Thomas Bogenberger - Hattinger und der verschollene Bruder

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    Thomas Bogenberger: Hattinger und der verschollene Bruder, Bielefeld 2023, Pendragon Verlag, ISBN 978-3 86532-836-6, Softcover, 390 Seiten, Format: 11,6 x 3,2 x 19 cm, Buch: EUR 14,00, Kindle: EUR 11,99.


    „[…] Ich war in Freising. Also, wenn Sie eine Schuldige brauchen, dann würde ich vielleicht mal bei ihr suchen!“, platzte sie schließlich heraus.“
    „Hamma scho gmacht“, bemerkte Hattinger trocken.
    „Und dann lassen Sie sie noch nach Malta fliegen?“
    „Des hamma wiederum ned …“
    (Seite 344)


    Oh! Das ist schon der vierte Band einer Krimireihe, die mir komplett entgangen ist! Ich habe nicht mal mitgekriegt, dass zwei Bände schon fürs Fernsehen verfilmt wurden – mit namhafter Besetzung, und sogar mit Auszeichnung. Ja, Mensch, das muss mir doch einer sagen, dass das gut ist! :D


    Authentische Dialoge – mit Dialektfärbung


    Der vorliegende Band 4 ist mir zugelaufen und ich finde ihn in seiner Dialoglastigkeit klasse. Die Geschichte spielt am Chiemsee und die Einheimischen reden mit mehr oder minder starker Dialektfärbung. Ich lese das so schnell wie einen hochdeutschen Text und höre die Leut‘ im Geiste reden. Der Autor legt anscheinend sehr viel Wert auf authentische Gespräche. So kann man wörtliche Rede eigentlich nur schreiben, wenn man die Texte vorher spricht.


    Ein Toter in der Gartenlaube


    A Handlung hamma natürlich auch. 😊 Winter 2021, Breitbrunn am Chiemsee: Der bettlägerige Senior Werner Wagner sieht von seinem Schlafzimmerfenster aus seinen Nachbarn tot in dessen Gartenlaube liegen. Hauptkommissar Alfons Hattinger und seinen Kollegen ist schnell klar, dass da ein Fremdverschulden vorliegt. Jemand hat den Unternehmer, Herrn Dr. Herbert Graf, 54, irgendwie betäubt und dann im Freien erfrieren lassen. Ob der betagte Herr Wagner davon etwas mitgekriegt hat, ist schwer zu sagen, denn der ist nicht mehr Herr seiner Sinne und redet seltsames Zeug in Stabreimen.


    Das Umfeld des Toten ist etwas merkwürdig. Seine Geschäfte sind dubios,


    Hier ist was oberfaul!


    Als auch noch Werner Grafs Mitarbeiter Mirko Krawcyk tot aufgefunden wird und eine Polizistin in Grafs Unternehmen angegriffen und so schwer verletzt wird, dass sie auf der Intensivstation landet, ist klar: Hier ist was oberfaul! Was haben die Grafs nur in ihrer Firma, abseits vom Offensichtlichen, getrieben? Was weiß Krawcyks Kumpel Joschi darüber? Der kann unmöglich so ahnungslos sein, wie er tut!


    Leider ist Hauptkommissar Alfons Hattinger derzeit nicht so bei der Sache, wie er sein sollte. Nach 25 Jahren Funkstille ist aus heiterem Himmel sein älterer Bruder Anton aufgetaucht und hat sich bei ihm einquartiert. Anton ist das schwarze Schaf der Familie. Er ist bereits mit dem Gesetz in Konflikt geraten und lebt seit Jahrzehnten im Ausland. Zuletzt offenbar in Venezuela.


    Unerwünschter Verwandtenbesuch


    „Antonio“ Hattinger ist ein rücksichtsloser Geselle und macht sich bei Alfons in der Wohnung breit. Er frisst sich bei ihm durch, lässt seinen Kram überall rumliegen und führt große Reden.


    Dann stellt sich heraus, dass Antonio Hattinger nicht nur eine fürchterliche Nervensäge ist, sondern auch noch ein Tatverdächtiger.


    Wie tief steckt der Bruder da drin?


    Auch wenn Hauptkommissar Hattinger ein routinierter Ermittler ist: Im Moment ist er ziemlich durch den Wind. Er weiß, dass er seine Kolleg:innen und den Staatsanwalt über seine Erkenntnisse informieren müsste, aber erst will er mit Antonio reden. Doch das schiebt er ewig vor sich her, weil er es nicht wagt, seinen älteren Bruder mit seinem Verdacht zu konfrontieren. Im Grunde will er gar nicht wissen, worin Antonio verwickelt ist. Er hat Angst vor der Wahrheit …


    Ich bin sonst kein großer Fan von ausufernden Privatgeschichten rund um die Ermittler. Ich will sehen, wie sie einen komplexen Fall lösen. Ihr Familiengedöns interessiert mich nur am Rande. Hier ist das anders, weil Berufliches und Privates eng zusammenhängt. Notgedrungen muss sich der Kommissar mit seinem entfremdeten Verwandten auseinandersetzen um herauszufinden, wie tief dieser wirklich in dem Fall drinsteckt. Und nun geht’s den Lesern wie dem Kommissar: Je mehr man über Antonio erfährt, desto mehr verliert dieser großspurige, polternde Kerl seinen Schrecken und man wünscht sich, dass nicht ausgerechnet er den zwielichtigen Geschäftsmann um die Ecke gebracht hat.


    Was ist wirklich passiert?


    Ja, und was ist nun wirklich passiert? Der Fall Dr. Graf zieht große Kreise, es gibt eine Menge Verdächtiger und manchmal verliert man als Leser:in ein wenig den Überblick und fragt sich wie nun dieser und jener auch noch in der Geschichte mit drinhängt. Das Mordopfer hat viele Untugenden in sich vereint, also könnt’s praktisch jeder gewesen sein, der irgendwann mit ihm zu tun gehabt hat.


    Der Fall ist ernst, das ist kein Krimi-Klamauk. Einzelne Situationen und Dialoge sind trotzdem oft zum Schmunzeln. Und wenn die Vorgängerbände auch schon so waren, wundert mich nicht, dass jemand auf die Idee gekommen ist, sie zu verfilmen. Das ist ja schon fast ein Drehbuch!


    Ach ja, und falls jemand staunt, wie intensiv doch der Autor im medizinischen Bereich recherchiert hat: Der Mann ist vom Fach. Er hat ursprünglich mal Medizin studiert, ehe er die künstlerische Laufbahn eingeschlagen hat.


    Der Autor


    Thomas Bogenberger wurde 1952 in Traunstein geboren und lebt heute in Prien am Chiemsee. Er komponiert Film-, Hörspiel- und Theatermusik und schreibt Krimis. Die ersten beiden Bände „Chiemsee Blues – Hattinger und die kalte Hand“ und „Hattinger und der Nebel“ wurden erfolgreich vom ZDF verfilmt. „Hattinger und die kalte Hand“ wurde als „Bester Fernsehfilm“ für die „Goldene Kamera“ nominiert.