieses Buch wollte niemand gewidmet bekommen.” Irgendwie verständlich. Danach geht es weiter, indem Rainer Moritz die verschiedensten Sex-Stellen in Kategorien einteilt. Von komplett übersprungenen Szenen à la “Am nächsten Morgen…” geht es über tierische und botanische Vergleiche hin zu ekligem oder grenzüberschreitendem Sex. Für jede Kategorie findet und zitiert er passende Stellen von verschiedensten Autoren der Gegenwartsliteratur, beispielsweise Lukas Bärfuss, Julia Franck, Hanns-Josef Ortheil oder Philip Roth, sogar E.L. James darf ein Mal zu Wort kommen, wird aber recht schnell abgewürgt. Und diese Sex-Szenen haben es oft wirklich in sich: Viele sind einfach nur so komisch, dass ich losprusten musste; bei anderen habe ich das Buch eher ganz weit von mir weggehalten, weil die Stelle so aberwitzig, eklig oder peinlich war; die meisten Stellen waren einfach nur klischeehaft. Rainer Moritz hat hier nicht nur zahlreiche Beweise für schlecht geschriebene Sex-Stellen zusammengesucht, nein, er selbst watscht diese mit seinen Kommentaren dazu auch noch ordentlich ab, nimmt die Sätze auseinander und hinterfragt jedes Wort, insbesondere die sehr häufig vorkommenden Vergleiche mit der Tier- und Pflanzenwelt, mit verschiedenen Speisen oder gar Kunst.


    “Wer hat den schlechtesten Sex?” ist zwar ein Sachbuch, Rainer Moritz bemüht sich allerdings dennoch humorvoll und locker-flockig zu schreiben. Das Buch kommt auch keinesfalls trocken daher, aber Humor ist nun mal Geschmacksache. So hatte ich bei einigen Formulierungen den Eindruck, dass er sich fast an die peinliche Ausdrucksweise der zitierten Autoren angepasst hat, was bei der Menge an Material und der vielen Zeit, die er damit zugebracht haben muss, vielleicht kein Wunder ist. Formulierungen wie “Löwinnen auf der schwäbischen Alb, die die Rammeldefizite ihres nicht mehr ganz jungen Partners im Schwanzumdrehen therapieren” musste ich allerdings eher die Augen verdrehen. Nichtsdestotrotz bietet diese literarische Stellensuche vergnügliche Lesemomente mit viel Lachen, Schmunzeln und Fremdschämen.


    “Wer schreibt den schlechtesten Sex?” sollte hier vielmehr die Frage sein, auf die Rainer Moritz auch die Antwort gibt: Viele, wenn nicht gar sehr viele Autoren. Sobald Sex-Szenen anstehen, scheinen viele Autoren plötzlich ungeschickt zu werden, verwenden klischeebesetzte Wendungen, und wenn sie sich doch mal etwas neues einfallen lassen, ist das oft unfassbar peinlich und unpassend. Ein Buch, dass ich allen empfehle, die sich einen Spaß aus all diesen schlechten Sex-Stellen machen wollen, die so gesammelt natürlich noch mal umso schlimmer wirken.

  • “Wer schreibt den schlechtesten Sex?” sollte hier vielmehr die Frage sein, auf die Rainer Moritz auch die Antwort gibt: Viele, wenn nicht gar sehr viele Autoren. Sobald Sex-Szenen anstehen, scheinen viele Autoren plötzlich ungeschickt zu werden, verwenden klischeebesetzte Wendungen, und wenn sie sich doch mal etwas neues einfallen lassen, ist das oft unfassbar peinlich und unpassend. Ein Buch, dass ich allen empfehle, die sich einen Spaß aus all diesen schlechten Sex-Stellen machen wollen, die so gesammelt natürlich noch mal umso schlimmer wirken.


    Danke für die Rezi!


    Wird in dem Buch auch erklärt, warum Sexszenen so schlecht geschrieben werden oder wie man das ändern könnte?


    Nicht, dass ich selbst Interesse hätte :breitgrins:, aber ich finde, wenn man meckert, sollte man auch eine Vorstellung von der Verbesserung haben. Und Ursachenforschung betreiben.


    LG von
    Keshia

    Ich sammele Kochbücher, Foodfotos und Zitate.


    <3 Aktuelle Lieblingsbücher: "The good people" von Hannah Kent, "Plate to pixel" von Hélène Dujardin und "The elegance of the hedgehog" von Muriel Barbery.

  • Hi Keshia!
    Eine genaue Ursache bekommt man hier nicht präsentiert, nur Vermutungen. Wobei das auch oft als "plötzliche Unfähigkeit" abgetan wird. Verbesserungsvorschläge gibt es indirekt, weil er keine konkreten Umformulierungen vornimmt, sondern eher sagt, was er gerne nicht mehr lesen möchte. Beispielsweise "ausgelutschte" Wörter wie kommen, nehmen, eindringen etc. Oder er nimmt die vielen seltsamen Vergleiche auseinander, im Sinne von "Wie soll das denn gehen (oder aussehen)?" Ich erinnere mich da gerade an eine Stelle, in der erzählt wird, dass jemand gern mit Äpfeln schläft (ja, wirklich), und eine andere, die Brüste so umschreibt: Kürbisse, die über den Bauch hinaus hängen (oder so ähnlich). So was nimmt der Autor immer extrem auseinander und fordert mehr Details. Immer mit viel Humor (welche Sorte denn? Braeburn? Hokkaido?), aber auch mit der Botschaft, dass man sich beim Schreiben schon mehr Gedanken über diese Szenen machen sollte, damit sie nicht so vage oder peinlich bleiben.

  • Das Buch ist eine Sammlung aller (na zumindest ganz schön vieler) wichtiger Bücher, in denen Sex explizit beschrieben wird. Also ein Buch mit Anregungen zum Weiterlesen in den Originalen. Kein Analyse-Buch. Der Titel ist vom Verlagsmarketing geschickt gesetzt, um den potentiellen Käufer zum Buch greifen zu lassen.


    Ich sehe das Buch auch nicht als "Fremdschäm"-Buch. Er bespricht die Bücher sehr angesehener Autoren (aber auch Shades of Grey kommt vor) und so zeigt er auf, was sprachlich möglich ist. Somit sind in dem Buch auch die sprachlich besten Stellen aus der Weltliteratur enthalten. Jeder mag selber beurteilen, wer nun zu den besten Schreibern in Sachen Sex gehört.


    Schöne Grüße, Thomas