Per Olof Sundman - Ingenieur Andrées Luftfahrt

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  • Per Olof Sundman - Ingenieur Andrées Luftfahrt
    (1967)


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    Aus dem Klappentext:
    Per Olof Sundman hat seinem Roman jene tragischen Ereignisse zugrunde gelegt, die im Sommer 1897 und dann wieder 1930 die Weltpresse beschäftigt haben: die Ballon-Expedition des Polarforschers S. A. Andrée und seiner zwei Begleiter Knut Fraenkel und Nils Strindberg. Im Juli 1897 stiegen sie in Spitzbergen auf, um den Pol zu erreichen. Die drei Männer blieben verschollen. 1930 haben Geologen ihr Todeslager auf der Insel Vitön gefunden. Die Tagebücher sind erhalten geblieben.



    Das liest sich soweit ganz spannend. Leider ist es im Buch nicht auch so. Über 100 Seiten ziehen sich die Vorbereitungen hin, die eigentlich sehr informativ sind. Allerdings sind die Ballonfahrer auch auf vielen Banketten und anderen Feierlichkeiten unterwegs, die ihnen zu Ehren veranstaltet werden. Und das ist oft nicht mehr als das leere Gerede, wie man es selbst von langweiligen Feierlichkeiten kennt.


    Stilistisch zieht die Erzählung mich auch nicht gerade in ihren Bann. Sundman schreibt sehr sachlich und trocken - keine gute Kombination mit der langatmigen Schilderung der Vorbereitungen. Irritierend sind auch manche Dialoge, die sich nicht wie Gespräche, sondern wie Beschreibungen lesen.


    So kommt es, dass ich nach vier Tagen gerade einmal 110 Seiten gelesen habe. Das muss aber noch spannender werden, denn es ist eine abenteuerliche Expedition, und irgendwo müssen die vielen Sterne bei Amazon ja herkommen.

  • Nach weiteren 40 Seiten der Vorbereitungen und des Wartens auf den richtigen Wind kann der Ballon endlich abheben, und schlagartig wird es aufregend. Gestartet bei idealen Windverhältnissen, also Richtung Nord, treiben sie schon bald erst nach Osten, dann nach Westen. Außerdem geraten sie in eine ausgedehnte Wolkenfront. Schlecht geplant, möchte man sagen, aber wir befinden uns im Jahr 1897, als zuverlässige langfristige Wettervorhersagen noch kaum möglich waren. Die Wolken bringen zwar keinen Regen, doch die Feuchtigkeit setzt sich auf der Ballonhülle fest und durchnässt das gesamte Tauwerk, wodurch das Gewicht immens zunimmt und den Ballon sinken lässt. Obwohl sie viel Ballast abwerfen, darunter sogar schwere Proviantpakete, können sie kaum noch steigen. Schließlich bleibt ihnen nichts anderes übrig, als nach nur drei Tagen Fahrt auf dem Eis zu landen. Das Projekt Nordpol ist damit gescheitert. Noch nicht einmal die nördlichste jemals erreichte Stelle der Nansen-Expedition wurde übertroffen.


    Für diesen Fall wurden ein zerlegtes Boot sowie drei Schlitten mitgenommen. Diese Gefährte werden nun zusammengebaut und mit dem Wichtigsten beladen. Die drei Männer müssen die Schlitten mit einem Gewicht von 200 - 230 kg mit reiner Muskelkraft bewegen. Teilweise ist es beschwerlich zu gehen, denn die Schlitten sind kippanfällig. Schon kleine Eisbrocken bringen sie aus dem Gleichgewicht. Die Temperatur liegt meist um den Gefrierpunkt, aber das ist kein Problem.


    Doch die Niederlage nagt an den Nerven. Zwischen dem Ingenieur Andrée und Fraenkel baut sich fast unmerklich Spannung auf. Die Stimmung beginnt zu kippen. Andrée erscheint zu zögerlich und unsicher. Alles, was von ihm nicht geplant und einkalkuliert war, muss er erst überdenken. Er kann keine spontanen Entscheidungen treffen. Sie marschieren Richtung Franz-Joseph-Land. Immerhin treiben die Eisschollen in genau diese Richtung und nehmen ihnen so einen Teil des Weges ab.


    Die Spannung ist jetzt da, aber die Schreibweise ist immer noch gewöhnungsbedürftig. Wenn sich die Männer unterhalten, liest es sich oft wie der Text aus einem Sachbuch. Manchmal muss ich sogar nachsehen, ob das gerade Gelesene ein Gespräch war. Nervig sind auch Wiederholungen, die des öfteren auftauchen. Auf einer Seite allein dreimal die Bemerkung, dass die "Rinne ja nur 15 Meter breit ist". :rollen:

  • Die drei Männer sind also unterwegs, zurück in Richtung Süden. Obwohl das Gewicht der Schlitten reduziert wurde, ist es immer noch eine kräftezehrende Arbeit. Sie haben Proviant für 45 Tage dabei, schießen aber unterwegs mehrere Eisbären, deren Fleisch sie essen. Verhungern werden sie also nicht. Dafür machen ihnen andere Probleme zu schaffen. Muskelkrämpfe, eitrige Furunkel und anhaltender Durchfall schwächen sie immer mehr. Fraenkel, der Ich-Erzähler, macht Andrée zunehmend Vorwürfe. Er behauptet, der Leiter der Expedition habe selbst viel zu wenig Erfahrung im Ballonfahren und wolle sich nur einen Namen machen. Es sieht auch tatsächlich so aus, denn die Ausrüstung ist falsch zusammengestellt, die Lenkkonstruktion des Ballons hat sich als untauglich erwiesen und Andrée war tatsächlich vorher nur neun Mal mit einem Ballon unterwegs. Ein echter Streit wird es selten, denn Andrée geht nicht auf Fraenkels Vorwürfe ein (was vermuten lässt, dass alle Beschuldigungen zutreffen), und Strindberg, der dritte Mann, hält sich aus den Diskussionen heraus.


    Obwohl die Schilderung der Reise wirklich spannend ist, kommt die Stimmung zwischen den Männern nicht richtig zum Ausdruck. Die Diskussionen sind auch kaum lang genug, um den Konflikt richtig zur Geltung zu bringen. Es wird zwar deutlich, worin die Probleme bestehen, aber es fehlt im zwischenmenschlichen Bereich an Dramatik. Schließlich ist offensichtlich, dass Andrée schon bei dem halben Fehlstart falsch reagiert hat und ganz bewusst den Tod der drei Teilnehmer in Kauf genommen hat. Da erwarte ich mehr Vorwürfe und Rechtfertigungen.


    So ruhig, wie sich Strindberg angesichts des Konflikts zwischen seinen Kollegen verhält, stirbt er dann auch, an Erschöpfung, Auszehrung, Kälte und Resignation. Nur wenige Tage später stirbt auch Andrée; kurze Zeit darauf begeht Fraenkel Selbstmord, weil er Angst vor der Einsamkeit hat. Ob es tatsächlich so stattgefunden hat, ist bis heute ungeklärt. Die aufgefundenen Tagebücher von Strindberg und Fraenkel beschränkten sich wohl auf die Fakten rund um die Expedition.


    Obwohl ich wusste, wie diese Fahrt endet, war es letztlich doch spannend zu lesen. Die Nüchternheit bei der Beschreibung des Umgangs der Männer miteinander war aber ein bisschen übertrieben. Das hatte fast schon Sachbuchcharakter.

  • Der Versuch, im Jahr 1897 den Nordpol als Erster mit einem Ballon zu überqueren, war eine waghalsige Angelegenheit, der von vornherein zum Scheitern verurteilt war. Der Ingenieur Salomon August Andrée startete trotzdem. Das Abenteuer war erst nach mehr als 30 Jahre später endgültig abgeschlossen, nachdem man die Leichen der drei Expeditionsteilnehmer gefunden hatte. Per Olof Sundman erzählt anhand der aufgefundenen Tagebücher den Hergang des Unternehmens nach. Daraus geht hervor, dass Andrée schlecht vorbereitet war. Er hatte kaum Erfahrung im Ballonfahren, die Ausrüstung war nur unzureichend und schlecht getestet worden. Doch unter dem Druck der Öffentlichkeit, die die zukünftigen Helden schon vorab feierte, und dem Wunsch, in die Annalen einzugehen, startete er die Reise trotzdem. Angesetzt war eine Dauer von ungefähr dreißig Tagen, doch schon am dritten Tag musste der Ballon notlanden. Die Teilnehmer machten sich mit Schlitten und einem Boot zu Fuß auf den Rückweg. Nahrungsmittel waren genügend vorhanden, doch letztlich starben sie an Erschöpfung bei dem Versuch, im ewigen Eis zu überwintern, bis der Heimweg wieder möglich war.


    Obwohl Ingenieur Andrée nicht der Erzähler ist, offenbart und entwickelt er sich als Charakter am eindrucksvollsten. Vor der Reise noch zuversichtlich und fast euphorisch, wird sein Optimismus bald zerstört. Er versucht, noch möglichst viele Daten zu sammeln, um wenigstens Ergebnisse vorzuweisen, doch mit der Zeit wird deutlich, dass er schon längst resigniert hat und es sich nicht eingestehen kann.


    Erst als die eigentliche Reise begonnen hatte, wurde der Bericht endlich interessant. Vorher zieht sich alles zu sehr in die Länge mit der Schilderung von Ereignissen, die später nicht relevant sind. Per Olof Sundmans Stil ist gewöhnungsbedürftig; sein Buch weder eine reine Erzählung noch ein Sachbuch, und entsprechend unausgegoren liest es sich. Selbst bei den Dialogen kam das zum Ausdruck. Eine klare Entscheidung für die eine oder andere Stilrichtung wäre wünschenwert gewesen.


    Gerade noch 4ratten