"Das kunstseidene Mädchen" ist Doris, die auf keinen Fall "kunstseiden", also nicht wirklich wertvoll sein möchte. Sie lebt im Deutschland der 1930er Jahre und ist umgeben von Sorgen. Der arbeitslose Vater trinkt und die Mutter schuftet für wenig Lohn. Doris arbeitet als Anwaltsgehilfin und macht immer wieder Schreibfehler, sodass sie sich nicht anders zu helfen weiß, als mit dem Chef zu flirten. Dieser steigt irgendwann auf ihre Anmache ein - und als das dann passiert, weist sie ihn zurück und wird prompt entlassen.
Ihre nächsten Optionen sind begrenzt, bis sie eine Anstellung am Theater bekommt. Dort findet Doris keinen Anschluss an die Schauspielerinnen und Mitarbeiterinnen und erfindet eine Affäre mit einem der leitenden Theaterleute. Als dies auffliegt, stiehlt sie einen Pelzmantel und taucht nach Berlin unter.
Dort ist Doris dann völlig auf sich gestellt und schlägt sich mit wenig aussichtsreichen Männergeschichten durch.
Das Buch endet, wie es beginnt und hat während der gesamten Geschichte kaum positive oder glückliche Momente. Ob Doris besser zurechtkäme, wenn sie mehr Bildung hätte, wie sie es sich für sich selbst immer wünschte? Ob sie eine Zukunft hat, in der sie glücklich wird?
Die Hauptfigur Doris hat sehr einseitige Ziele. Für sie zählt das Aussehen und die Erscheinung, nicht aber die eigene Absicherung. Manchmal habe ich beim Lesen gedacht, dass sie vielleicht zu wenige Chancen hatte in der rauen Gesellschaft der Weimarer Republik.
Die Sprache Keuns im Buch war einer der Gründe, wieso ich sehr lange mit dem Lesen gewartet habe und das Buch lange in meinem SuB stand. Dann habe ich es angefangen und wurde sofort in den Bann gezogen. Ich habe "Das Kunstseidene Mädchen" in wenigen Lesestunden durchgelesen und fand es zwar unglaublich traurig und tragisch, aber gleichzeitig hab ich viel mitgenommen, über das ich noch lange nachdenken werde.