Christoph Wortberg - Gussie

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  • Die Frau an seiner Seite

    Gussie, Romanbiografie von Christoph Wortberg, 288 Seiten erschienen im dtv-Verlag


    Das Schicksal einer Frau zwischen dem Untergang des Dritten Reiches und der Gründung der Bundesrepublik.
    Gussie Adenauer war die zweite Ehefrau von Konrad Adenauer. Dieses Buch beschreibt sie, als sie am Ende ihres Lebens noch einmal auf alles zurückblickt, was sie an seiner Seite erlebt hat. Mit gerade einmal 24 Jahren, willigt die Tochter aus gutbürgerlichem Haus, Gussie Zinsser ein, die zweite Frau des verwitweten Kölner Bürgermeister Konrad Adenauer zu werden. Sie wird die Stiefmutter der drei Kinder aus seiner ersten Ehe und selbst schenkt sie noch fünf weiteren Kindern das Leben. Ihr Erstgeborener stirbt kurz nach der Geburt. In der Öffentlichkeit stehend, meistert sie das Leben als Mutter und als Ehefrau, indem sie ihm stets zur Seite steht und sich auch selbst sozial und politisch engagiert. Nach Hitlers Machtübernahme wird Adenauer von den Nazis seines Amtes enthoben, er wird nach dem Stauffenberg-Attentat verhaftet, weshalb sie von der Gestapo vor eine unmenschliche Wahl gestellt wird.


    Ein beeindruckendes Buch über eine bemerkenswerte Frau. Das Werk besteht aus 45 kurzen Kapiteln, die ich mir etwas länger, gerne mit noch mehr Information gewünscht hätte. Zu Beginn eines jeden Kapitels ist ein Ausschnitt eines Briefes gedruckt, Briefe zwischen Adenauer, Gussies Vater und Gussie, diese Abschnitte sind mit Datum versehen. Die Kapitel beginnen zumeist, mit der Situation der erkrankten Protagonistin und im weiteren Verlauf rückblickend, mit deren Erinnerungen, wobei die Abfolge nicht immer chronologisch erfolgt. Trotzdem ist es leicht dem Geschehen zu folgen, vieles ist auch aus der Historie bekannt. Dicht dran an der historischen Geschichte ist es auf jeden Fall.

    Mich hat das Buch einfach nicht mehr losgelassen. Ich habe es ohne Unterbrechung gelesen. Mir war nicht klar, was für ein aufrechter und außergewöhnlicher Mensch Adenauer gewesen war, seine innere Haltung, hat mir höchsten Respekt abverlangt, dazu hat seine Ehefrau ihm Stärke und Kraft gegeben. Obwohl ihr dabei schon Schlimmes zugemutet wurde. Das Ende konnte mich auch noch zu Tränen rühren. Der Plot war zu jeder Zeit plausibel und klar verständlich. Die Figuren sind gut geschildert und beschrieben. Sie handeln authentisch. Viele Sätze im Buch haben mich zutiefst angerührt, zum Nachdenken gebracht. Z.B. „Wie hoch der Preis ist, den man bezahlt, weiß man erst immer hinterher.“
    Ergreifend, informativ, historisch exakt und emotional mitreißend dabei bildhaft und flüssig beschrieben, zusammen mit dem bezaubernden Porträt Gussies, in den inneren Umschlagseiten, kann man sich hiermit ein umfassendes Bild, dieser überwältigenden Frau machen. Ich freue mich, dass ich sie kennenlernen durfte. Eine umfassende Leseempfehlung und von mir 5 Sterne.

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  • Mir hat das Buch auch gut gefallen!


    Sie bekam vieles nicht, was sie haben wollte

    Nämlich keine professionelle Ausbildung zur Musikerin, die sie sehr gerne genossen hätte. Statt dessen bekam Auguste Zinsser, genannt Gussie, etwas, das nur sie haben konnte: Im Alter von neunzehn Jahren wurde sie die zweite Ehefrau von Konrad Adenauer, "erbte" drei Kinder und bekam vier eigene dazu.


    Eine eindringliche Romanbiografie ist dem Autor Christoph Wortberg mit diesem Werk gelungen. Für mich war sie schon deswegen etwas ganz Besonderes, weil ich in Köln einen Katzensprung entfernt von den Häusern der Familien Adenauer und Zinsser lebe, selbst schon im Krankenhaus Hohenlind gelegen habe.


    Aber auch die weiteren, mir nicht so vertrauten Schauplätze konnte mir der Autor nahe bringen, ebenso wie den Handlungsverlauf. Auch, wenn er nicht wissen konnte, wie Gussie empfand, klang dies alles sehr glaubwürdig und logisch. Es muss nicht so gewesen sein, so war es sogar recht sicher nicht. Aber: es hätte so sein können, was wir sowohl der akribischen Recherchearbeit als auch der Wortgewandtheit Christoph Wortbergs verdanken. Ich habe es schnell durchgelesen, was aber nicht bedeutet, dass ich den Inhalt ebenso schnell vergessen werde. Im Gegenteil, dieser Roman, der ganz und gar nicht ohne Anspruch ist, wird in mir noch lange nachklingen!

    4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

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    Christoph Wortberg: Gussie. Roman, München 2024, dtv Verlagsgesellschaft, ISBN 978-3-423-28386-1, Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen, 287 Seiten, Format: 13,2 x 3,5 x 20,9 cm, Buch: EUR 24,00 (D), EUR 24,70 (A), Kindle: EUR 19,99, auch als Hörbuch lieferbar.


    „Dieses merkwürdige Verhältnis zwischen dem, was man sagt und dem, was man tut. Und wenn es darauf ankommt, zuckt man zurück. Die Bedenken fressen den Mut auf. Das galt ja auch für sie selbst. Was sie tat, gefährdete andere. Ihre Familie, ihre Kinder. Hatte sie wirklich das Recht dazu?“ (Seite 91)


    Auguste Adenauer: Erinnerungen auf dem Sterbebett


    Christoph Wortbergs Roman ist spannend und berührend, aber er ist keine leichte Kost.

    Bonn, 1948: Auguste „Gussie“ Adenauer, 52, (Stief-)Mutter von sieben Kindern, erinnert sich auf dem Sterbebett an Episoden aus ihrem wechselvollen Leben. Es war nicht immer leicht. Vor allem zwei Ereignisse waren für sie traumatisierend: Der frühe Tod ihres Erstgeborenen, Ferdinand, und die Tatsache, dass sie 1944 ihren Mann an die Gestapo verraten hat, um das Leben ihrer Töchter zu retten. Aber was hätte sie in dieser Situation tun sollen? Hätte sie sich anders entschieden, wäre es ebenso richtig oder falsch gewesen. Das belastet ihr Gewissen bis zum psychischen Zusammenbruch, der in einen Suizidversuch mündet. Nur durch Zufall wird sie rechtzeitig gefunden und gerettet.


    Dass man sie vor diese unmenschliche Wahl gestellt hat – Mann oder Kinder – ist nicht ihre Schuld, dass sie unter immensem Druck eine Entscheidung treffen musste, auch nicht. Doch das, was sie getan hat, quält sie für den Rest ihres Lebens.


    Was wir tun, hat Konsequenzen


    „Mein Vater hat mich gelehrt, dass alles, was wir tun, Konsequenzen hat, und dass wir uns diesen Konsequenzen stellen müssen. Er nannte das Verantwortung.“ (Seite 93)


    Immer wieder rückt ihr damaliger Verrat ins Zentrum ihrer Erinnerungen. Diese Erinnerungen erfolgen selektiv und assoziativ und nicht chronologisch, was zwar nachvollziehbar ist, aber uns Leser:innen die zeitliche Orientierung ein wenig erschwert. Die (fiktiven) Briefauszüge am Anfang eines jeden Kapitels sind dankenswerterweise datiert und helfen uns ein bisschen, uns in Gussies Lebensgeschichte zurechtzufinden.


    Der Autor erzählt Gussies Lebensweg so fesselnd, dass man wie gebannt dranbleibt, egal, ob man die Biographie der Adenauers sicherheitshalber nochmals schnell gegoogelt hat oder ob man sich anhand ihrer Erinnerungsschnipsel kreuz und quer durch die Jahrzehnte treiben lässt.


    Nur eine nette Nachbarstochter


    Konrad Adenauer und seine erste Frau Emma kannten die Arzttochter Auguste „Gussie“ Zinsser schon als junges Mädchen. In Köln waren sie Nachbarn, unterhielten sich über den Gartenzaun hinweg, besuchten einander und musizierten zusammen. Emma spielte Klavier, Gussie war eine begabte Violinistin, die insgeheim von einer Musikerinnen-Karriere träumte. Von einem romantischen Interesse zwischen Gussie und dem Juristen und Familienvater Adenauer ist zu der Zeit noch nichts zu spüren.



    Witwer mit drei Kindern? Gussie sagt „ja“


    Als Konrad Adenauer, damals schon Oberbürgermeister von Köln, nach dem Tod seiner ersten Frau um Gussie wirbt, nimmt sie seinen Antrag an, obwohl er fast 20 Jahre älter ist als sie, drei kleine Kinder hat und sie, die Protestantin, für eine Ehe mit ihm zum Katholizismus übertreten muss. Ihrer Familie passt das nicht, und auch ihr Pastor hat zu ihrer Entscheidung eine Meinung, die er sehr unverblümt äußert. Doch Gussie lässt sich nicht beirren.


    „Gattin“ und Mutter über Nacht


    Der Rollenwechsel von Papas intellektuell gefördertem Liebling zu einer distinguierten Oberbürgermeistergattin geht auch nicht reibungslos vonstatten. Die neue Frau Adenauer ist vielen Leuten zu fröhlich, selbstbewusst und frech. Und zu engagiert.


    Konrads Kinder akzeptieren sie erstaunlich schnell, nur der Gatte selbst bleibt reserviert wie eh und je. Nur in wenigen Momenten lässt er die Familie hinter seine Fassade schauen. Er muss sich schon früh im Leben diesen Panzer der Unnahbarkeit zugelegt haben.


    Konrad und Gussie bekommen fünf gemeinsame Kinder. Er steht in der Öffentlichkeit und verdient das Geld, sie kümmert sich um die Familie und spielt die Rolle der repräsentierenden Gattin. Sie liest seine Reden gegen und peppt sie ein bisschen auf, aber das ist ihr nicht genug. Mit Billigung ihres Mannes engagiert sie sich politisch und sozial, auch wenn man sich fragt, wie sie, selbst mit Personal, die Zeit dafür gefunden hat.


    Alles gut – bis die Nazis kommen


    Alles läuft in geregelten Bahnen – bis die Nazis an die Macht kommen. Dass sie mit denen nichts am Hut haben, daraus haben die Adenauers nie ein Hehl gemacht. Jetzt haben die neuen Machthaber sie auf dem Kieker und Konrad ist ruckzuck seinen Posten los. Umzug, Rückzug aus der Öffentlichkeit, Verstecken oder Untertauchen: Nichts hilft auf Dauer. Ein Vorwand genügt, und die Eheleute werden verhaftet …


    Es ist ein bisschen wie bei der Titanic-Verfilmung: Man weiß, wie die Geschichte ausgeht und kommt trotzdem nicht davon los. Unwillkürlich stellt man sich selbst Gussies Lebensfragen: Was macht ein gelungenes Leben aus? – Wär’s besser oder schlechter gelaufen, wenn man sich an diesem oder jenem Scheidepunkt anders entschieden hätte? Oder ist die Frage müßig, weil man sie gar nicht beantworten kann? – Ist man bereit, die Verantwortung zu übernehmen für das, was man tut und für das, was man unterlässt? Kann man die Konsequenzen aushalten? Oder verlässt einen der Mut, den man zu haben glaubte, wenn es unangenehm oder gar gefährlich wird?


    Privat statt „staatstragend“


    Es ist sehr interessant, bei Personen der (Zeit-)Geschichte hinter die Kulissen zu blicken und sie nicht nur „staatstragend“ zu erleben sondern auch mal privat, im Kreis ihrer Familie. Und auch die Menschen in der zweiten Reihe, die den Wichtigen und Mächtigen den Rücken freihalten, sind einen Blick wert. Das geschieht hier alles sehr respektvoll und sorgfältig recherchiert. Adenauers Enkel:innen sowie die Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus haben den Autor bei diesem Projekt unterstützt. Und wie’s aussieht sind die, die mit Gussie Adenauers Leben und Persönlichkeit vertraut sind, mit dem Resultat zufrieden.


    Geschichte(n) erzählen kann er!


    Ich habe den Autor vor mehr als 35 Jahren als Schauspieler kennengelernt. Zwar wusste ich, dass er seit rund 25 Jahren Drehbücher und Romane schreibt, bin aber nie dazu gekommen, ein Buch von ihm zu lesen. Mit GUSSIE habe ich das jetzt nachgeholt. Und ich stelle zufrieden fest: Auch Geschichte(n) erzählen kann er!


    Der Autor


    Christoph Wortberg studierte Philosophie, Germanistik und Geschichte und ist ausgebildeter Schauspieler. Verschiedene Rollen am Theater und im Fernsehen, daneben Hörbuchsprecher. Seit vielen Jahren Drehbuchautor, u.a. für den Kölner »Tatort«, sowie Autor von Jugendromanen. Christoph Wortberg lebt in Köln.