Hannah Kent - Devotion

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    Hanne ist fünfzehn und unglücklich mit dem, was das Erwachsenwerden mit sich bringt. Man erwartet von ihr, dass sie sich mit den anderen Mädchen anfreundet und sich allmählich auf das Dasein als erwachsene (und verheiratete) Frau vorbereitet. Doch nichts liegt ihr ferner als das. Viel lieber ist sie draußen und lauscht auf das, was ihr die Natur zu sagen hat, sie ist auf besondere Weise verbunden mit den Lauten von Tieren, Pflanzen und dem Wetter. Der einzige Mensch, dessen Nähe sie freiwillig sucht, ist ihr Zwillingsbruder Matthias, doch eine zu enge Bindung zwischen den beiden ist in ihrem Alter nicht mehr erwünscht. Hanne quält sich mehr schlecht als recht durch den Alltag und erduldet den Spott der anderen Mädchen, bis eines Tages die gleichaltrige Thea mit ihrer Familie ins Dorf zieht. Die Eichenwalds werden etwas misstrauisch beäugt, weil die Mutter Wendin ist und sich mit Kräutern und Heilkunde auskennt, doch Hanne fühlt sich sofort zu Thea und ihrer Mutter hingezogen.


    Nur wenig später wird das Leben beider Mädchen völlig auf den Kopf gestellt, als ein Großteil der Altlutheraner aus der Gegend beschließt, vor der ständigen Verfolgung und Unterdrückung zu fliehen, die sie erleiden müssen, und gemeinsam nach Australien auszuwandern. Monate werden sie auf dem Auswandererschiff verbringen müssen, das ist ihnen klar, doch wie schrecklich die Bedingungen an Bord sind, hätten sie sich in ihren schlimmsten Träumen nicht ausgemalt. Die Enge ist erdrückend, die Versorgung und die Hygiene schlecht, und es dauert nicht lange, bis Krankheiten ausbrechen und erste Passagiere sterben, lange bevor sie die Chance hatten, einen Fuß in ihre neue Heimat zu setzen.


    Hanne und Thea leiden mit den anderen, und schließlich kommt es zu einer Tragödie, die beide aus der Bahn wirft - auf sehr unvorhergesehene Art.


    Mehr sei hier gar nicht verraten. Was genau sich auf diesem Elendskahn abspielt, muss man selbst lesen und auf sich wirken lassen, auch wenn es dadurch schwer ist, die Leseeindrücke richtig in Worte zu fassen. Es gibt eine ungewöhnliche Erzählperspektive und Ereignisse, die mit dem bloßen Verstand nicht unbedingt erklärbar sind. Das war mir ab und zu ein wenig zu viel und auch zu einfach gelöst, und Hannes fast schon übersinnliche Verbindungen mit der Natur waren mir ebenso manchmal zu abgedreht in dem ansonsten sehr realistisch geschilderten Roman.


    Aber es ist auch eine sehr eindrucksvolle Auswanderergeschichte, die historische Ereignisse aufgreift, die mir bislang völlig unbekannt waren. Von den Altlutheranern und deren Verfolgung in Preußen hatte ich zuvor nie gehört. Man wollte die Splittergruppe offenbar mit aller Gewalt in die unierte, also die protestantische "Mainstream"-Kirche hineinzwingen, schloss ihre Kirchen und verbot ihre Gottesdienste. Viele sind daraufhin emigriert und gründeten, wie hier auch eindrücklich beschrieben wird, neue Siedlungen in Australien, wobei sie mit den ungewohnten klimatischen Bedingungen zu kämpfen hatten und ohne Hilfe der Einheimischen (sprich Aborigines) wohl teils einfach elend zugrundegegangen wären.


    Ein weiteres zentrales Element ist die Beziehung zwischen Hanne und Thea, die über eine normale Mädchenfreundschaft hinausgeht, etwas, das zu jener Zeit und erst recht in einem so streng religiösen Umfeld einfach undenkbar und unaussprechlich war. Die geheimen, verbotenen Sehnsüchte und Phantasien sind schön eingefangen und werden auch konsequent weitergesponnen, als das Leben mit den beiden andere Pläne hat.


    Ohne den leicht übersinnlichen Touch hätte es mir vermutlich noch besser gefallen, aber Hannah Kent vermag auf jeden Fall mitreißend zu schreiben, schreckt dabei auch nicht vor dem Düsteren und Bedrückenden zurück und kann sich gleichzeitig großartig in ihre Figuren einfühlen, die unter so anderen Umständen leben als wir heute.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen