Jan Amos Komenský - Das Labyrinth der Welt

Es gibt 4 Antworten in diesem Thema, welches 1.749 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von kaluma.

  • Im Rahmen der Monatsrunde Mai 2017 lese ich ein Buch, das ich schon seit sehr langer Zeit endlich lesen wollte, an das ich mich aber nie recht herangetraut habe.


    Meine Ausgabe von 1984 (der linke Amazon-Link) trägt den Titel Jan Amos Komenský - Das Labyrinth der Welt und andere Schriften , denn außer dem bekannten Buch "Das Labyrinth der Welt" sind noch andere Schriften Komenskýs enthalten.


    Die Übersetzung ist von Zdenko Baudnik.


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    Der Autor


    Jan Amos Komenský, oder auch Johann Amos Comenius, 1592-1670, war Pädagoge, evangelischer Theologe, Philosoph und Bischof der "Böhmischen Brüdergemeinde" (einer verfolgten Exilkirche). Seit Leben war überschattet vom Dreißigjährigen Krieg, Flucht, Exil und persönlichen Schicksalsschlägen. Es lohnt sich, ein wenig über ihn nachzulesen, ich habe das schon getan und werde es auch noch genauer tun, denn seine Person interessiert mich.


    Das Buch


    Am Beginn steht eine fast 20 Seiten langes Vorwort von Ilse Seehase (Professorin für Tschechische und Slowakische Sprache und Literaur in Leipzig bis 1991). Es ordnet Comenius' Leben und Werk in den zeitlichen Kontext rund um Hussiten, Reformation und Dreißigjährigen Krieg ein, auch dies alles Themen, mit denen man sich näher beschäftigen sollte. Ich habe das Nachwort zunächst nur überflogen, weil es vollgestopft mit historischer Information ist und hier Namen, Geschehnisse und Orte genannt werden, die mir nur vage etwas sagen (so wusste ich z.B. nichts Genaues mehr über die Schlacht am weißen Berg 1620 und ihre Bedeutung für den 30jährigen Krieg, Böhmen und die tschechische Sprache.


    So führt eins zum anderen und ich komme später auf das Vorwort zurück, das eine gründliche Lektüre wert ist, aber ich bin mit Vorworten manchmal etwas ungeduldig und wollte lieber erstmal Comenius' Originalschriften lesen.


    Das nächste Kapitel Briefe an den Himmel (1619) enthält nur einen Brief, nämlich den Ersten Brief der Armen an Christus, den Herrn.


    Nun beginnt Das Labyrinth der Welt. Die Welt und das Leben werden hier als Labyrinth dargestellt, durch das jeder Mensch sich bewegen muss. Der Protagonist begibt sich auf eine Pilgerfahrt durch dieses Labyrinth, weil er herausfiden möchte, wie er sein Leben am angenehmsten und sinnvollsten verbringen soll. Dabei wird ihm ein Begleiter namens Überalldabei oder Allwisser zur Seite gestellt, der ihm Zaumzeug und Zügel des Vorwitzes anlegt, und auch mit dabei ist die Verblendung (Vorurteil und Gewohnheit) die ihm ihre Brille aufsetzt, an der er zum Glück ein wenig vorbeischauen kann, wodurch er die Welt immer noch mit Vernunft und Urteilskraft wahrnehmen kann.


    Nun betrachtet er die Welt und das Treiben der Menschen, die durch die Geburt in die Welt geschickt werden, durch Berufswahl verschiedene Wege einschlagen, aber auch ihr Los vom Schicksal zugewiesen bekommen. Visualisiert wird das als eine Art Stadt durch diese Abbildung (die leider nicht im Buch abgebildet ist, aber beschrieben wird). Die Menschheit teilt sich in sechs Stände (Ehestand, Handel/Gewerbe, Gelehrte, Geistliche, Adel und Ritter/Krieger). In der Mitte ist ein freier Marktplatz, auf dem alle sich begegnen und ihre Geschäfte miteinander treiben.


    Interessant fand ich, welch große Bedeutung hier der Berufswahl beigemessen wird. In den Kapiteln, die ich bisher gelesen habe, wird das vergebliche unnütze Treiben der Menschen beschrieben, ihre Fehler, Mißverständnisse, Eitelkeit, Hochmut und Wankelmut usw. Alles sehr treffend auf den Punkt gebracht und durchaus auch heute noch aktuell!

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    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.

    Einmal editiert, zuletzt von kaluma ()

  • "Das Labyrinth der Welt" habe ich inzwischen beendet. In den Kapiteln durchläuft der Pilger alle möglichen Berufe (Handwerker, Gelehrte, Juristen, Mediziner, Philosophen...) und Stände (Ehestand, Klerus, Ritter, Adel) und nimmt Kategorien wie Macht, Reichtum, Luxus unter die Lupe.


    Ich habe gestaunt, wie systematisch Comenius alles beschreibt, wie detailliert und exakt er die negativen Aspekte aller menschlichen Aktivitäten auf den Punkt bringt, und wie unterhaltsam und leichtverständlich der Text lesbar ist. Man sollte kaum meinen, dass dieses Buch 400 Jahre alt ist. Vieles ist zeitlos und auch heute noch genauso anzutreffen, hier ein Textbeispiel aus dem Kapitel über Handel und Gewerbe:


    Zweitens sah ich, daß alle nur für ihren Magen arbeiteten. Denn was sie ergatterten, stopften sie sich und den Ihrigen in den Mund, mit Ausnahme weniger, die das, was sie dem Munde entzogen, in den Beutel taten. Doch war dieser, wie ich bemerkte, oft voll Löcher, so daß das, was man hineintat, wieder herausfiel und von den anderen aufgehoben wurde, oder man entriß ihnen den Beutel mit Gewalt. Deutlich konnte man sehen, daß alles menschliche Bemühen zu nichts anderem führt, als daß das Geld aus einer Tasche in die andere wandert. (S. 63/64)


    So war das also schon damals. :breitgrins:


    Obwohl es textlich gut verständlich war, habe ich doch lange für das Buch gebraucht, denn ich habe es in kurzen Abschnitten gelesen, zum einen weil es in kleiner, enger Schrift gesetzt ist, zum anderen, weil vieles sich doch wiederholte und es viele Aufzählungen gab. Und weil es im ganzen doch etwas negativ herüberkommt, wenn Comenius die ganze Zeit nur kritisiert.


    Einige Passagen in meiner Ausgabe sind gekürzt, dies ist mit Fußnoten vermerkt, zum Beispiel da, wo mehrere Werke antiker Philosophen aufgezählt werden, von denen ich nur einen Teil dem Namen nach kannte und noch weniger gelesen hatte. Auch historische Bezüge und Anspielungen auf damalige zeitgenössische Literatur, die man heute nicht mehr unbedingt kennt, wenn man nicht gerade Philosophie und Geschichte studiert hat, sind sehr gut in Fußnoten erläutert.


    Was mich allerdings ärgerte: in meiner Ausgabe (Reclam 1984) fehlt der zweite Teil "Das Paradies des Herzens". Das hatte ich nicht erwartet, zumal das "Paradies des Herzens" in der Beschreibung auf der Rückseite des Buches erwähnt wird. Meiner Meinung nach gehört der zweite Teil jedoch dazu, ohne diesen empfinde ich den Text als unausgewogen. Allerdings verwundert es nicht, dass ein Text, der die christliche Religion als den Weg zu einem besseren Leben darstellt, zu DDR-Zeiten lieber nicht gedruckt wurde.


    Doch heute kann man das zum Glück ja alles lesen und ich habe mir diese Ausgabe, die beide Teile enthält, aus der Badischen Landesbibliothek ausgeliehen: Johann Amos Comenius - Das Labyrinth der Welt und andere Meisterstücke (Tschechische Bibliothek, DVA München 2004).


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    Ich freue mich schon auf die Lektüre des "Paradies des Herzens" und vergebe für "Das Labyrinth der Welt" schonmal


    5ratten

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    Einmal editiert, zuletzt von kaluma ()

  • Ebenfalls in meiner Ausgabe enthalten sind etliche Briefe von Comenius, z.B. an Martin Opitz, Axel Oxenstierna und andere Personen.


    Schon gelesen habe ich den "Dialog des Betrübten mit dem Verstand", der alllerdings in meiner Ausgabe auch unvollständig ist. In diesem Text geht es um die Frage, ob man angesichts von großem Leid und Schmerz seinen Lebensmut behalten kann. Hier kommen interessante Aspekte zur Sprache und es wird vor allem sehr deutlich, dass dieser Text geschrieben wurde unter dem Eindruck von Pest und Dreißigjährigem Krieg.


    Ein paar andere Texte folgen noch, ich werde berichten, sobald ich auch diese noch gelesen habe.

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  • Ein paar andere Texte folgen noch, ich werde berichten, sobald ich auch diese noch gelesen habe.


    Das will ich jetzt endlich mal nachholen, um den Thread zu vervollständigen. Zuende gelesen habe ich das Buch schon vor einer Weile.


    Die weiteren in dieser Ausgabe enthaltenen Schriften sind Briefe Komenskýs an verschiedene Zeitgenossen, die ich nur überflogen habe, außerdem verschiedene Schriften unter der Überschrift "Weckrufe". Um diese richtig zu würdigen, müsste man sich wohl etwas ausführlicher in die Zeitgeschichte und/oder Philosophiegeschichte vertiefen. Deshalb von mir an dieser Stelle kein weiterer Kommentar dazu.


    Komenskys Rede von 1650 "Über den rechten Umgang mit Büchern, den Hauptwerkzeugen der Bildung" würde auch euch vermutlich gefallen. Hier kommt eine hohe Wertschätzung von Büchern zum Ausdruck.

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    Nicht in meinem Reclambändchen enthalten ist die Fortsetzung des Labyrinth der Welt, nämlich "Das Paradies des Herzens". Ich habe diese Fortsetzung in einem anderen Buch gelesen (Johann Amos Comenius: "Das Labyrinth der Welt…" und andere Meisterstücke, ausgewählt und mit einem Nachwort von Klaus Schaller, Tschechische Bibliothek, Deutsche Verlags-Anstalt, München, 2004, siehe Amazon-Link) und bin der Meinung, dass "Das Labyrinth der Welt" unvollständig ist ohne diese Fortsetzung.


    Im Paradies des Herzens wird ein Weg aufgezeigt, der Komenskýs Meinung nach den Ausweg aus den Verstrickungen im Labyrinth der Welt zeigt: den (wahren) christlichen Glauben. Der Wanderer wird auf das Wesentliche zurückgelenkt: aus der Irre zurückkehren, im Innern nach dem richtigen Weg suchen, der von Gott gewiesen wird. Dem Weltlabyrinth wird das Richtige, wirklich Wertvolle entgegengesetzt, nach dem der Mensch streben soll: inneren Frieden und Authentizität. Das ist heute so aktuell wie damals. Für Herrschaftstreben, Gewinnsucht, Machtstreben, Kriegstreiberei, Vergnügungssucht werden Alternativen aufgezeigt, die den Menschen innerlich frei machen. Zitat: "Aber achte du diese Dinge nicht, denn sie bringen keinen Frieden, sondern vielmehr Unruhe. … Suche dir lieber die inneren Schätze, nemlich Erleuchtung und Gottseligkeit, zu sammlen, so will ich dir alles andere zugeben" (S. 171)


    Und noch ein Zitat: "Wer zu Gott will kommen, muß alles andere vergessen, wer Gott haben will, muß alles andere verlassen." (S. 178)


    Fazit: Das Labyrinth der Welt und Das Paradies des Herzens unbedingt beide (zusammen) lesen!

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