Karel Čapek - Der Krieg mit den Molchen

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  • Karel Čapek


    Der Krieg mit den Molchen


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    Kapitän Vantoch entdeckt während einer Perlentaucherfahrt auf einer entlegenen pazifischen Insel große schwarze Molche, die sich als sehr gelehrig erweisen. Er zeigt ihnen, wie man Muscheln mit dem Messer öffnet und Verschiedenes mehr und ist von den Molchen ganz hingerissen. Zurück in Europa sucht und findet er einen Geldgeber, um die Molche für die Perlenernte einzusetzen. Das Unternehmen wird ein großer Erfolg und ständig erweitert. Die Molche werden systematisch angesiedelt und später für sämtliche Arbeiten im und am Wasser eingesetzt. Sie werden zu unentbehrlichen Sklaven, zu Arbeitstieren, zu Soldaten. Die Molche können nicht nur zuverlässig und fleißig arbeiten, sondern sie lernen auch sprechen, lesen und vieles mehr, oft autodidaktisch.


    Die menschliche Gesellschaft weigert sich lange, in ihnen mehr als Tiere zu sehen - Teils aus Eitelkeit, aber viel mehr noch aus Berechnung. Man kann auf diese billigen Arbeitskräfte einfach nicht mehr verzichten. Durch die sich rapide vermehrenden Molche sind ganz neue Industriezweige entstanden, das Geschäft brummt.


    Irgendwann wendet sich das Blatt, die Molche sind nicht länger kontrollierbar. Sie beginnen, eigene Pläne zu schmieden und auch umzusetzen…



    Dieser Science-Fiction ist 1936 erschienen. Ganz konkret werden satirisch Parallelen zur damaligen Situation in Europa dargestellt, das expandierende Deutschland und die aus den verschiedensten Gründen versagenden, ihre Chance verpassenden Nationen der Welt...


    Der Humor ist bissig-amüsant. Zu diesem Buch bin ich über die Empfehlung einer Freundin gekommen und bin froh darüber. Ärgerlich waren nur die Fußnoten, die beim mir vorliegenden E-Book irgendwie durcheinandergeraten sind und beim Lese- bzw. Vorlesefluss störten.


    4ratten

    Bücher sind Magie zum Mitnehmen.

  • Inhalt


    Čapek, ein überaus produktiver tschechischer Schriftsteller (1890 – 1938), schreibt über die Konsequenzen des Aufeinanderprallens zweier sehr unterschiedlicher Kulturen, die gegenseitigen Abhängigkeiten und Verstrickungen und letztendlich den Kampf um den Platz an der Spitze der Pyramide der Macht. In Südostasien entdeckt der Kapitän eines Handelsschiffes auf einer abgelegenen Insel eine unbekannte Tierart: große, intelligente Molche, die abgesehen von gelegentlichen Kämpfen gegen ihr Erzfeinde, die Haie, vollkommen friedlich und anspruchslos in den Buchten des unbekannten Eilands leben. Der etwas naive, aber bauernschlaue Kapitän van Toch erkennt die Intelligenz der Tiere und beginnt einen Tauschhandel. Die Molche suchen den Meeresgrund nach Perlmuscheln ab, während er ihnen Waffen liefert, mit denen sich die Tiere selbst verteidigen können.
    Um den Handel auszuweiten, braucht van Toch große finanzielle Mittel, die er von einem Großindustriellen erhält, ein wirtschaftliches Bündnis, das Schritt für Schritt in die Katastrophe führt. Nachdem das Geheimnis der geheim gehaltenen Molche an die Öffentlichkeit gedrungen ist, entwickelt sich schnell ein florierender Handel mit den Tieren, die als billige Arbeitskräfte für Hafenanlagen und, weiterhin konsequent, später auch als Marinesoldaten eingesetzt werden.
    Eher früher als später rächt sich die Ausbeutung der intelligenten Tiere, die zunehmend eigene Interessen durchzusetzen versuchen und schließlich den Krieg gegen die Menschen beginnen.


    Meinung


    Gleich vorneweg: die literarische Mischung aus Satire, Dystopie, Parodie, Schwarzer Humor, bitterer Menschenkenntnis und Science-Fiction führt zu einem Roman, den ich allen Freunden obiger Rubriken uneingeschränkt empfehlen kann.


    Čapeks Schreibstil ist unterhaltsam, sein Humor feinsinnig und überaus schwarz. Wenn man die Existenz der intelligenten Amphibien akzeptiert, ist der Lauf der Geschichte, beginnend bei dem erstmaligen Kontakt mit den Molchen bis zum Weltkrieg gegen sie, detailliert und derart vollkommen logisch geschildert, dass der Leser selbst von der Entwicklung gewissermaßen überrollt wird. Man muss sich der Frage stellen, ab welchem Punkt der Geschichte das drohende Verhängnis eigentlich klar zu erkennen war, und was man hätte tun können, um es zu verhindern.


    Eine geniale Idee ist auch die Umsetzung des Romans, der anfangs klassisch das Leben van Tochs schildert, im zweiten Teil aber zur Arbeit fiktionaler Historiker wird, die anhand Tausender Zeitungsberichten versuchen herauszufinden, wie es zu der Katastrophe kommen konnte. Mit ausufernden Fußnoten im Stile eines Pratchetts, in denen viele der Zeitungsartikel z.T. wörtlich abgedruckt sind, gelingt es Čapek, die (eigentlich absurde?) Ausgangssituation erschreckend real erscheinen zu lassen.


    Ein weiterer Pluspunkt sind die bissigen und sarkastischen Zwischenbemerkungen, von denen sich nicht wenige auf den Faschismus und den drohenden zweiten Weltkrieg beziehen (das Buch erschien 1936). Nachdem sich beispielsweise jede Küstennation mit eigenen Molchtruppen versorgt hat, gilt in Deutschland nach Erfolgen im marinen Baugewerbe folgende Parole:


    Solche Erfolche
    erreichen nur deutsche Molche!


    England andererseits, verbietet den Handel mit Molchen im Empire, und wenn ein paar Seiten später trotzdem englische und französische Molche im Ärmelkanal gegeneinander kämpfen, wundert sich der Leser nicht wirklich über Realsatire moderner Politik, die vordergründig Versprechungen macht ohne überhaupt den Versuch zu machen, sie zu halten.


    Čapeks Pessimismus zieht sich ungetrübt und ungestört durchs ganze Buch hindurch. Selbst, als Molche gegen Menschen kämpfen, werden sie noch von manchen Staaten mit Waffen versorgt, weil sonst das globale Wirtschaftsgefüge auseinander bricht, und man fühlt sich unwillkürlich an gewisse Konflikte in Afrika und dem Nahen Osten erinnert.
    Zuletzt sei angemerkt, dass Čapek nach einem brillant düsteren Roman ein nur schwaches Ende gelungen ist. Beinahe hat man den Eindruck, als wollte er das Buch endlich abschließen, und er hakt auf wenigen Seiten ab, was er durchaus hätte ausführlicher schildern können. Auch der erneute Stilwechsel, hin zu einem Selbstgespräch zwischen menschlichem und beobachtendem Selbstaspekt des Autors passt nicht zu der vorhergehend aufgebauten historischen Fiktionalität, die in wenigen Sätzen gnadenlos zerstört wird.


    Trotz des Endes ein herrlich tiefgründiges Werk vollgepackt mit Zynismus, schwarzem Humor und einem schwermütigen Fatalismus, das zu Lesen wirklich Vergnügen bereitet.


    Sonnige Tage und erholsame Nächte!


    5ratten

    Auf meinem Blog <br /><br />cynthor.wordpress.com <br /><br />findet ihr meine Rezensionen, weitere &quot;Bücherschätze&quot; sowie Infos zu meinem gesellschaftskritischen Fantasy-Roman &quot;Ethopia - Erwachen&quot;.