Wir sind nun auch durch mit unserer kleinen Leserunde zu dem Buch und ich kann mich nur anschließen: Wer nur einen Hauch Interesse an Jack the Ripper, Sozialgeschichte im 19. Jahrhundert oder auch Frauenrechten an, sollte dieses Buch lesen.
Wir begleiten mit Rubenhold die einzelnen Frauen, die spätere Opfer des Whitechapel-Mörders werden sollen und es ist einfach so unfassbar traurig. Mitanzusehen, wie manchmal nur ein kleiner Schicksalsschlag ausreicht, um das Leben komplett aus der Bahn zu werfen, sodass sie dem Alkohol verfallen, auf der Straße leben müssen und einfach eingegrenzte Frauen werden. Und über einigen wurde der Pech-Eimer komplett ausgekippt. Es hat mir das Herz gebrochen.
Der Fakt, der bei mir ganz besonders hängen geblieben ist: Nur eine von ihnen, Mary Kelly, arbeitete nachweislich zur Zeit des Mordes tatsächlich als Prostituierte, eine andere, Elizabeth Stride, war zumindest vorher Prostituierte gewesen. Und das finde ich deshalb so krass, weil JtR ja immer als der Prostituiertenmörder gilt. Nope, vermutlich haben die Frauen einfach nur auf den Straßen geschlafen, weil sie mittellos waren, als sie ermorden wurden.
Das sagt halt so viel aus über das Ansehen der Frauen im 19. Jahrhundert, die aufgrund von Alkoholsucht, Scheidung, etc. nicht mehr ihrer Rolle als Frau gerecht werden konnten. Obdachlos? Prostituierte? Alkoholikerin? Alleinstehend? Es war quasi alles eins. Dass dieses Narrativ so lange überdauern kann, hat mich ziemlich schockiert.
Ich habe nun schon Kritik gelesen, dass Rubenhold wohl sehr subjektiv an ihre Quellen ging und durchaus auch mal Dinge auslassen soll, die nicht in ihr Bild passen. Ich weiß nicht, inwiefern das stimmt. Aber wenn wir uns mal bewusst machen, dass es über diese Frauen kaum Aufzeichnungen gibt, ist natürlich klar, dass auch ein bisschen was an Spekulation dabei ist. Aber nichtsdestotrotz finde ich sehr bewundernswert, was die Autorin alles zusammengesammelt hat. So wie einen Lesebrief in einer großen Zeitung, in der eine Frau über den Alkoholkonsum ihrer Schwester berichtet – und diese Schwester wiederum ist später eine der JtR-Opfer. Oder Fotos der Kinder von Annie Chapman, auf denen zu erkennen ist, dass sie vermutlich am Fetalen Alkoholsyndrom litten, was wiederum vieles über Chapmans Leben bestätigt.
Eine Lektüre, die noch lange nachhallen wird. Ich hoffe, dass dieses Buch noch viele Lesende findet!