Louis-Ferdinand Céline - Voyage au bout de la nuit

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    Inhalt: Wir sind im ersten Weltkrieg und Ferdinand Bardamu, Franzose, gerät mehr oder weniger zufällig und aus Dummheit in die Fänge der Kriegsmaschinerie. Beschrieben werden sehr deutlich die Schrecknisse des Krieges und wie Bardamu dem schließlich entkommt, allerdings nur, um an eine andere furchtbare Station seines Lebens zu gelangen, dieses Mal auf ein Schiff nach Afrika.


    Das Buch beschreibt eine Reise im doppelten Sinn des Wortes; Ferdinand Bardamu hält es nie lange an einem Ort und außerdem empfindet er sein Leben als eine Reise durch die Nacht und je länger er reist, um so mehr ist er begierig, zu wissen, wo diese Nacht ihr Ende hat ...


    Meinung: Ich habe das Buch auf französisch gelesen und ein großer Teil seines Reizes besteht in dem excellenten Wortspiel und dem Rhythmus der Sprache. Es gibt zwei deutsche Übersetzungen, eine sehr alte, die in der Nazizeit "passend gemacht" und verkürzt wurde und eine ziemlich neue, die, wie ich gelesen habe, ganz gut sein soll, was ich gelegentlich stichprobenweise überprüfen werde.


    Aber selbst, wenn der Stil nicht 100%ig übernommen werden konnte, so ist die Reise doch allemal wert, gelesen zu werden!!


    Die ersten Seiten, die Kriegsberichte, die Details, haben mich doch sehr schockiert. Als der "Held" dem Krieg dann schließlich entkam, dachte ich, aufatmen zu können, aber weit gefehlt. Die einzelnen Stationen der Reise sind allesamt schwierig; und ich hatte das Gefühl, dass, je (zeitlich+örtlich) näher uns der gute Ferdinand kommt, seine Probleme äußerlich nicht mehr so grausam sind wie z.B. der Krieg aber doch um so schlimmer, als wir die Situationen aus unserem täglichen Leben kennen.


    All diese Ereignisse lassen sich eigentlich nur "überstehen", da immer wieder, auch in die furchtbarsten Situationen, sprachliche Komik eingebaut wird und wir gezwungen werden, zu lachen, auch wo es eigentlich unmöglich ist.


    Das Buch war nicht leicht zu lesen; aber ich kann jedem empfehlen, sich mit Ferdinand Bardamu auf die Reise zu begeben, es geht nach Afrika, in den Urwald, auf eine lange Schiffsreise, nach Amerika, nach Paris ...


    4ratten



    Zieht Euch warm an :zwinker: , keine leichte Kost.


    Daniela

    bitte wühlt bei booklooker mal in meinen Angeboten (elahub) - ich verkaufe für die Katzenhilfe Göttingen :) -

    Einmal editiert, zuletzt von fairy ()

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    In diesem ersten großen Roman Célines begleiten wir Ferdinand Bardamu auf einem Teil seines Lebenswegs in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Begonnen wird mit dem Ersten Weltkrieg und seinen Schrecken. Hierhin begibt sich Bardamu aus freien Stücken, überwältigt von patriotischen Gefühlen im Paris des beginnenden Jahrhunderts. Doch schon bevor er auf dem Schlachtfeld ankommt, löst sich das ruhmvolle Trugbild des Krieges in Luft auf. Zurück bleibt ein Operettenkrieg ohne Sinn und Verstand mit Offizieren ohne Idealismus und Gewissen - allerdings ein Krieg voller allzu wirklicher Grausamkeit, aus dem Bardamu glücklicherweise nur leicht verletzt hervorgeht. Zurück in Paris wird er zunächst als Kriegsverwundeter gefeiert, als er jedoch nicht mehr in den Krieg zurück möchte und ihm die anfallsartige Weigerung die Einlieferung in eine Nervenklinik einbringt, deren Ärzte jedoch auch nichts an seiner grundsätzlichen Ablehnung zu ändern vermögen, wenden sich seine Freunde und vor allem seine patriotische Freundin Lola von ihm ab.
    Allein gelassen und ohne finanzielle Ressourcen, lässt sich Bardamu auf sein nächstes Abenteuer ein, eine koloniale Episode in Afrika, die er als Repräsentant der Compagnie Pordurière eigentlich vollständig im Fieberwahn verbringt. Als er die Sinnlosigkeit auch der kolonialen Projekte erkennt, macht er sich auf nach Amerika, wo ihm zunächst eine kurze Karriere als Ungezieferstatistiker im Quarantänelager auf Ellis Island beschieden ist. Doch Bardamu zieht es nach New York, wo ihm zum ersten Mal der volle Unterschied zwischen Arm und Reich bewusst wird. Als Armer, so seine Einsicht, hat man auf dieser Welt nichts verloren.
    Die Aussicht auf eine Arbeitsstelle bringt Bardamu in die Ford-Werke nach Detroit, wo er vollkommene Entindividualisierung erfährt. Doch auch diese Episode dauert nicht lange, Bardamu kehrt zurück in die Heimat und beendet sein vor dem Krieg begonnenes Medizinstudium. Seine Karriere als Arzt ist jedoch ebenfalls eher erfolglos, sein zu weiches Herz und seine zu unentschlossene Moral hindern ihn daran, Geld zu verdienen, die Tatsache, dass er seine Dienste oft umsonst anbietet, lässt ihn in der öffentlichen Meinung sinken. Bardamu wird so in allerlei unmoralische und halbkriminelle Machenschaften gezogen.
    Letzte Station Bardamus, bevor wir ihn wieder verlassen ist eine Irrenanstalt in Vichy, in der die Kranken durch Kinofilmberieselung geheilt werden sollen. Ein Eifersuchtsdrama, in das Bardamu verwickelt wird, setzt dieser Episode und dem Roman schließlich ein nachdenkliches Ende.


    Céline (bürgerlicher Name: Louis-Ferdinand Destouches) ist als Person höchst umstritten wegen seiner Kollaboration mit den Nazis. Er gilt nichtsdestoweniger als einer der bedeutendsten Romanciers des 20. Jahrhunderts. Voyage au bout de la nuit legte den Grundstein für diese Berühmtheit: Ein Roman von ausladender Opulenz und ungeschminkter Schnoddrigkeit, geschrieben in einem phasenweise sehr ausgefeilten, phasenweise sehr umgangssprachlichen Französisch, das die Lektüre nicht immer einfach macht. Ein Roman, in dem ständig neue Figuren auftreten, die manchmal im Laufe der Handlung wieder auftauchen, manchmal aber auch nur ein kurzes Intermezzo geben. Ein Roman, der rhythmisch sehr eigenartig angelegt ist, mit irritierenden Tempo- und Themenwechseln.


    Eine Figur, die immer wieder auftaucht, ist Léon Robinson. Ihn lernt Bardamu im Krieg kennen und trifft ihn an den einzelnen Stationen seiner Reise immer wieder. Er ist eine Art Alternative zu Bardamu und das Verhältnis der beiden ist im Grunde das Zentrum des Romans. Robinson lässt in dem genannten finalen Eifersuchtsdrama sein Leben, womit es Céline gelingt, die chaotische Episodenhaftigkeit seiner Erzählstränge am Ende doch noch in einen Roman zu verwandeln.


    Die titelgebende "Reise ans Ende der Nacht" ist nicht so hoffnungsfroh zu verstehen, wie man das auf den ersten Blick könnte. Am Ende tagt es zwar über einem sinnierenden Bardamu, doch der Ausweg aus der Sinnlosigkeit des Lebens zeichnet sich nirgends ab. Die Nacht, so steht zu befürchten, ist eine Sackgasse.

    Einmal editiert, zuletzt von Lucidique ()

  • Danke für diese schöne Rezi. Bei mir steht das Buch auf der (SUB-Wettbewerb-)Leseliste 2007.


    Gruß, Thomas

  • Louis Ferdinand Céline: Reise ans Ende der Nacht. Aus dem Französischen von Hinrich
    Schmidt-Henkel. Mit einem Nachwort des Übersetzers. 670 Seiten. Im Original 1932 erstmals erschienen.


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    Klappentext (Rückseite):
    Der erbarmungsloseste Roman des 20. Jahrhunderts. Mit "Reise ans Ende der Nacht" begann ein neues Kapitel in der Geschichte der Romane: ein wilder Aufschrei gegen die Verkommenheit einer Welt, die alle ihre Rechnungen auf Kosten der Armen begleicht, einer Welt, in der Hass und Niedertracht reagieren. Kein anderer Roman räumt so radikal mit dem schönen Schein des Bürgertums auf; vor Céline hat kein Autor eine so unversöhnlich wütende Sprache gefunden.


    Klappentext (Innenseite - Auszug):
    Erzählt wird die Lebensreise des Ferdinand Bardamu. Der Medizinstudent meldet sich zur Mobilmachung 1914 als Freiwilliger, doch schnell lernt er den Krieg als einen apokalyptischen Kreuzzug zur Vernichtung der "lästigen Armen" kennen. Nach dem Krieg verschlägt es Bardamu nach Afrika; er erlebt Lüge und Elend des Kolonialismus und wird schließlich todkrank von Eingeborenen auf eine Galeere Richtung Amerika verschachert. Schließlich kehrt er nach Frankreich zurück und wird Armenarzt.


    Zur Ausgabe:
    Viele Jahre gab es von diesem Roman keine ungekürzte Übersetzung. Der Rowohlt-Verlag hat 2003 eine Neuübersetzung herausgegeben, die dem Original gerecht werden soll.


    Zur Bedeutung:
    Das Nobel-Komitee hat vor einigen Jahren einmal die 40(?) wichtigsten Romane zusammengestellt (Link im Internet leider nicht mehr auffindbar). Dieser mir damals unbekannte Roman war in dieser Liste enthalten.


    An diesem Roman fällt zunächst seine eigene Sprache auf. Weite Teile der Handlung sind in wörtlicher Rede wiedergegeben, so dass sich erklärt, warum der Roman relativ viele Seiten für relativ wenig Handlung benötigt. Die Sprache ist dabei dem jeweiligen Schauplatz und dem Bildungsstand der Akteure angepasst und häufig äußerst vulgär. Auch Slang wird vor allem während der Kriegsjahre viel verwendet. Beim Lesen hat man daher das Gefühl, ein Buch frühestens aus den 1970er Jahren vorliegen zu haben. Heute kann eine solche Sprache natürlich nicht mehr in gleicher Weise schockieren wie seinerzeit. Céline gelingt es, nur durch wörtliche Rede ein sehr lebendiges Bild vom Krieg zu schaffen und dieses Kapitel ist ein Antikriegsdokument ersten Ranges. Umso bedauerlicher, dass der Autor später mit den Nazis zusammengearbeitet hat, aber einen Schriftsteller soll man an seinen Werken messen. Auch im Abschnitt über Afrika meint man die Würmer und anderes Ungetier geradezu aus dem Buch herauskriechen zu sehen. Das Amerika-Kapitel zeigt Industrialisierung und den Irrsinn des Lebens auf. Zurück in Frankreich kann er nur schlecht als Arzt überleben. Auch hier wieder großartige Einzelszenen. Im Leben des Protagonisten gibt es keine Lichtblicke, sein Leben ist verpfuscht.


    Thomas Steinfeld rezensierte das Buch in der Süddeutschen Zeitung mit folgenden Schlussworten:
    In der französischen Literatur gibt es im zwanzigsten Jahrhundert nur ein Buch, dass größer ist als dieses: Marcel Prousts „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit”. Die „Reise ans Nacht” ist das Gegenbuch dazu: die Abrechnung mit einer verschwendeten Welt.


    Ein großartiges Buch, welches aber nicht so viel Tiefgang aufweist, dass ich es wiederlesen würde, daher einen Punkt Abzug von der Höchstnote.


    4ratten


    Gruß, Thomas

    Einmal editiert, zuletzt von Klassikfreund ()

  • Hallo,


    Louis Ferdinand Céline: Reise ans Ende der Nacht


    Zehntes und letztes Buch des Sub- Wettbewerbes 2007 :breitgrins:



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    Louis Ferdinand Céline: Reise ans Ende der Nacht


    Céline lässt die Reise von dem Medizinstudenten Ferdinand Bardamu in der Ichform erzählen. In der Vorbermerkung heißt es ausdrücklich, die Reise finde in der Phantasie statt, es sei eine fiktive Geschichte. Die Themen kreisen um Eros und Thanathos und um eine deftige Kritik an die zivilisierte Welt, die die Armen ausbeutet, Menschen in den Krieg schickt und Arbeiter an Fließbändern seelenlosen Maschinerie degradiert.


    Wenn wir lesen, dass manch talentierter Soldat, wenn er sich in den Kampf stürzte, ein Art Rausch, ja, lebhafte Wollust verspürte, sind wir schon mittendrin in den dunkelsten Abgründen menschlicher Triebe. Sehr unüberlegt gerät Bardamu freiwillig in den Wahnsinn des Ersten Weltkrieges.


    „Man steht dem Grauen ebenso jungfräulich gegenüber wie der Lust.“


    Bardamu ist sich schnell im klaren, ich welch einem Irrsinn er gelandet ist:


    „Ich wollte lieber meinen eigenen Tod sterben, einen späteren...In zwanzig Jahren...Dreißig Jahren...Vielleicht noch später, viel lieber als den Tod, den man mir sofort bereiten wollte, dazu als Fraß den flandrischen Dreck, den Mund gestrichen voll, mehr als den Mund voll, den Mund bis zu den Ohren, von einem Granatsplitter aufgerissen.“


    Mit schonungsloser Offenheit fliegt dem Leser die Kritik an die Verkommenheit unserer Welt um die Ohren. In der Figur des Doktor Bestombes demaskiert Céline die Psychatrie als wichtigen Bestandteil zur „patriotischen Ethik“, d.h. Soldaten werden im Krankenhaus aufgemöbelt, damit sie wieder auf das Schlachtfeld wollen. Die Kritik richtet sich immerwieder im Verhalten gegenüber der Armen Bevölkerung. So hören wir von sinnlosen sadistischen Gewaltausbrüchen französischer Kolonialherren gegenüber Untergebenen und über ihre Raffgier. Henry Miller, der andere große wortmächtige Kritiker der amerikanischen Gesellschaft, hat in seinem fantastischen Amerikabuch „Der klimatisierte Alptraum“ von Ferdinand Bardamus Erlebnissen in den Fordwerken – über die zur Seelenlosigkeit ausgebeutete Arbeiter, der in der Fabrik wie eine Maschine stumpfsinnige Arbeit verrichtet. Wunderbar wie Céline im Gegensatz zu der unmenschlichen Fabrikatmosphäre Ferdinands Liebe zur Hure Molly erzählt, wie er dadurch das wahre natürliche Menschsein, das Bedürfnis nach Liebe und Wärme höher stellt als die Ausbeutung am Fließband. Eine der zartfühlendsten Episoden des Romans.


    Grandios ist die Sprachgewalt Célines, die auch in der neuen deutschen Übersetzung durchsickert. Die Sprache ist niemals roh, auch wenn er von der Rohheit des Krieges spricht oder Vokabeln aus der Gossenliteratur verwendet. Worte stehen hier für Ehrlichkeit und Offenheit. Mit dieser Sprachgewalt, diesem Höhenrausch an Hochsprache schüttelt er im finsteren Afrika warscheinlich Joseph Conrad die Hand. Wenn hier die Sonne untergeht, wenn man von den Geräuschen des Urwalds liest, glaubt man, man lese so etwas zum ersten Mal:


    „Der Himmel vollführte eine Stunde lang Paraden, von einem Ende zum anderen mit delirierendem Scharlachrot angeklatscht, dann platzte das Grün inmitten der Bäume los und stieg in zitternden Schlieren vom Boden bis zu den ersten Sternen hinauf...“


    Zurück in Frankreich arbeitet Bardamu in Pariser Vororten als Armenarzt. Auch hier ist alles so grau und trostlos. Die Welt ist schlecht, der Kampf um das wenige Geld für's tägliche Brot geht weiter. Eine zwielichte Gegenfigur Ferdinands ist Léon Robinson, der auch vor Verbrechen nicht zurückschreckt. Auf der Reise trift er immerwieder auf Ferdinand. Da die Reise der Fantasie entsprungen ist, vermute ich in Robinson die dunkleren Triebe Ferdinands.


    „Wer das Maß verliert, verliert die Kraft. So steht es geschrieben! Also geht alle Welt zum Teufel!“


    Die Lektüre verlangt dem Leser ein gewisses Maß an Konzentration, trotzdem wurde ich spielend durch den Roman getrieben und wurde mit faszinierenden Bildern in excellenter Sprachgewalt belohnt. Es ist ein Roman 1000 schöner Sätze. Ich denke, dass man nach einer Zweitlektüre noch mehr aus dem Roman herausholen kann. Ein Vergnügen etwas anspruchsvollerer Art. Den Roman muss man lesen.


    Fünf oder sieben Ratten, was sonst!!!!


    5ratten :marypipeshalbeprivatmaus: :marypipeshalbeprivatmaus: :tipp:


    Liebe Grüße
    mombour

  • Meine Meinung

    Fünf oder sieben Ratten, was sonst!!!!

    Keine? Keine. Schon beim Vorwort, das sich mit der Einstellung Louis-Ferdinand Célines beschäftigt hat, war ich mir nicht sicher, ob ich das Buch überhaupt lesen will. Der Anfang hat mir Mut gemacht, aber der hat mich schnell verlassen. Ich habe selten in einem Buch so viel Verachtung gelesen, das kann man sich auch mit der wuchtigen Sprache nicht schönreden.

    :flop:

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.