Emma Cline - Die Einladung

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    "Die Einladung" ist der neue Roman von Emma Cline, die 2016 mit ihren Debüt "The Girls" bekannt wurde. Die Protagonistin des Romans ist Alex, eine 22jährige, die sich auf Einladung des wesentlich älteren Simon in dessen Haus in den Hamptons aufhält und dort von ihm ausgehalten wird. Er weiß nicht, dass sie "in der Stadt" einen Scherbenhaufen hinterlassen hat, der ihr eine Rückkehr unmöglich macht. Als er sie hinauskomplimentiert weiß Alex daher nicht, wo sie hingehen und was sie mit ihrem Leben anstellen könnte. Sie stürzt sich vielmehr auf die fixe Idee, Simon zurückgewinnen zu können, wenn sie es schafft, bis zu seiner Party am Labour Day durchzuhalten und dann in seinem Haus aufzutauchen - und damit beginnt eine Woche voller irrationaler Überlegungen und schwieriger Begegnungen, aber Alex tut das, was sie am besten kann: anderen Menschen etwas vorspielen.


    Alex ist keine sympathische Protagonistin. Man erfährt nicht, woher sie stammt und wie sie zu dem geworden ist, was sie ist - eine Prostituierte, die sich von Männern mal mit Geld, mal mit Drogen, mal mit Designerkleidung kaufen lässt und so ihren Lebensunterhalt mehr schlecht als recht bestreitet. Mit 22 ist sie schon an der oberen Altersgrenze und muss sich langsam nach einer Absicherung umsehen - hier wäre Simon kein schlechter Kandidat, da er ihr die materielle Sicherheit bieten kann, nach der sie strebt. Die Einblicke in ihr Vorgehen sind nicht schön, Alex ist hochgradig manipulativ, um ihrem jeweiligen Gegenüber nur das von sich zu zeigen, was dieses vermeintlich sehen will.


    Vor diesem Hintergrund hält sich auch das Mitleid gegenüber Alex in engen Grenzen, weil sie sich selbst in diese unmögliche Situation gebracht hat, in der ihr auf die harte Tour gezeigt wird, dass sie in der vornehmen Gesellschaft der Hamptons nicht willkommen ist - man fragt sich vielmehr, warum jemand es überhaupt für erstrebenswert halten kann, zu dieser zu gehören, denn auch der materielle Wohlstand kann nicht über die Leere und Oberflächlichkeit hinwegtäuschen, die Alex sehr wohl wahrnimmt (und durch ihre Überlegungen natürlich auch die LeserInnen).

    Genausowenig kann man aber diejenigen bedauern, die von Alex belogen, betrogen und bestohlen werden, da sie eben auch diejenigen sind, die von der extremen Ungleichheit zwischen den Reichen und den "normalen" Menschen, die sich aus Finanzgründen ergeben und untergeordnet zeigen müssen, profitieren - diese Welt des Geldes ist durch und durch unsympathisch.


    Und so kann man diesen Roman meiner Ansicht nach vorrangig als Gesellschaftskritik lesen, da hier eine von der Realität entfremdete Oberschicht dargestellt wird, die sich alles leisten kann und darf, weshalb die Zugehörigkeit zu ihr erstrebenswert scheint, auch wenn die Oberflächlichkeit und Leere, die sich hinter den teuren Fassaden verbirgt, auf den ersten Blick erkennbar ist. Alex ist eine Antiheldin, mit der man trotzdem mitfiebert, allein schon weil ihr Plan so unrealistisch erscheint und ihre Vorgehensweise, sich unter Betäubung durch Alkohol, Drogen und Medikamente irgendwie durchzuschummeln, so abwegig ist.

    Deshalb ist der Roman vor allem auch richtig gute Unterhaltung, hier wird nicht mit dem erhobenen Zeigefinger gewunken, sondern den LeserInnen Raum für eigene Einschätzungen gelassen. Ich habe den Roman in einem Rutsch durchgelesen und er hat mir wirklich gut gefallen, einschließlich des offenen Endes, das eigentlich gar nicht anders kommen kann: Wenn Plan A nicht funktioniert wird diese verquere Protagonistin einen Plan B und vielleicht auch weitere wahnsinnige Pläne in der Hinterhand haben, so wie sie sich auch durch diese erst endlos scheinende und dann doch recht kurze Woche in den Hamptons gemogelt hat.


    5ratten

  • Ich habe mich mit dem Buch schwer getan. Auf der einen Seite zeigt Emma Cline gerade in der zweiten Hälfte die Oberflächlichkeit der Kreise, in denen sich Alex bewegt. Die Menschen interessieren sich nicht wirklich füreinander, sonst würde ihnen auffallen, dass Alex ihr Leben nur imitiert. Zugegeben, sie ist darin sehr gut. Aber manchmal fällt sie trotz aller Bemühungen aus ihrer Rolle, meistens ohne dass es Konsequenzen gibt.


    Auf mich hat Alex' Geschichte gewirkt, als ob sie mitten aus einer anderen Erzählung gerissen wurde. Ich erfahre kaum etwas von ihrem Leben, das sie vor der ersten Seite geführt hat und auch das Ende ist mir zu offen. Ein offenes Ende stört mich meistens nicht, aber vielleicht hätte ich mehr Verständnis für Alex gehabt, wenn ich ihre Motive besser verstanden hätte. So blieb sie für mich leider zu eindimensional.

    3ratten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.