Direkt vorab: Ich bin mit der Einordnung völlig überfordert. Es ist kein wirklicher Roman, kein Sachbuch, keine Autobiographie, einer nennt es Kriminalroman, man könnte es auch unter Unterhaltungsliteratur fassen... Also verschiebt es gerne, wenn ihr wollt.
Stefan Schweizer - Die Akte Baader
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In diesem biografischen Roman, wie der Verlag/Autor das Genre betitelt, wird die Figur von Andreas Baader, dem Kopf der Terrorgruppe RAF, in den Fokus genommen. Der Autor erzählt durchgehend von "Andreas", angefangen bei seiner Kindheit bis zu seinem Tod. Doch vor allem am Ende wechselt er für kurze Zeit die Perspektiven, um die Leser*innen noch die weiteren Verläufe der RAF-Aktionen schildern zu können, auch wenn diese sich Andreas Baaders Perspektive entziehen.
Man merkt auf Anhieb, dass der Autor sich nicht direkt entscheiden konnte, ob er nun einen Roman oder ein Sachbuch schreiben will, was vielleicht auf seinen Beruf als Geschichtsprofessor zurückzuführen ist. Die Leser*innen bekommen die Geschehnisse zwar aus Baaders Perspektive geschildert und das vertrauliche "Andreas" soll sicherlich eine Nähe zulassen, aber dennoch ist durchgehend eine klare Distanz zu spüren. Auch die (vom Autoren sicherlich fiktiv hinzugefügte) wörtliche Rede wirkt oft holprig. Hinzukommen einige Fach- und Fremdwörter, die für interessierte Laien sicherlich verständlich sind, aber für Menschen ohne Hochschulabschluss oder großem Interesse an Geschichte vielleicht überfordernd sein könnten. Dennoch ist das Buch weit von einem Sachbuch entfernt. Dafür sprechen zum einen die bereits erwähnte wörtliche Rede, aber auch jegliche Verweise in Form von Fußnoten oder einer angehängten Literaturliste, wie sie in historischen Romanen oft zu finden sind. Es gibt zwar ein vierseitiges Nachwort, das aber eher allgemein gehalten ist und nicht über Fiktion und Realität aufklärt. Doch durch diese vermischten Stilelemente schafft der Autor es, einen informierenden Roman über Baader und die RAF zu schreiben, der NICHT glorifiziert. Schonungslos beschreibt er Baaders aufbrausenden, gewalttätiges Gemüt, seinen zerstörerischen Alkohol- und Drogenkonsum, seine gewaltverherlichenden Gedanken und Visionen. Viel bleibt am Ende nicht mehr vom Mythos des Andreas Baaders übrig, das die Leser*innen glorifizieren könnten. Denn zwar werden hin und wieder auch die verqueren politischen Ansichten beschrieben, doch treten die im Gegensatz zu Baaders Geltungsbedürfnis in den Hintergrund.
So konnte der Roman mich am Ende doch noch überzeugen, obwohl ich am Anfang wegen des Stils starke Bedenken hatte. Auch entwickelt sich eine Lesesog, obwohl die Geschehnisse - zumindest die Eckdaten - mir bekannt waren.