Betsy Lerner - Food and loathing

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    Inhalt

    1975 war Betsy Lerner ein ganz normaler Teenager mit einem kleinen Problem: sie war zu dick, zumindest in ihren Augen. Deshalb ging sie gemeinsam mit ihren Eltern zu den OA, den Overeaters Anonymous, um abzunehmen. Die ersten Erfolge stellten sich schnell ein, Betsy war sogar eine der Erfolgsgeschichten ihrer Gruppe. Aber der Erfolg hielt nicht an. Betsy nahm wieder zu und die Schuldgefühle deswegen setzten einen Prozess in Gang, der ihr Leben jahrelang bestimmen sollte.


    Meine Meinung

    Betsys Geschichte beginnt mit dem wöchentlichen Wiegen an ihrer Schule. Das war immer eine Qual für sie, denn die meisten anderen Mädchen in ihrer Klasse waren viel dünner und schöner als sie. Deshalb war sie froh, dass es zumindest ein Mädchen in der Klasse gab, die dicker war als sie.


    Die Idee, zu den OA zu gehen, kam von ihren Eltern weil die ganze Familie mit Gewichtsproblemen zu kämpfen hatte. In wieweit das wirklich stimmte, kann ich nicht beurteilen. Ich habe den Eindruck, dass das Gewicht in Betsys Familie so eine große Rolle spielte, dass man keinen neutralen Blick darauf hatte. Aber ich habe auch nicht gelesen, dass die Eltern Betsy wegen ihres Gewichts angesprochen hätten. Die Eltern nahmen die Teilnahme an den Treffen auch nicht so ernst wie ihre Tochter, sie schummelten ab und zu während Betsy sich streng an ihr Programm hielt.


    Vielleicht war deshalb Betsys Schuldbewusstsein so groß, als sie das erste Mal "versagte". Anfangs versuchte sie noch, sich an das Programm zu halten, aber irgendwann gab sie auf. Wenn der innere Druck zu groß wurde, aß Betsy alle was sie in die Finger bekommen konnte. Der Wunsch, perfekt zu sein und das Gefühl, nicht gut genug zu sein konnte sie nur auf diese Art beruhigen.


    Bald hatte das Verhalten Folgen auf die anderen Aspekte in ihrem Leben. Betsy konnte sich nicht mehr auf ihr Studium und ihre Arbeit konzentrieren Irgendwann erkannte sie, dass sie professionelle Hilfe brauchte. Zuerst in einer Praxis, später ließ sie sich in eine Klinik einweisen. Mich haben besonders die Erinnerungen an die gemeinsamen Sitzungen mit den Eltern betroffen gemacht, während denen die älteren Schwestern immer gelobt wurden, Betsys Probleme aber komplett ignoriert wurden. Wie alles, was nicht in das vermeintlich heile Bild passte gab es nicht.


    Lange Zeit wurde die Verbindung zwischen Betsys Essstörung und ihrer bipolaren Störung nicht gemacht und so jeweils nur eines ihrer Probleme behandelt. Erst als das passierte, ging es ihr langsam besser.


    Food and loathing hinterlässt einen faden Beigeschmack bei mir. Auf der einen Seite wird ein junges Mädchen fast schon in eine Essstörung gedrängt, weil sie dem gängigen Schönheitsideal nicht entsprochen hat. Wäre das auch passiert, wenn Betsys von ihren Eltern mehr Verständnis erfahren hätte? Wie sehr sie das geprägt hat, wird deutlich als Betsy mit dem Kinderarzt ihrer Tochter über deren mögliches Übergewicht spricht, obwohl es dafür keinen Anlass gibt. Glücklicherweise hat der Verständnis für sie und nimmt sich ausreichend Zeit, mit ihr darüber zu sprechen und ihre Bedenken zu zerstreuen. Genauso ging es mir mit der Behandlung von Betsys Depressionen. Sie erzählt aus einer Zeit, in der Prozac gerade auf den Markt kam und zumindest in den USA als das neue Wundermedikament gefeiert wurde und sich deshalb um die Ursachen gekümmert wurde.


    Betsy Lerner hat es geschafft, sich aus dieser ungesunden Dynamik zu befreien, auch wenn der Weg lang war. Es ist die Geschichte von falsch verstandenen Schönheitsidealen und dem falschen Bild einer schönen Welt.

    4ratten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.