Igor Bauersima - norway.today

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    Durch puren Zufall habe ich vor einigen Wochen norway.today auf einer Wiener Bühne gesehen – ohne zum damaligen Zeitpunkt schon jemals etwas von Igor Bauersima oder seinen Stücken gehört zu haben. Dabei handelt es sich um eines der meistaufgeführten zeitgenössischen Theaterstücke der letzten Jahre, bereits in viele Sprachen übersetzt und preisgekrönt, basierend auf einem (realen) Zeitungsartikel über den per Internet geschlossenen Selbstmordpakt zweier Teenager vor einigen Jahren.


    Julie und August lernen sich in einem Chatroom kennen – Julie ist auf der Suche nach jemandem, der sich gemeinsam mit ihr das Leben nehmen will, und August der einzige, der darauf einsteigt.
    Sie bezahlt ihm den Flug von Österreich nach Norwegen, wo sie sich gemeinsam von einer Klippe stürzen wollen. Die Motivationen der beiden sind unterschiedlich – so kommen von August Aussagen wie:


    Leben ist für mich ein Problem, das ich jeden Tag von Neuem lösen muss. Wenn ich meinen tiefsten Instinkten folgen würde, ich würde von morgens bis abends um Hilfe schreien.


    Bei Julie hingegen ist von solchen Gedanken keine Spur – zu Augusts größtem Erstaunen behauptet sie, keineswegs depressiv zu sein, sondern einfach schon alles aus dem Leben herausgeholt zu haben:


    Ich bin bedient. Ich hab gehabt. Ich bin satt. Es reicht.


    Während man Zeuge der Annäherung zwischen Julie und August wird – wie sie sich kennenlernen, streiten, verlieben, diskutieren, ihre Abschiedsvideos drehen, den Selbstmordakt immer weiter hinausschieben – fühlt man sich hin- und hergerissen: hat man es hier nun mit zwei unglaublich naiven Kindern oder mit ziemlich gestörten Produkten unserer Gesellschaft zu tun?
    Es geht hier um Sinnsuche auf eine Art, wie sie die Generationen vor uns noch nicht erlebt haben: zwischen Virtualität und Realität, zwischen „alles nur Fake“ und „das hier ist echt“, zwischen äußerlicher Übersättigung und innerlichem Hohlsein.


    Auch die anderen beiden Stücke, die das Buch beinhaltet, berühren Tabuthemen der Jetztzeit, wenn auch die Umsetzung noch eine Stufe abgehobener daherkommt als bei norway.today: in futur de luxe kommt ein Wissenschaftler der Frage auf die Spur, ob das Gute und das Böse genetisch im Menschen verankert sind oder nicht – bei seinem fleisch- (oder besser gesagt klon-) gewordenen Gedankenexperiment stellt es einem als Leser jedoch die Haare auf …


    Eindeutig von der Ausstellung „Körperwelten“ inspiriert ist schließlich Drama Nr. 3, tattoo. Ein junger Künstler entlockt einer Freundin das Versprechen, sich im Falle seines Todes bis an ihr Lebensende um seinen Leichnam zu kümmern – und steht dann eines Tages tatsächlich ausgestopft und plastifiziert vor ihrer Wohnungstür. Wieder geht es (auch dank einer mehrfach verschachtelten Rahmenhandlung) um Fragen von Realität und Fiktion, Ethik und Moral, Integrität und Korruption, Wahrheit und Lüge.


    Als zeitlos würde ich Igor Bauersimas Stücke vielleicht nicht gerade bezeichnen, aber mich faszinieren sie als (ganz schön kranke ;) ) Dokumente unserer Gegenwart – wenn mir auch „futur de luxe“ und „tattoo“ dann wirklich schon etwas zu wahnsinnig geraten sind. Aber gelungen und lesens- bzw. sehenswert allemal …


    4ratten

    [color=darkblue]"Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of b

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