Dorothee Röhrig - "Du wirst noch an mich denken"

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    Dorothee Röhrig setzt sich in ihrem Buch "Du wirst noch an mich denken" - Liebeserklärung an eine schwierige Mutter nicht nur mit ihrem Verhältnis zu ihrer Mutter Bärbel auseinander, sondern auch mit deren Familiengeschichte, die das Leben der Mutter überdurchschnittlich stark geprägt hat.


    Die Großmutter, Christine, war eine Schwester Dietrich Bonhoeffers, verheiratet mit Hans von Dohnanyi. Als Bärbel 16 Jahre alt war, wurden ihre beiden Eltern verhaftet, zum Zeitpunkt der Hinrichtung ihres Vaters war sie 19. Besonders in dieser Zeit übernahm sie die Verantwortung für die beiden jüngeren Brüder, und es verstärkte sich die Tendenz, die bereits vorher da war, niemandem außerhalb der engsten Familie zu vertrauen. Und es wurde innerhalb der Familie eine Haltung noch deutlicher, die man vorher bereits kultiviert hatte: anders als die anderen zu sein, sich abzuheben, und gleichzeitig die Opfer, die die Familien Bonhoeffer und Dohnanyi im Widerstand gegen das NS-Regime gebracht haben, nicht ausreichend gewürdigt zu sehen.


    Doch auch der Versuch, mit ihrer Heirat und der Gründung einer eigenen Familie einen neuen Anfang zu machen, gelingt nicht vollends, in den frühen Ehejahren erlebt Bärbel viele Fehlgeburten, die u.a. dazu führen, dass sie an ihren beiden überlebenden Kindern, Dorothee und ihrem Bruder, umso mehr festhält, insbesondere an ihrer Tochter. Dies führt zu Konflikten, weil sich hier mütterliche Sorge und töchterlicher Unabhängigkeitsdrang ins Gehege kommen, und weil Dorothee als Heranwachsende das mütterliche Beharren auf den Dingen, die sich gehören, und die Bedeutung der Familiengeschichte nicht wirklich erfassen kann. Daraus entwickelt sich eine komplizierte Mutter-Tochter-Beziehung, die einerseits von großer Nähe, andererseits auch immer wieder von gegenseitigem Unverständnis geprägt ist.


    Die Autorin schreibt selbst, dass sie ihrer Mutter durch die Entstehung dieses Buches und das Hinterfragen der Beziehung auch nach deren Tod noch einmal nahe gekommen ist, und das spürt man auch als LeserIn. Der Untertitel "Liebeserklärung an eine schwierige Mutter" passt sehr gut, die Auseinandersetzung mit der Beziehung zur Mutter ist nie eine Abrechnung, sondern von viel Liebe und Sympathie, aber durchaus auch von kritischer Reflexion geprägt. Welche Rolle die Familiengeschichte dabei spielt wird in verschiedenen kleinen Schritten erschlossen, dadurch ist das Buch diesbezüglich auch sehr informativ, gerade unter Bezugnahme auf Briefe und Erzählungen der verschiedenen Familienangehörigen.


    Mir hat das Buch sehr gut gefallen, ich finde die beiden Themenbereiche "Mutter-Tochter-Beziehungen" und "Familiengeschichte Bonhoeffer-Dohnanyi" gut ausgewogen und beide sehr interessant und zum Nachdenken anregend.

    5ratten