Malinda Lo - Last Night at the Telegraph Club

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    Ich habe die deutsche Ausgabe von Malinda Los Jugendroman "Last Night at the Telegraph Club" gelesen, die denselben Titel trägt wie die englischsprachige Originalausgabe.


    Lily lebt als chinesischstämmige Amerikanerin Anfang der 1950er Jahre in San Francisco und fühlt sich in Chinatown, in ihrer Familie und bei ihren Freunden eigentlich gut aufgehoben. Das ändert sich, als sie in verschiedenen Bereichen ihres Lebens mit Komplikationen konfrontiert wird - zum einen geht die Angst um, in Kontakt mit Kommunisten zu kommen und dadurch ins Visier des FBI zu geraten, zum anderen spürt Lily, dass sie anders fühlt als andere Siebzehnjährige - sie entdeckt ihre Gefühle für Frauen, insbesondere für ihre Klassenkameradin Kath.


    Der im Titel genannte "Telegraph Club" ist ein fiktiver Nachtclub, in dem eine "Herrenimitatorin" auftritt, und die Neugier darauf treibt Lily in diesen Club. Hier lernt sie zum ersten Mal bewusst lesbische Frauen kennen und vertieft über die Besuche dort die zunächst eher oberflächliche Beziehung zu Kath, bis sie sich schließlich ineinander verlieben. In dem sehr ausführlichen Nachwort erläutert die Autorin, dass es historische Vorbilder für diesen Club gab und wie sie überhaupt ihre Recherchen zur Geschichte lesbischer, chinesichstämmiger Frauen Anfang der 50er Jahre geführt hat. Auch der historische Kontext dieser Einwanderergruppe wird erklärt, was für LeserInnen ohne entsprechendes Vorwissen sicher sehr hilfreich ist.


    Der Roman bietet den LeserInnen einiges: einerseits handelt es sich um einen gut recherchierten historischen Roman, zum anderen ist die Liebesgeschichte zwischen Lily und Kath glaubwürdig und gefühlvoll dargestellt. Am wichtigsten war mir persönlich der Coming-of-Age-Aspekt, der hier in verschiedenen Bezügen eine Rolle spielt: zum einen wird Lilys Suche nach ihrer Sexualität (und damit auch ihrer geschlechtlichen Identität) nachvollziehbar geschildert, und es ist für ein Mädchen der 50er Jahre außerordentlich mutig, diese im entscheidenden Moment auch ihrer Familie gegenüber nicht zu verheimlichen, zum anderen wird Lilys Kampf um ihre Unabhängigkeit, der sich eben nicht nur auf die Sexualität bezieht, immer wieder verdeutlicht, beispielsweise auch gegenüber ihren Freundinnen aus Chinatown. Und so kann man als LeserIn Lily praktisch beim Erwachsenwerden zuschauen und es wird, obwohl sie sich am Ende noch für eine gewisse Zeit den Erwartungen ihrer Familie beugen muss, klar, dass Lily ihren Weg gehen wird.


    Besonders gut gefallen hat mir auch die Tatsache, dass Lily, obwohl sie versucht, den familiären und gesellschaftlichen Erwartungen an ein Mädchen zu Beginn er 50er Jahre gerecht zu werden, eben kein typisches Mädchen (dieser Zeit) ist. Sie begeistert sich für Mathematik und will sich beruflich mit der Raumfahrt beschäftigen, für diese Ziele setzt sie sich auch ein. Mit Kath hat sie zunächst vor allem deshalb Kontakt, weil beide in demselben Mathekurs sitzen, auch Kaths Berufswunsch, Pilotin zu werden, ist ungewöhnlich, und damit sind beide auch für heutige Leserinnen gute Vorbilder, ganz im Gegensatz den Protatonistien vieler Jugendromanen, die auch heute noch traditionellen Rollenbildern nacheifern.


    Bei so viel "political Correctness" kann man natürlich etwas ketzerisch die Frage stellen, ob denn die Geschichte an sich auch etwas taugt. Und das tut sie definitiv, ich habe den Roman sehr gerne gelesen und war gespannt, wie sich die Romanze zwischen Lily und Kath entwickelt und ob Lily letztendlich ihre Unabhängigkeit erlangt.


    5ratten