Uwe Timm - Rot

Es gibt 2 Antworten in diesem Thema, welches 3.537 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Weratundrina.

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    Thomas Linde, von Profession Grabredner, schwebt. Er sieht sich selbst unten auf der Straße liegen. Was nun passiert ist nicht dasselbe wie in den Momenten größter Gefahr und doch so ähnlich. Der schwebende Protagonist erzählt von seinem Leben. Von seiner wesentlich jüngeren Freundin, die Licht verkauft; von seinen ehemaligen Weggenossen, seiner Exfrau, von sich selbst. Es ist das Leben eines 68ers.


    Das Buch ist nicht einfach zu lesen, anfangs. Aber wenn man erst einmal drin ist, und sich an diesen Stil gewöhnt hat, der ohne wörtliche Rede auskommt, ist es schön zu lesen. Uwe Timm kann gut mit der Sprache. Auch ist das Buch spannend, trotzdem es um Leute geht, über die viele den Kopf schütteln, die aber doch einiges bewegt haben.
    Am Schluss, ja, das wird es etwas turbulent, da muss man aufpassen über wen und von wem erzählt wird; auch ist meiner Ansicht nach ein kleiner Logikfehler drin, ganz am Schluss. Stört aber nicht wirklich.
    Auch wenn ich deshalb eine Ratte weglasse, finde ich das Buch sehr lesenswert.


    4ratten

    Gruß Charly

    Einmal editiert, zuletzt von Charly ()

  • Inhalt: Thomas Linde ist ein Altachtundsechziger, der sich als Jazzkritiker und Beerdigungsredner durchschlägt. Seinen irdischen Besitz hat er auf ein Minimum reduziert, zum einen weil er nicht sonderlich daran interessiert ist, zum anderen weil er ihn als Belastung, als Einschränkung seiner (Bewegungs-)freiheit ansieht. Auf einer Beisetzung, bei der er redet, lernt er die viel jüngere Iris kennen, die Lichtinstallationen entwirft. Diese so ungleiche Beziehung zwingt ihn, zusammen mit dem Tod eines alten „Kampfgefährten“, den Thomas seit Jahren aus den Augen verloren hatte, der aber testamentarisch verfügt hat, daß eben Thomas seine Grabrede halten soll, zu einer erneuten Aufarbeitung seines Lebens und einer Auseinandersetzung mit seinen jugendlichen Idealen. denn der alte Kumpel Aschenberger hat Thomas, jedenfalls empfindet dieser es so, noch etwas hinterlassen: Plastiksprengstoff und eine genaue Skizze, wo dieser anzubringen sei, um die Siegessäule zu sprengen.



    Meine Meinung: Das ganze klingt im ersten Moment vielleicht ziemlich unspektakulär, aber der Roman lebte für mich von zwei Dingen, die gut zusammenpaßten. Linde gibt sich mit seinen Reden sehr viel Mühe, versucht trotz der Kürze der Zeit, das Besondere im Leben des Verstorbenen zu recherchieren, um es in den Mittelpunkt zu stellen. Sowohl diese Recherchen, vor allem rund um Aschenberger, als auch seine Grabreden fließen immer wieder in die Reflexion seines eigenen Lebens ein, bieten neue Anknüpfungspunkte zum Verständnis dessen, wer dieser Thomas Linde denn nun eigentlich ist. Dabei wird diese Frage trotz allem und wenig überraschend bis zum Ende nicht wirklich und schon gar nicht erschöpfend beantwortet, weil sich ein Leben eben nicht nur in Fakten äußert und sich auch nicht nur durch solche greifen läßt.


    Der Leser erfährt all dies ausschließlich aus Lindes Perspektive, der – damit ist nicht zu viel verraten, weil es den Auftakt des Romans bildet – gedankenverloren eine Straße überquert, dabei angefahren wird und dessen Bewußtsein, über der Unfallszene schwebend, diese Rekapitulation vornimmt. Trotzdem ist die Erzählung sehr lebendig, läßt diese Ausgangssituation (fast) vergessen, bis wieder darauf Bezug genommen wird. Ich weiß gar nicht recht, wie ich diese Form charakterisieren soll, als innerer Monolog oder Bewußtseinsstrom geht es nicht durch. Aber genau diese Form, zusammen mit Timms gut dosierter Sprache, vermittelte genau das richtige Maß aus Nähe einerseits und Distanz bzw. Selbstkritik andererseits, mit der Linde sein Leben betrachtet. Vor allem letztere hätte unglaubwürdig gewirkt, hätte er sich unter anderen äußeren Bedingungen befunden.



    4ratten


    Schönen Gruß
    Aldawen

  • Nur zwei Beiträge zu diesem großartigen Buch?

    Hat es sonst niemand gelesen?

    Ich habe es vor kurzem beendet und fand es so gut, es war quasi der Grund, warum ich mal wieder ins Forum geschaut habe, weil ich wissen wollte, was andere davon halten. (Hatte mal wieder keine gute Phase, so ist das Leben...:rolleyes:)

    Uwe Timm hat mich ja noch nie enttäuscht, aber dies hier ist sein Meisterwerk würde ich sagen.:thumbup:

    Viele Grüsse,

    Weratundrina :verlegen:


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