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Diese Streitschrift des Medienwissenschaftlers Neil Postman aus dem Jahr 1985 hat seither für heftige Diskussionen gesorgt. Postman ist ganz klar ein Aufklärer, der den Verfall der Schriftkultur zugunsten der elektronischen Medien beklagt. Da das Buch 1985 entstand, ist als Leitmedium das Fernsehen angegeben. Man könnte sich zurecht fragen, ob die Kulturkritik Postmans in gleicher Weise auf das Zeitalter des Internets passt - ich meine schon, aber hier werden die eklatanten Lücken in Postmans Argumentation noch sichtbarer als sie es schon in dem vorliegenden Text sind.
Postmans zentrale These ist (im Anschluss an Marshall McLuhans "Gutenberg Galaxy"), dass man Inhalte nicht unabhängig von dem Medium betrachten kann, das sie transportiert. Jedes Medium, so Postman, begünstigt durch seine spezifische Struktur bestimmte Inhalte, die sich leicht ausdrücken lassen, andere eignen sich für ein bestimmtes Medium weniger. Und da eine Kultur stets von einem Leitmedium geprägt ist und dazu neigt, die Inhalte, die in diesem Medium besonders widerstandslos transportiert werden können, auch tatsächlich zu bevorzugen, funktioniert das Denken in einer Kultur, die den Buchdruck als Leitmedium hat, anders als eine, die durch das Fernsehen repräsentiert wird.
Der geschriebene Text, so versucht Postman darzulegen, zeichnet sich aus durch folgende Struktur: Er unterliegt einer bestimmten Chronologie, ist narrativ geordnet, ein Element folgt auf das nächste. So kann er auch Argumente entwickeln, und Leser oder Zuhörer (die kriegt Postman häufig nicht so gut auseinander, was seine These nicht unerheblich schwächt) sind auch an diese Form der Darlegung gewöhnt.
Das Fernsehen zeichnet sich, als unmittelbarer Erbe des Telegraphen und der Photographie, durch eine maßgebliche Ungeschichtlichkeit aus. Die Elemente, die über den Telegraphen laufen oder in den Nachrichten aufeinander folgen, bilden keine Narration und gruppieren sich folglich auch zu keinem Argument. Sie stehen einfach unverbunden nebeneinander. Außerdem setzt das Fernsehen darauf, alles sei in unterhaltsamer Form darzubieten.
Während also das Buchdruckzeitalter das Zeitalter von Argumentation und Erörterung ist, ist das Zeitalter des Fernsehens das der Fragmentierung und des Showbusiness.
Mal abgesehen von den begrifflichen Schwächen bei Postman, auf die ich hier nicht im Einzelnen eingehen kann, übersieht er gerade in Bezug auf die Narration, dass sich eine Narration natürlich auch anders als rein linear herstellen lässt. Sein Weltbild ist sehr stark an einer strengen Vernunft, einer klaren Deduktion, an eindeutigen chronologischen Bezügen entlang entwickelt - alles aufklärerische Tugenden, die er dem geschriebenen Text insgesamt attribuiert (wobei auch hier allzu aktuelle Gegenbeispiele nicht taugen, da er aktuell von einer Infiltration des geschriebenen Wortes durch das Fernsehen ausgeht).
Interessanter als seine sehr zweifelhafte Analyse, die sehr stark in Beispielen und Intuition hängenbleibt, ist seine Diagnose der heutigen Medienlandschaft und ihrer Folgen. Die Meinung, dass es Argumentation immer schwerer hat, weil sie als ermüdend erfahren wird, dass Unterhaltung als sehr kurzatmig begriffen wird (dieser Unterhaltungsbegriff ist nicht der meine, aber der Postmans, der ihn negativ, und der vieler Zeitgenossen, die ihn positiv bewerten), erfahre ich schon auch im täglichen Leben. Ob das jemals anders war, wage ich zu bezweifeln. Ich persönlich verbinde mit dem Internetzeitalter eine Hoffnung auf die Renaissance der Rhetorik und der Pflicht zur Begründung, da man sonst tatsächlich in einem undifferenzierten Datenmüll unterzugehen droht - eine Tendenz, die das Internet wie kein zweites Medium deutlich gemacht hat.
Ein Wort noch zu den literarischen Paten Postmans. Die Amüsierkultur ist für ihn die Verwirklichung der Dystopie Aldous Huxleys in der "Schönen neuen Welt". Sein Buch schließt mit folgendem Satz:
Zitat von "Neil Postman"Die Menschen in Schöne neue Welt leiden nicht daran, dass sie lachen, statt nachzudenken, sondern daran, dass sie nicht wissen, worüber sie lachen und warum sie aufgehört haben, nachzudenken.
Hinzuzufügen wäre, dass ihnen das leider auch egal ist, weil sie sich eben gut unterhalten fühlen und der Bedarf nach einer weitergehenden Analyse meist überhaupt nicht vorhanden zu sein scheint.
Wie gesagt, diese Diagnose halte ich für gar nicht so verkehrt. Ob sie besonders unser Zeitalter trifft, ob der Wunsch nach klaren und ausgeführten Argumenten in den vergangenen Jahrhunderten stärker war - all das versucht Postman uns zu plausibilisieren, was ihm aber mE nicht recht gelingen will, da er zu spezielle Beispiele wählt und aus diesen zu weitreichende Schlüsse zieht. Dass in der Gleichgültigkeit gegenüber sauberer Argumentation und dem Wunsch nach nur nicht zu komplexen Gedanken eine Gefahr für das politische Gemeinwesen im idealistischsten Sinne besteht, dem kann ich allerdings nicht wirklich widersprechen.