Hallo, Lt.!
Danke für den ausfürhlichen Beitrag und die schönen Aufnahmen, die für so manchen Forumsnutzer sicherlich sehr aufschlußreich sind.
Zitat von "Dunbar"
Es ist durchaus nicht falsch einen Legionär mit seinem Schwert zuhauen zu lassen.
Die römischen Legionen haben sich mit den Jahrhunderten stark verändert, aber eines blieb immer gleich: Das Schwert war sowohl als Hieb- als auch als Stichwaffe sehr gut geeignet.
Das wollte ich eigentlich auch nicht völlig bestreiten -- nur macht eine Hiebwaffe an sich im Massennahkampf mehrerer hintereinander gestaffelter Phalangen kampftechnisch keinen Sinn; das ist mir von einigen Experten, die diesen "Sport" auch aktiv betreiben, immer wieder bestätigt worden.
Es ging mir auch vor allem um die Kampftechnik in den Legionen der frühen (und mittleren) Kaiserzeit.
Von den Pilumsalven zu Beginn einer Schlacht einmal abgesehen: Eine schildgepanzerte Schlachtreihe (acies) römischer Legionäre drückte in der Schlacht mit der lückenlosen Schildreihe unter dem Massendruck der nachdrängenden Reihen gegen die Reihe(n) der Gegner. Außerdem stießen die Legionäre (von Hilfstruppen ist hier nicht die Rede!) über den Rand der Schildreihe mit den Spitzen ihrer Schwerter nach den Gesichtern der Gegner; dabei vollführten sie (vermutlich!) eine Stoßbewegung mit einer leichten Drehung, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, zwischen die Lücken der Panzerung zu gelangen und um die Schwere der Verletzung durch die Drehung der Klinge in der Wunde zu erhöhen. Ziel der Verletzungen war es, die Gegner auszuschalten, um so Lücken in die gegnerische Reihe zu schlagen.
Wenn die Gegner rückwärts gedrängt wurden, gerieten einige zwanglsläufig ins Straucheln, ihre Reihen wurden dadurch unordentlich und Lücken entstanden, die den Gegner verwundbarer machten.
Allerdings vermeidete die Kampftechnik der Legionäre Handgemenge; Legionäre waren offenbar gehalten, stets Formationen zu bilden, die eine Auflösung in äußerst verwundbare Knäuel von einzelnen Soldaten verhinderte. (Du schriebst es ja selbst: Armeen sind teuer)
Nichtsdestotrotz wurde ein Gegner auch niedergehauen -- allerdings nur wenn ausreichend Platz vorhanden war, schon allein um keinen eigenen Mann versehentlich mit zu verletzen, denn für das Hauen braucht man Platz zum Schwungholen.
Übrigens findet sich diese Technik auch bei den Musketieren der frühen Neuzeit und anderen mit Feuerwaffen ausgerüsteten Nahkampfeinheiten: Zuerst werden mehrere Kugelsalven auf den Gegner abgegeben (auf die genaue Anordnung und Schußfolge will ich jetzt hier nicht eingehen, das führt einfach zu weit); dann wird die gegnerische Front mit zuvor aufgepflanzten Bajonetten in geschlossener Reihe attackiert.
Durch das Fehlen effektiver Defensivausrüstungen beim neuzeitlichen Massennahkampf fiel dieser auch für beide Seiten weitaus blutiger aus.
Eine Schlacht einer Legion muß man sich also als massives, perfekt durchorganisiertes Drängen und Schieben vorstellen, das einzig dem Zweck diente, die gegnerische Formation durch Abdrängen in Unordnung zu bringen. Sobald die gegnerischen Masse instabil wurde, ging es darum, möglichst kleine Gruppen zu isolieren und zunächst einmal weiterhin gepanzert niederzustechen. Erst wenn auf dem Schlachtfeld richtig Platz war, konnte "gefahrlos" gehauen werden. Und da das damalige Schlachtziel war, dem Gegner möglichst massive Schäden zuzufügen, damit er so schnell nicht wieder zu Kräften geht, wurden selbstverständlich in dieser Phase des Kampfes auch sehr viele Unterliegende durch Zuhauen, also Verletzungen mit der Schneide des Schwertes, verletzt und getötet.
Das erklärt die reichen Funde, da der Hauptteil der Toten erst nach der ewigentlichen Entscheidung, nämlich von dem Augenblick an, an dem der Gegner sich zur Flucht wendet, anfielen.
Aber das Niederhauen war auch weitgehend die Aufgabe der Flügel, d.h. der Reiterei, die dann von allen Seiten in die versprengten, flüchtenden Grüppchen einfiel.
Die längeren Schwerter der Reiterei sind daher selbstverstndlich ebenfalls Stich- und Hiebwaffen -- wobei ich als alte Reiterin massiv bezweifele, daß die Schwungbewegung bei der Nutzung eines Schwertes als Hiebwaffe im Kampf (!) für einen Reiter dauerhaft zuträglich ist: Die Bewegung eröffnet schließlich verwundbare Stellen am Körper -- auch ein Segmentpanzer ist keineswegs lüchenlos, schon gar nicht "von unten gesehen".
Daß die römische Reiterei statt des gladius der Legionäre die spatha benutzte, hat einen rein praktischen Grund: Die Länge der Klinge eines glaudius vom Typ Pompeji beträgt 40 - 50 cm (Typ Mainz bis 60 cm), das ist schlichtweg zu kurz für den Kampf zu Pferd; daher wurde in der Reiterei die spatha mit einer Klingenlänge von 60 - 70 cm vorgezogen, die wiederum beim Massennahkampf eher hinderliche Längenausmaße gehabt hätte.
Zitat
Stimmt -- Heldentum ist kostspielig. Das ist auch der Grund, weshalb die römische Armee Kampftechniken den Vorzug gab, die im Angriff die eigenen Soldaten schonte und bei den Formationen auf solche setzte, die Handgemenge (den sogenannten "hand-to-hand combat") meidet. Außerdem verfügte man seit der Zeit Caesars über eine bestens organisierte medizinische Versorgung. Tiberius z.B. ließ Schwerverwundete in seinem eigenen Wagen zum Lazarett (valetudinarium) transportieren.
Schließlich ist auch die Ausbildung neuer Soldaten eine sehr kostspielige Sache, die weitestgehend von den Kaiser persönlich getragen werden mußte -- auch wenn die römische Armee insofern Kostendämpfung betrieb, als die Soldaten ihre ausrüstung auf Pump erhielten und mit dem Sold abstotterten.
Zitat
Ein Grund warum der Gladius gern als reine Stichwaffe dargestellt wird, sind Berichte von Vegetius, der aber leider nie einen römischen Legionär mit einem Gladius gesehen haben dürfte bzw. die Ideen der "Forscher" des 19. Jarhunderts.
Umgekehrt wird ein Schuh draus! Erstens ist Vegetius längst nicht der Trottel, als den ihn ein Teil der britangelsächsisch-amerikanischen Forschung gerne hinstellt. Zweitens ging im 19.Jh. ein Gutteil der Forschung schon aus reinem Patriotismus vom hauenden und stechenden Legionär im offenen Handgemenge aus, was selbstverständlich grundfalsch ist. Im übrigen war es ausgerechnet die von etlichen (Hobby-)Militärhistorikern verachtete kontinentaleuropäische Forschung, die die Rekonstruktion der römischen Kampftechniken entscheidend vorangebracht und vom Unfug so mancher Idee wie z.B. der der Lederpanzer befreit hat.
Fröhliche Grüße
Iris