Sarah Moss - The Fell

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    Kate ist mit den Nerven am Ende. Ein halbes Jahr lang hat sie wie so viele andere Menschen im Jahr 2020 Lockdowns, Abstandsvorschriften und Kontaktbeschränkungen erduldet und auch gar nicht daran gezweifelt, dass die Maßnahmen sinnvoll sind, trotz Geldsorgen und Angst um sich selbst und ihren halbwüchsigen Sohn Matt. Doch dass sie nun nach einem Kontakt zu einer erkrankten Person für vierzehn Tage quarantänebedingt ans Haus gefesselt ist, bringt die wanderbegeisterte Naturliebhaberin endgültig an ihre Grenzen. Eines Abends hält sie es nicht mehr aus und schleicht sich nach draußen, um eine Runde in den nahegelegenen Hügeln wandern zu gehen, damit ihr Körper endlich wieder ausreichend Bewegung und ihr Geist Ruhe findet.


    Alice, die ältere Nachbarin, die von Kate und ihrem Sohn mit Einkäufen versorgt wird, damit sie sich nicht selbst der Ansteckungsgefahr in den Läden aussetzen muss, bekommt zufällig mit, wie Kate sich auf den Weg macht. Wohl wissend, dass das nicht erlaubt ist, beschließt sie zu schweigen, weil ihr die allgemeine Misstrauenskultur und das grassierende Denunziantentum zutiefst widerstrebt.


    Matt geht es ähnlich, als er entdeckt, dass seine Mutter verschwunden ist, und er ist hin- und hergerissen, was er tun soll, als Kate bei Einbruch der Dunkelheit immer noch nicht wieder auftaucht. Erreichen kann er sie nicht, weil sie das Handy nicht dabei hat, doch welches Fass wird er aufmachen, wenn er Einsatzkräfte alarmiert? Andererseits ist Zeit von äußerster Bedeutung, sollte Kate in der Kälte und Dunkelheit des Novemberabends da draußen etwas zugestoßen sein.


    So kurz nach dem Ende der Pandemiemaßnahmen steht mir der Sinn eigentlich gar nicht nach Corona-Geschichten, aber Sarah Moss ist eine so großartige Schriftstellerin, dass ich mir das Buch dennoch gekauft habe. Erwartungsgemäß habe ich es auch kein bisschen bereut, auch wenn ich beim Lesen sofort wieder die unangenehmen Gefühle von damals verspürt habe, die auch die Menschen im Buch beschäftigen - die beklemmende Unsicherheit, die latente Angst vor Ansteckung, die Hilflosigkeit, das schmerzhafte Fehlen von allem, was Freude ins Leben bringt, das ständige Schwanken zwischen Vernunft und dem Wunsch nach Normalität und auch das ungute Bauchgefühl angesichts mancher Verhaltensweisen in der Bevölkerung.


    Sarah Moss ist einfach eine Meisterin in der Kunst, sich auf relativ engem Raum (das Buch hat keine 200 Seiten) in die Köpfe ganz unterschiedlicher Personen hineinzudenken und ihren Gedankenströmen und Gefühlsregungen zu folgen, ohne zu werten. Wir erleben die Geschichte um Kates Verschwinden aus verschiedenen Perspektiven, in kleinen, eindringlichen Vignetten, sehr dicht am Geschehen, sehr unmittelbar und ungefiltert und dabei immer glaubwürdig. Am Ende bleiben Fragen offen, was aber nicht stört, schließlich haben wir die vier Figuren nur einen einzigen aufreibenden Abend lang begleitet. Im Gedächtnis bleiben werden sie mir sicher noch eine ganze Weile.


    5ratten


    Momentan gibt es leider noch keine deutsche Übersetzung, aber ich hoffe, dass sie nicht allzu lange auf sich warten lassen wird.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen