Hallo Liz,
es freut uns, dass dich die Wanderhure nun doch gepackt hat. Nach einem Tad Williams zu bestehen, das ist wirklich eine Kunst. Ich liebe die Drachenbeinthrontriologie heiß und innig und weiß, welche Bilder sie in einem aufnahmebereiten Kopf erzeugen kann. Ich sagte ja bereits, dass es für mich ein erregender Moment war, die Ankündigung des dritten Teils auf den Litfaßsäulen in London zu entdecken. Personen wie Binabiq und Tiamak (lynche mich nicht, wenn ich was falsch schreibe, aber ich habe die Bücher oben in meinem Zimmer und bin trotz der ab heute geltenden Erlaubnis, auf meine Krücken verzichten zu können, nicht so flink, um die Treppen so gerne hoch und runter zu flitzen), sind so etwas von schön, und der gute Seoman Weißlocke macht genau das mit, über das ich persönlich auch gerne schreibe, nämlich die Entwicklung vom Aschenputtel zum #von Zensur gestrichen#, denn du willst es ja noch lesen.
Bei einem Fantasyroman wie dem Drachenbeinthron muss der Autor beschreibend erzählen, wie die einzelnen Kulturen aussehen, damit die LeserInnen sich den Hochhorst, Naglimund oder Nabban vorstellen können. Anders ist dies mit einem Buch wie der Wanderhure. Jeder Deutsche hat zumindest schon einmal Bilder vom Schwarzwald oder dem Bodensee gesehen und ihm muss daher nicht erklärt werden, wie eine Tanne aussieht oder eine Eiche oder ein Seeufer. Es müssen so viel Beschreibungen vorhanden sein, um die Fantasie der LeserInnen anzusprechen, dann arbeitet die von selbst und verwebt eigene Erfahrungen mit dem gelesen Wort zu einer Einheit. :smile:
Auf den Gedanken, Beschreibungen so ausführlich wie nötig und gleichzeitig so knapp wie möglich zu halten, kam ich durch einen längeren Artikel über einen der bekanntesten und erfolgreichsten Agenten in Deutschland, den legendären Ferency. Er prangerte darin die Erläuterungswut vieler Autoren an, die ihre Romane durch eine Unmenge an Beschreibungen überfrachten und damit immer wieder den Lesefluss hemmen würden.
Er sagte auch, dass sich die LeserInnen bei einem flüssigen Schreibstil sehr viel selber vorstellen können. Er nahm sich hier wahrscheinlich selbst als Beispiel, denn sein Instinkt bei Auffinden neuer Talente war legendär.
Die eigene Atmosphäre erlebt man übrigens originär und muss sie mit keinem anderen teilen. Ich habe mich früher oft mit Freunden und Bekannten über Bücher unterhalten, die wir gelesen hatte und fand heraus, dass jeder sein eigenes Bild des Romans entwickelt hat. Das ging bei Personen so weit, dass der eine blondes Haar als fast weiß, der andere aber fast an brünett grenzend empfunden hat, ebenso interpretierte jeder Figur und Aussehen des Gesichts anders. Bei Landschaften und Städten war es das selbe. Viele Kanäle implizieren bei dem einen Venedig, bei dem anderen Amsterdam und jemand, der kurz vorher in St. Petersburg war, schwört, dass der Autor diese Stadt als Vorbild genommen hätte.
Manchmal geht mein knapper Stil unserer Verlagslektorin zu weit und dann kommt die Meldung: Den oder den müsst ihr aber schon etwas mehr beschreiben. Wir tun es dann meistens auch, denn wie man weiß, hat dir Lektorin immer recht.
Damit wünschen wir dir noch angenehme Stunden in Gesellschaft der Wanderhure, die sich ähnlich wie Simon Mondkalb von einem anfangs doch arg naiven Wesen zu jemand mausert, der sich der Welt zu stellen weiß.
Liebe Grüße
Gheron (auch für Sysai, die oben gerade die Truppen Peters des Großen kommandiert)