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Nachdem ich von „Eine Nacht in Rom“ so begeistert war (siehe meine dortige Rezension), konnte ich kaum die nächste Graphic Novel des französischen Autors Thierry Terrasson alias „Jim“ abwarten. Jetzt ist sie endlich da! Ich habe sie auf Englisch gelesen, aber im Juli 2015 erscheint sie auf Deutsch im Splitter-Verlag.
Inhalt (ohne Spoiler, hoffe ich)
Simon ist auf dem besten Weg, ein glücklicher Mann zu werden. Denn er lebt in einem schönen Ort an der französischen Mittelmeerküste, er hat einen guten (wenn auch etwas langweiligen) Job, und er hat eine nette Freundin, die von ihm schwanger ist und die er heiraten will.
Aber just an seinem Hochzeitstag, kurz vor der Trauung, trifft er auf der Straße Helena wieder, eine atemberaubende, blonde Schönheit, in die er schon in der Schule verliebt war, und die er gerne als Freundin gehabt hätte. Doch Helena hat ihn damals immer wieder abblitzen lassen. Denn Simon war schon immer ein etwas introvertierter, schüchterner Typ, und die hübsche Helena stand nun mal leider nur auf „richtige“ Männer.
Jetzt steht sie an seinem Hochzeitstag nun vor ihm, mit einer kleinen Tochter im Kinderwagen, von deren Vater sie sich getrennt hat. Auch ansonsten scheint es ihr nicht besonders gut zu gehen. Mehr erfährt Simon in dem kurzen Gespräch nicht, doch es reicht, ihn aus der Bahn zu werfen. Und er tut das Unfassbare: Er gibt seiner Freundin nicht das Jawort und die Hochzeit ist geplatzt.
Wenig später stirbt sein Vater und Simon erbt nicht nur eine gute halbe Million Euro, sondern auch ein schönes Strandappartement, in das er allein einzieht. Als er durch Zufall herausfindet, dass Helena ganz in der Nähe in einem Supermarkt arbeitet, macht er einen Annäherungsversuch, der jedoch scheitert. Dann tut er wieder etwas Unfassbares: Er bietet ihr Geld dafür an, dass sie sich jeden Donnerstag drei Stunden mit ihm in seinem Appartement trifft. Ohne Sex, nur zum Reden und Sich-Kennenlernen.
Helena ist einverstanden, und es beginnt eine sehr merkwürdige Beziehung, bei der Simons Leidensfähigkeit arg auf die Probe gestellt wird …
Meine Meinung
Zur Optik:
Während bei „Eine Nacht in Rom“ Text und Zeichnungen von Jim stammten, ist in „Helena“ nur der Text von ihm, die Bilder wurden von Lounis Chabane gezeichnet. Doch Unterschiede ergeben sich dadurch kaum. Der Stil ist sehr ähnlich, die Figuren haben ein ähnliches Aussehen. Mir gefällt diese Zeichenart ausgesprochen gut.
Zur Geschichte:
Ein Mann, dem urplötzlich Zweifel kommen, ob er sein Leben richtig führt, vor allem, ob er sich für die richtige Frau entschieden hat – genau um dieses Thema ging es ja bereits in „Eine Nacht in Rom“. Dort hatte der Protagonist Raphael einfach seine Freundin sitzen lassen, um mit Marie, seiner alten Liebe aus Studententagen, den 40. Geburtstag zu verleben. Dass dies ein großer Fehler war, wird ihm leider erst zu spät bewusst.
Simon in dieser neuen Geschichte geht es ganz ähnlich. Auch er wirft sein bisheriges Leben einfach weg – für die Erinnerung an ein Mädchen, dass er seit Kindheitstagen geliebt hat, die jedoch seine Gefühle niemals erwidert hat, ihn noch nicht einmal geküsst hat, sich über ihn lustig gemacht hat. Doch Simon kann die Anziehungskraft, die sie noch immer auf ihn ausübt, nicht abschütteln – obwohl sie bei ihren seltsamen regelmäßigen Treffen kein Blatt vor den Mund nimmt: Sie mag Männer mit Muskeln und Selbstvertrauen, die sich die Mädchen einfach nehmen. Mit jemandem wie Simon etwas anzufangen, kann sie sich nicht vorstellen.
Trotzdem versucht Simon unbeirrt das scheinbar Unmögliche und demütigt sich dabei immer wieder von neuem. Er investiert und investiert und hofft inständig, etwas zurück zu bekommen. Ob es gelingt, werden wir erst im zweiten Band mit Sicherheit erfahren.
Während „Jim“ in „Eine Nacht in Rom“ der Frage nachging, ob man sich nach Jahrzehnten der Trennung wieder neu ineinander verlieben kann, geht es diesmal um die Frage: Kann eine Liebe sich erfüllen, wenn sie absolut einseitig ist?
Und wieder habe ich (als Mann) mit dem Protagonisten mitgelitten, habe seine Emotionen nachfühlen können – wenn auch diesmal nur mit Einschränkungen. Denn während ich von der Marie aus „Eine Nacht in Rom“ fasziniert war, weil sie bei aller geheimnisvollen Unnahbarkeit und Flatterhaftigkeit doch ein netter, sensibler Mensch zu sein schien, habe ich mich von der kühlen Blondine Helena ziemlich abgestoßen gefühlt. Denn sie erfüllt alle Klischees, die ich mit einer blonden Schönheit in Verbindung bringe: Sie ist oberflächlich, kalt, unsensibel, berechnend, verletzend – und sie steht auf Machos. All dies passt einfach nicht zu Simon. Diese schöne Femme Fatale ist schädlich für ihn, sie wird ihn ins Unglück stürzen. Es ist letztendlich richtig, von allzu schönen Frauen Abstand zu halten.
Aber ich habe mich gefragt: Würde ich genauso reagieren, wenn mir eine wunderhübsche Frau über den Weg liefe, in die ich früher verknallt war, die mich aber abgewiesen hat? Würde ich für sie mein Leben über den Haufen werfen, weil ich mir Hoffnungen mache? Wäre ich so unvernünftig?
Auf den ersten Blick würde ich sagen: Nein, niemals!
Auf den zweiten Blick würde ich sagen: Autor „Jim“ hat da wieder einmal einen Nerv in uns Männern angestoßen, der uns unangenehm ist, den wir aber nicht verleugnen können: Wenn uns eine Frau wirklich fasziniert, können wir austicken und Dinge tun, die wir uns nicht hätten vorstellen können. Bis zur Selbsterniedrigung.
Ich bin gespannt, wie die Geschichte im zweiten Band weitergehen wird!
EDIT: Amazonlink ergänzt. LG, Saltanah