Regina Scheer - Gott wohnt im Wedding

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    In Regina Scheers Roman "Gott wohnt im Wedding" werden auf unaufgeregte Art und Weise Geschichte und Geschichten miteinander verwoben - Schauplatz und Dreh- und Angelpunkt hierfür ist ein altes Haus im Wedding, das den LeserInnen auch selbst aus seiner Geschichte erzählt und das Geschehen der verschiedenen Zeitebenen zusammenhält.


    Gertrud ist die älteste Bewohnerin dieses Hauses, ihre Familie hat bereits seit dem Bau ununterbrochen dort gelebt. Doch gerade in den letzten Jahren hat sich vieles verändert, die Besitzer haben immer wieder gewechselt, und im Zuge der Gentrifizierung soll das Haus entmietet und schließlich abgerissen werden. Dem widersetzen sich die aktuellen BewohnerInnen, so gut sie können, denn insbesondere für die Romafamilien osteuropäischer Herkunft, die mittlerweile dort leben, bedeutet dieses Haus viel - vielen von ihnen droht die Obdachlosigkeit, wenn sie es verlieren würden.


    Im Haus wohnt auch Laila, die selbst eine Sintiza ist, und aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen mit Fremdsein und Benachteiligung versucht, ihre NachbarInnen im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu unterstützen. Sie setzt sich immer wieder mit ihren eigenen Wurzeln und ihrer Familiengeschichte auseinander, fühlt sich zwischen Berlin (der Heimat ihrer Vorfahren) und Polen, wo sie selbst aufgewachsen ist, aber auch ihren Vater gewaltsam verloren hat, hin- und hergerissen. Sie wird schließlich auch zum Bindeglied der Wiederbegegnung zwischen Gertrud und Leo, der als jüdisches U-Boot in Berlin die NS-Zeit überlebt hat und seitdem in Israel lebt. Er ist in seine Heimatstadt Berlin zurückgekehrt, um Anspruch auf das Familieneigentum seiner verstorbenen Frau zu erheben und seiner Enkelin Nira seine Vergangenheit zu zeigen.


    So erzählt der Roman die Geschichte sehr unterschiedlicher ProtagonistInnen zu verschiedenen Zeiten, die durch ihre Erlebnisse und Erfahrungen aber doch viele Gemeinsamkeiten haben: Es geht um Diskriminierung und Ausgrenzung, um Fremdsein in der eigenen vermeintlichen Heimat sowie Heimatlosigkeit, aber auch um Menschlichkeit und darum, füreinander da zu sein, so gut man es eben vermag. Es ist ein warmer Roman mit einem menschenfreundlichen Erzählton, der durch die geschickte Kombination der verschiedenen Schicksale zu überzeugen weiß.


    Ich habe kürzlich Regina Scheers Biographie von Hertha Gordon-Walcher, "Bittere Brunnen", gelesen, und diese hat mir für sein Sachbuch ausgesprochen gut gefallen. Als Romanautorin gefällt mir Scheer allerdings noch besser, denn sie hat eine gute Geschichte zu erzählen und tut das auf sprachliche angenehme Art und Weise.


    5ratten