Albert Cossery - Gohar, der Bettler

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  • „Kein lebender Schriftsteller“ schrieb Henry Miller, der Cossery für Amerika entdeckte, „hat das Leben derer, die innerhalb des Menschengeschlechts die riesige Masse der Verlorenen bilden, packender und unerbittlicher beschrieben. Er stellt mit einer Intensität die Abgründe der Verzweiflung, der Erniedrigung und Resignation dar, die weder Gorki noch Dostojewski so auszudrücken vermochten. Er befasst sich, natürlich, mit seinem eigenen Volk, dessen Elend bereits lange begonnen hatte, bevor die westliche Zivilisation überhaupt erdacht wurde. Doch trotz der anscheinend unendlich düsteren Stimmung und Hilflosigkeit, in der sich seine Figuren bewegen, bringt der Autor in jedem seiner Werke seinen unbezwingbaren Glauben an die Kraft der Menschen, ihr Joch abzuwerfen, zum Ausdruck.“ (Klappentext)


    Zentrum der Geschichte ist ein Bordell im Elendsviertel von Kairo, wo ein ungerechtfertigter, sinnloser Mord stattfindet. Der Polizist Noun El Dine, der seine homoerotischen Vorlieben in schmutzigen Vororten zu verheimlichen versucht, wird beauftragt, den Mörder zu fassen. Es erscheint ihm wie eine Einladung, seinem jämmerlichen Alltag zu entkommen und so mit einem außergewöhnlichen Menschen in Kontakt zu treten. Er betritt durch die Ermittlungen eine philosophische Runde, lernt Gohar kennen, der im Taumel, hervorgerufen durch Drogenentzug, die verhängnisvolle Tat beging.


    Der Sinn dieses Buches liegt in der überheblichen Revolte des Geschichtsprofessors Gohar, der es vorgezogen hat, als Bettler zu leben, statt an dem sozialen System der westlichen Welt mitschuldig zu sein, an das er nicht glaubt. Niemand zweifelt, dass er ein gezeichneter Mann war, das Produkt einer Zivilisation, die durch Mord gedeiht. Er glaubte, in diesem noch unberührten Landstrich seinen Ängsten entkommen zu sein und den Frieden gefunden zu haben. Dort, wo Stolz und Würde offenherzig getragen werden …


    Weder lesen noch schreiben können, welch wunderbare Überlebensmöglichkeit bedeutete dies in einer Welt, die sich dem Gemetzel verschrieben hatte! Gohar war zu folgender fundamentaler Einsicht gelangt: die blutrünstige Macht besaß keine Gewalt über Menschen, die keine Zeitung lasen. Die Angst konnte diese Menschen nicht erreichen.


    Man mag darüber streiten, ob Cossery sich hinter dem Elend versteckt, um Faulheit, Schwäche und Müßiggang zu unterstützen. Sein absurdes Personal lässt sich dementsprechend treiben und bewegt sich wie im Drogenrausch. Er zeigt einen friedlichen Ort, voller Gelassenheit und Ruhe.

    Auf frauenfeindlich angelegte Lektüre sollte man sich jedoch einstellen. Wenn außer kranken und jammernden Prostituierten keine Frauen erst auftauchen, bestätigen Sätze von männlicher Überlegenheit diesen Standpunkt. Die Herkunft des Autors ließ mich darüber hinwegsehen.


    Albert Cossery wurde 1913 in Kairo in eine wohlhabende Familie geboren. Er besuchte das Französische Gymnasium in Kairo. Nach einem Studienaufenthalt in Paris und längeren Auslandsreisen (New York, London), siedelte er 1945 endgültig nach Paris über. Dort lebt er seit 1951 in einem kleinen Hotelzimmer, ein Ägypter in Paris.


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    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

  • Hallo Dumbler,


    Zitat

    Leider ist das Buch im Handel zurzeit vergriffen.


    Aber nicht auf französisch. :breitgrins: Mendiants et orgueilleux müsste es sein.
    Ich weiß jetzt schon, wofür ich mein Geld am nächsten Samstag ausgeben werde. :zwinker:
    Danke für diese interessante Rezension.
    Alles Liebe
    dora

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