Beiträge von Xirxe

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    4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:
    Der Großteil Europas blickt voller Furcht auf Frankreich, wo am 23. April 2017 die Präsidentschaftswahlen stattfinden werden. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass die Rechtspopulistin Le Pen die Wahl gewinnen könnte und das zweite Land wäre, das den Ausstieg aus der EU beschließen würde. Frankreichs Gesellschaft steht kopf und allerorts wird diskutiert, wie es soweit kommen konnte.
    In einem ähnlichen Zustand befinden sich auch die Protagonisten dieses Buches der französischen Autorin Karine Tuil, die alle drei glaubten, sich in ihrem Leben eingerichtet zu haben, das ewig so weitergehen würde: Francois Vély, ein reicher brillianter Manager, dem nach einem scheinbar erst einmal eher nebensächlichen Skandal plötzlich der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Osman Diboula, ein farbiger Sozialarbeiter, der in der Politik Karriere machte und plötzlich abserviert wird. Und Romain Roller, Soldat, der nach diversen Auslandseinsätzen nach seinem Afghanistanaufenthalt völlig gebrochen zurückkehrt und ein Verhältnis mit der Frau von Vély beginnt, ohne dies am Anfang jedoch zu wissen.
    Es sind drei völlig unterschiedliche Konflikte, in denen diese Männer stecken; doch was sie verbindet, ist ihr jeweils einsamer Kampf, sich daraus zu befreien und immer wieder einen neuen Rückschlag zu erleiden. Denn selbst als sich Alles (mehr oder weniger) in Wohlgefallen aufgelöst hat, wird es wohl nur ein vorübergehender Ruhezustand sein. Die Unsicherheiten und Ängste werden sie ein Leben lang begleiten - die Sorglosigkeit (so der Originaltitel) ihres bisherigen Lebens ist vorbei.
    Tuil stellt ein detailliertes Abbild eines Teils der Gesellschaft dar, wobei es sich bei Osman Diboula und Francois Vély um eher typisch französische 'Vertreter ihrer Art' handelt. Diboula hat sich aus den Banlieues von Paris auf die Ebene der Karrieristen der französischen Eliteuni ENA hochgearbeitet; etwas, das in dieser Form in Deutschland nicht existiert. Vermutlich ebensowenig wie dass ein Wirtschaftsboss wie Vély wegen seiner jüdischen Abstammung sozial 'hingerichtet' würde. Dennoch lässt sich dieser Roman in Vielem sicherlich auf Deutschland ebenso wie auf andere Länder übertragen: Die Fähigkeiten der modernen Medien, Menschen in kürzester Zeit zu demontieren und zu ruinieren; wie Macht Menschen korrumpiert und sie rücksichtslos alles hinter sich lassen, was ihnen einmal wichtig war; wie der Krieg Menschen zerstört - und zwar nicht nur im physischen sondern auch im psychischen Sinn. Es ist kein schönes Bild, was Karine Tuil hier entwirft - aber auf jeden Fall ein erhellendes, das vielleicht ein bisschen Licht in das Dunkel bringt: Weshalb die Welt so ist wie sie ist.
    Nur eine Frage lässt mir keine Ruhe: Weshalb sind die drei Hauptfiguren dieser Autorin Männer? Kommen Frauen mit der nicht mehr vorhandenen Sorglosigkeit besser klar? Sind sie die ständige Unsicherheit schon länger gewohnt?

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    4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:


    Für den 27jährigen Heiko Kolbe gibt es nur wenig im Leben was ihm wichtig ist, nachdem seine Freundin ihn verlassen hat: Es sind seine Freunde, mit denen er seine Liebe zum Fußball und zur Gewalt teilen kann. Immer wieder treffen sie sich zu Matches mit Gleichgesinnten aus anderen Städten, wo es ausschließlich darum geht, sich gegenseitig zusammenzuschlagen. Den Kick, den sich Andere beim Bungeejumping oder Bergsteigen holen, erhalten diese jungen Männer durch Schlägereien bis auf's Blut, wobei die Gegnerschaft im Fußball der bereits vorhandenen Aggressivität noch einen zusätzlichen Schub verleiht.


    Nach "Niemand ist bei den Kälbern" von Alina Herbig ist dies bereits das zweite Buch in kurzer Zeit, das mir einen Einblick in eine Welt liefert, die bei Hool zwar im wahrsten Sinne des Wortes um die Ecke liegt; doch wovon hier erzählt wird, wirkt so weit entfernt, als wäre von einem anderen Planeten die Rede. Wunstorf, Luthe, Hannover - all diese Orte, in denen Heiko sich aufhält, sind mir gut bekannt. Aber in seinem Leben gehören Alkohol und Drogen ebenso wie Gewalt und Kriminalität zum Alltag. Da werden Anabolika gehandelt, Drogen vertickt und konsumiert, Tierkämpfe mit Wettgeschäften veranstaltet; es wird gesoffen, gekifft und wenn es einem gerade danach ist, einer zusammengeschlagen. Klar weiß ich, dass nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen (oder sowas in der Art) ist und es in unserer Gesellschaft Bereiche gibt, in denen die Uhren anders gehen. Doch was Philipp Winkler hier überzeugend durch seinen Protagonisten erzählen lässt, ist für mich eine völlig fremde Welt, obwohl sie in meiner unmittelbaren Nachbarschaft existiert.


    Heiko ist kein wirklicher Sympathieträger – wie könnte es bei einem Hooligan auch anders sein? Doch auch wenn seine Sprache vulgär, brutal und derb ist, ist er ebenso wenig der Widerling und die Dumpfbacke schlechthin, wie man vermuten könnte. Er war auf dem Gymnasium (wenn auch ohne Abschluss), machte Zivildienst und lehnt Nazis ab. So wie er seine Ruhe will, lässt er die Anderen in Ruhe und wäre nicht diese ständig schwelende Wut in ihm, der er bei den Matches freien Lauf lässt, könnte er der nette junge Nachbar von gegenüber sein. In Rückblicken, die in die laufende Erzählung immer wieder eingeschoben werden, wird erkennbar, woher diese Wut letzten Endes kommt. Auch der Blick auf Heikos Freunde widerspricht dem Klischee der rechten Schläger. Sie sind ebenfalls keine Nazis: Kai ist ein lebensfroher Student; Jojo ein braver Sohn, der bei seiner Mutter lebt.


    Es ist ein brutales und grausames Buch ohne Schwarz-Weiß-Malerei, das ungemein realistisch wirkt und gerade im Hinblick auf die aktuellen Diskussionen um das Auseinanderdriften der Gesellschaft ein wichtiger Beitrag sein kann. Ich habe auf jeden Fall einen Einblick in eine Welt erhalten, der mir sonst nicht möglich gewesen wäre. Dafür Danke!


    Emoticon aus Threadtitel entfernt. LG, Valentine

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    2ratten :marypipeshalbeprivatmaus:


    Roger Smith hat als Krimiautor in Deutschland schon einige Preise erhalten, sodass ich vertrauensvoll zu seinem neuesten Buch griff, das er allerdings unter dem Pseudonym James Rayburn veröffentlicht hat. Ob es daran liegt, dass 'Sie werden dich finden' mich nicht so begeistert hat?
    Whistleblower sind ja so etwas wie die neuen Helden unserer Zeit und deshalb ist es nicht verwunderlich, dass eine solche die Hauptfigur dieses Thrillers ist. Kate Swift, eine junge Frau, versteckt sich nach ihrem 'Verrat' mit ihrer kleinen Tochter vor ihrem früheren Arbeitgeber, dem CIA. Als ihre Tarnung auffliegt, fliehen die Beiden und versuchen, Hilfe und einen sicheren Ort zu finden. Nicht so einfach, wenn der CIA hinter einem her ist und auch noch Andere ein Hühnchen mit einem zu rupfen haben...
    Es ist eine Verfolgungsjagd, die durch die halbe Welt führt und eine Spur von Leichen hinter sich lässt. Das Tempo ist hoch, denn nicht nur die zahlreichen Dialoge sind durch recht knappe Sätze geprägt, auch die Kapitel sind kurz; selten mehr als vier Seiten lang und mit jedem wechselt die Perspektive. Erzählt wird überwiegend jeweils aus der Sicht von einer der vier Personen, wobei vier weitere gelegentlich hinzukommen - zumindest zu Beginn war somit etwas Konzentration gefragt.
    Eigentlich wären alle Zutaten vorhanden für einen richtig spannenden Thriller, aber ich wurde beim Lesen das Gefühl nicht los, als wäre hier etwas ohne große Überlegungen schnell runtergeschrieben worden. Richtige Überraschungen gibt es kaum, die meisten Geschehnisse lassen sich ohne viel Mühe vorausahnen. Andere Ereignisse wiederum sind schlicht unlogisch (Wieso wurde sie umgebracht und er nicht? Oder weshalb fängt ein trockener Alkoholiker nach 10 Jahren einfach so das Saufen wieder an?) oder so zufällig, dass ich einfach nur den Kopf schütteln konnte. Zudem wirkten auf mich die Figuren im Buch so eindimensional, dass ich vermutlich alle spätestens nach ein bis zwei Wochen wieder vergessen haben werde. Grautöne scheint Mr. Rayburn hier nicht vorgesehen zu haben, denn entweder gehört eine/r zu den Guten oder zu den Schlechten.
    Schade, denn schreiben kann der Autor, sonst hätte ich bei einer solch vorhersehbaren Handlung und derart uninteressantem 'Personal' vielleicht nicht bis zum Ende durchgehalten. Ich werde mal schauen, ob mir Roger Smith besser gefällt ;)
    PS: Findet eigentlich noch jemand, dass Harry Hook Ähnlichkeiten mit einem gewissen Harry Hole aufweist? Insbesondere dem im Band 2, Kakerlaken.

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    4ratten
    Nero Wolfe alias William Conrad habe ich früher gern gesehen, diesen wohlbeleibten, orchideenliebenden Gourmet, der immer wieder die New Yorker Mordkommission düpierte, indem er Fälle auf seine unnachahmliche Weise deutlich schneller als diese löste. Nun wurde eines der Bücher dieser Reihe in einer neuen Übersetzung wieder herausgegeben und ich muss sagen, ja, auch das Lesen lohnt sich.
    In diesem Fall erhält er von einer sehr vermögenden Klientin den Auftrag, ihre Überwachung durch das FBI zu beenden. Dass sich das FBI von einem Privatdetektiv sicherlich nicht vorschreiben lässt, wen es überwachen darf und wen nicht, ist sowohl Wolfes Klientin klar wie auch ihm selbst. Seine Zweifel, diesen praktisch unlösbaren Auftrag anzunehmen, verschwinden, als ihm ein 100.000 $ Scheck als Vorschuss übergeben wird, den er in jedem Fall nicht zurückzahlen muss und die Aussicht, ein Honorar zu bekommen, dass er selbst festlegen darf, wenn er Erfolg hat. Wolfe nimmt an und beginnt mit der Arbeit in diesem offenbar aussichtlosen Fall ...
    Erzählt wird die Geschichte von Archie, dem Assistenten von Nero Wolfe, der für diesen die Aussenaufgaben übernimmt. Denn Wolfe ist bequem, er liebt gutes Essen und Trinken, seine Orchideen und das Lesen, während er sein Zuhause nur in seltenen Fällen verlässt. Ansonsten ist es aber wohl das typische Szenario der Krimis dieser Zeit, der 60er Jahre. Coole Männer, lässig eine Zigarette rauchend und schönen jungen Frauen hinterherblickend, die meist nur als schmückendes Beiwerk, Zeugin oder Klientin dienen. Dazu eine in gewisser Weise etwas umständliche Sprache, die mich jedoch immer wieder zum Grinsen brachte. "Als sie mich aus blauen Augen betrachtete, wies ich meine an, sämtliche Aspekte zu ignorieren, die für die anstehenden Aufgaben ohne Belang waren." Auch eventuelle Beleidigungen sind eher subtil, die ich stellenweise recht originell und amüsant finde: "Von der Grösse her war er eine Erdnuss, aber eine elegante." Überhaupt ist der gesamte Umgangsstil in diesem Privatdetektivmilieu ungewöhnlich gehoben: Es werden Bücher gelesen ;) Diners serviert wie 'Täubchen à la Moscovite, Pilze Polonaise, Salade Béatrice und Soufflé Armenonville' und das wohl schlimmste Unmut ausdrückende Wort ist 'Pfui'. Der Fall selbst ist recht verworren, denn um das gewünschte Ziel zu erreichen, sind zahlreiche Umwege vonnöten, die sich erst nach und nach als zielführend erweisen. Wolfe löst diese Angelegenheit (wie auch eine Menge andere) durch reines Nachdenken, nachdem er durch seinen 'Aussendienstmitarbeiter' mit den entsprechenden Informationen versorgt wurde.
    Es ist ein ruhiger, stellenweise amüsanter Krimi ohne Blutvergießen und große Action, der zudem auch Gewicht auf das Drumherum der handelnden Personen legt. Ob die Neuübersetzung nun schlechter oder besser gelungen ist, kann ich nicht beurteilen. Gehe ich jedoch vom früheren Titel aus "Per Adresse Mörder X", ist der neue auf jeden Fall deutlich gelungener (im Original: "The Doorbell Rang"). Auch wenn es ein typischer Krimi seiner Zeit ist: Das Thema ist hochaktuell. Darf der Staat um der Sicherheit willen einfach Alles? Jede/n zu jeder Zeit und überall überwachen und abhören? Manche Probleme scheinen sich nie zu ändern...

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    4ratten


    Der Name Thomas Edison dürfte vermutlich den meisten Menschen geläufig sein, George Westinghouse wahrscheinlich eher weniger. Dass diese beiden Herren sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine irrsinnige Fehde lieferten, um ihre jeweiligen favorisierten Techniken der Stromversorgung als Standard durchzusetzen, dürfte vermutlich noch unbekannter sein (mir war es das zumindest). Wobei diese Schlacht, bekannt als 'Stromkrieg', alle bekannten feindseligen Übernahmen der Neuzeit locker in den Schatten stellt. So ist es nicht verwunderlich, dass diese Auseinandersetzung Thema eines Romans wurde; eher schon, weshalb es nicht bereits viel früher geschah.
    Erzählt wird diese Geschichte aus der Sicht des jungen Anwalts Paul Cravath, der von Westinghouse das Mandat übertragen bekommt, die Verfahren gegen Edison zu führen. Für ihn, der praktisch keine Berufserfahrung hat, ist es der Eintritt in ein neues Leben. Seine ganze Zeit widmet er diesem 'Krieg' voller Engagement und Enthusiasmus, auch wenn die Erfolge auf sich warten lassen. Er lernt das Wesen der Erfinder kennen: Menschen wie beispielsweise Nikola Tesla, die nur für ihre Arbeit leben. Es ist eine völlig andere Welt als die ihm bisher bekannte.
    Graham Moore, der Autor, versteht es, eine Szenerie zu entwerfen, die ich beim Lesen buchstäblich vor Augen hatte. Das noch schwach elektrifizierte New York; das Leben auf den Straßen; die Atmosphäre bei den Dinnern der Strom-High-Society - es ist fast schon ein Film, der sich da vor mir abspielte. Kein Wunder, denn der Autor ist auch als Drehbuchautor erfolgreich und erhielt bereits für 'Ein streng geheimes Leben' einen Oscar. So dürfte es nicht überraschen, das 'Die letzten Tage der Nacht' verfilmt werden. Doch die Schilderung der historischen Ereignisse (nebst fiktiven Ergänzungen und Verfremdungen), die so spannend wie ein Krimi sind (es wird spioniert, intrigiert, bestochen undundund), machen nicht allein den Reiz des Buches aus. Ganz nebenbei wird ein Grundwissen der Elektrizität vermittelt, das wirklich für Alle (auch für mich! - und das will was heißen :zwinker:) verständlich ist wie auch Begrifflichkeiten der Juristerei.
    Dennoch, ein Manko gibt es: So gut es Moore versteht, diese Geschichte bildhaft darzustellen - seinem Protagonisten Paul Cravath kam ich nicht nahe. Meist lebe und leide ich mit der Hauptfigur mit, aber dies gelang mir hier nicht. Die Distanz zu ihm blieb während der ganzen Lektüre. Und so las ich das Buch wie einen spannenden, lehrreichen historischen Film. Ich bin gespannt, wie der Film dann wirklich ist.


    Amazonlink ergänzt. LG, Valentine


    Das Buch klingt ein bisschen nach einer eierlegenden Wollmilchsau. Schade, weil es wirklich nicht immer einfach ist, draußen gut zu kochen. Wenn man auf einem Campingplatz ist, mag das noch gehen. Aber sobald es ans Trekken geht, ist es meistens vorbei mit dem leckeren Essen :sauer:

    Ja, ich schätze, das trifft es gut :breitgrins:
    Meiner Meinung schmeckt beim Trecken meist eh alles gut, weil mit Hunger und unter freiem Himmel man sowieso andere Ansprüche hat. Und wenn man wirklich was gut Gekochtes oder so essen will, sollte es schon fertig mitgenommen werden. Wer schleppt denn das ganze Handwerkszeug mit sich rum, ohne dass es nun mal nicht geht beim Kochen?

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    3ratten :marypipeshalbeprivatmaus:


    Der über 80jährige Erich ist verlassen von Frau und Kindern und lebt nur noch für 'seine' Bäume, die er als Wissenschaftler sein Leben lang untersuchte. Katharina, die gerade einmal 17 Jahre alt ist, fühlt sich verlassen von Vater und Mutter und ist nun Erichs Nachbarin. Sie lernen sich kennen und ganz langsam entsteht eine Vertrautheit zwischen den beiden so unterschiedlichen Menschen, von denen jeder die Hilfe des Anderen braucht. Sie sind sich ähnlicher als sie denken, denn beide wollen sie unabhängig sein, was sowohl Katharina wie auch Erich nicht möglich ist - wenn auch bei jedem auf andere Weise.


    Es ist kein großer Roman, den man hier auf etwas mehr als 260 Seiten liest. Erich versucht jeden Tag auf's Neue selbständig zu bleiben. Und Katharina bemüht sich, am Leben zu bleiben. Durch mehrere Erzählstränge lernt man die beiden Hauptfiguren genauer kennen, wobei aufgrund des höheren Alters meist die Vergangenheit von Erich dominiert. Was dieses Buch zu etwas Besonderem macht, ist die wunderbare Sprache der Autorin, in der ich mich sofort wohl fühlte. Es ist schwer zu beschreiben, denn weder findet man hier extrem bildhafte Darstellungen noch eine übermäßig poetische Wortwahl. Der Text ist schlicht mitfühlend und passt einfach perfekt zu den Figuren und den Geschehnissen, die er schildert. Man liest und liest und möchte nichts als weiterlesen, auch wenn man Katharina manchmal wegen ihrer Blauäugigkeit schütteln möchte oder Erich wegen seiner Sturköpfigkeit. Doch man lebt und fühlt mit ihnen und so ist es fast schon ein Gefühl der Trauer, wenn man die Beiden verlassen muss.


    Und warum trotzdem 'nur' dreieinhalb Rättchen? Weil manche der Beziehungen nicht wirklich überzeugend wirkten. Wolodja soll Erichs bester Freund gewesen sein? Und von ihm hat er am meisten gelernt? Obwohl sie praktisch nicht miteinander geredet haben? Seine geliebte Frau Dascha lässt er einfach ziehen? Obwohl er Sibirien auch so liebt? Noch einige solcher Sachverhalte sind mir aufgefallen, die ich mir nicht erklären kann, was meine Freude am Text damit etwas minderte. Dennoch, ein schönes Buch! Und ich bin gespannt, was die Autorin als Nächstes schreibt.


    Übrigens, die 'Betrunkenen Bäume' gibt es tatsächlich, wenn auch nicht in Sibirien. Zumindest habe ich darüber nichts gefunden, doch einen Wald mit solchen Bäumen gibt es am Kurischen Haff. Auch wenn der Grund dafür offenbar ein anderer ist als im Buch.


    Emoticon aus Threadtitel entfernt und Leerzeilen eingefügt. LG, Valentine

    3ratten


    Die achtjährige Lycke ist verschwunden, am helllichten Tag. Ellen, Reporterin eines TV-Senders, soll recherchieren und darüber berichten, was sie schwer belastet. Denn ihre Zwillingsschwester verschwand ebenfalls mit acht Jahren und Ellen versucht seit damals, damit klar zu kommen. Vergebens...
    Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht von vier Frauen, was vermutlich unter anderem die Zahl der Verdächtigen vergrößern soll. Da gibt es beispielsweise Helena, Lyckes Mutter, die sich viel zu wenig um ihre Tochter kümmert. Chloé, die zweite Frau von Lyckes Vater, die dem kleinen Mädchen nur Eifersucht und Ablehnung entgegenbringt. Und Mona das Kindermädchen, wohl die einzige, die Lycke wirklich liebt. Die Suche nach dem Kind mag zwar das Hauptthema sein, doch der Autorin scheint es auch am Herzen zu liegen, insbesondere die Schwierigkeiten aufzuzeigen, die sich für Kinder nach einer Scheidung der Eltern ergeben: die wenige Zeit der Alleinerziehenden durch die Mehrbelastung, Probleme mit neuen PartnerInnen eines Elternteils. Auch Mobbing in der Schule wird angerissen und die Ignoranz der dortigen Verantwortlichen. Selbst die Lösung des Falles wird zu einer Anklage gegen diejenigen, die ihre Kinder vernachlässigen.
    Nun mag dies Alles durchaus löblich sein, doch ein Krimi ist ein Krimi ist ein Krimi, in dem der Fall im Mittelpunkt stehen sollte. Da zudem die privaten Verhältnisse von Ellen, der Reporterin, mindestens ebensoviel Raum einnehmen wie die Suche nach Lycke, wirkte letzteres auf mich fast nur noch wie ein Thema unter vielen. Dazu kommt eine Fast-Liebesgeschichte, Ellens Verwicklung in den Fall und zuguterletzt auch noch ein Teil-Happyend, was auf mich wenig überzeugend wirkte (nach sooo vielen Jahren? Und vorher war kein Gespräch möglich?) - alles ein bisschen viel für nur ein Buch.
    Doch aller Anfang ist bekanntlich schwer :zwinker: Und da die Autorin durchaus weiß, wie man eine Geschichte spannend erzählt, wird vielleicht ihr zweites Werk etwas weniger verzettelt sein.

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    3ratten


    Laut dem Untertitel soll es sich bei diesem großformatigen und schweren Buch um ein Kochbuch handeln mit Rezepten zum draußen Kochen. Wenn ich das wortwörtlich nehmen würde, würde ich hier zwei Rättchen geben, vielleicht sogar nur eines. Denn 270 Seiten für 120 Rezepte, die teilweise sogar zu dritt auf einer Seite stehen - so etwas würde man im Supermarkt eine Mogelpackung nennen.
    Doch von der ästhetischen Seite betrachtet ist es ein wirklich schönes Werk. Großformatige Naturphotographien zeigen abwechselnd appetitliche Bilder der vorgestellten Rezepte und Aufnahmen diverser Outdoor-Aktivitäten des Autors mit seinen FreundInnen. Dazwischen gibt es kleinere Textbeiträge beispielsweise zum Feuermachen, Wandern, Bouldern oder Klettern, wobei der Informationsgehalt allerdings nicht allzu groß ist. Haptisch sind das Buch und seine Seiten ein Genuss. Der Umschlag ist aus fester dicker Pappe (?), während die Seiten aus stärkerem Papier gemacht sind, sodass man wie bei einem Photoband richtig etwas zwischen den Fingern hat. Als kleines Schmankerl ist in die hintere Umschlagseite ein Rechteck geschnitten, in dem sich ein kleines Heftchen (wohl DIN A6) befindet, das nochmals alle Rezepte des Buches beinhaltet. Ideal also für unterwegs, denn da möchte man diesen Wälzer sicherlich nicht dabeihaben (immerhin wiegt er knappe 1,5 kg).
    Was die Rezepte betrifft, die ja den eigentlichen Inhalt des Buches darstellen, bin ich etwas zwiespältig. Einiges davon habe ich nachgekocht, allerdings am heimischen Herd und nicht draußen auf einem Gaskocher oder am Lagerfeuer. Die Sachen waren gut, keine Frage: die spanische Tortilla, die superschnellen Spaghetti Carbonara oder das Tabouleh, alles hat geschmeckt - aber etwas Besonderes oder Ausgefallenes war es nicht. Und das mit dem draußen Kochen: Wenn ich mir diese Zutatenlisten ansehe (nicht alle, aber sehr viele), ist mir klar, dass ich einen Extrarucksack alleine für die Lebensmittel und Kochutensilien benötige. Das tue ich mir bestimmt nicht an.
    So bleibt als Fazit: Ein nettes 'Coffeetablebook' :zwinker: mit Rezepten, die man so oder so ähnlich in -zig anderen Kochbüchern auch finden kann und für 'Outdoor-Cooking' meiner Meinung nach nur bedingt geeignet sind.

    3ratten :marypipeshalbeprivatmaus:


    Hmmm :confused: also als Unterhaltungsliteratur würde ich dieses Buch nie und nimmer bezeichnen. Aber wenn ihr meint... :zwinker:
    Obwohl dieses Buch gerade mal 300 Seiten hat, habe ich für meine Verhältnisse eine gefühlte Ewigkeit dafür gebraucht. Nichts mit 100 oder mehr Seiten am Stück weglesen. Das Thema, aber auch der Stil in dem das Buch geschrieben ist, machten es mir schlicht unmöglich, länger 'dran' zu bleiben.
    Der Autor schreibt hier über den bisher wohl entsetzlichsten Abschnitt seines Lebens. Vermutlich damit ihm das überhaupt möglich ist, fehlen im Text praktisch sämtliche Emotionen. Völlig sachlich berichtet er, als ob es gerade geschehe, wie seine schwangere Partnerin schwerkrank ins Krankenhaus eingeliefert wird. Die Diagnose ist katastrophal, man beschließt das Kind sechs Wochen vor der Zeit zu holen und Tom, der Autor, ist von einem Moment auf den anderen plötzlich Vater geworden und zugleich Sterbebegleiter seiner großen Liebe Karin.
    Statt das dies nun eine vor Kitsch und Rührseligkeit überbordende Geschichte wurde, ist es eine nüchterne, fast gänzlich emotionslose Tatsachenbeschreibung, die mich dennoch völlig fassungslos zurücklässt. Was Tom hier darstellt, benötigt keine gefühligen Adjektive oder Adverbien; beispielsweise allein die Beschreibung der aufgedunsenen Karin und weshalb man ihr um die 40 Liter Flüssigkeit zugeführt hat, reicht aus, um vermutlich nur ansatzweise nachzuempfinden, was in Tom vorgehen musste.
    Die beinahe schon dokumentarische Schreibweise empfand ich zeitweilig recht anstrengend, da Dialoge nur mit wenig oder keinen Personalpronomen wiedergegeben werden. Ein Satz folgt dem anderen und man muss konzentriert dabei bleiben, um das Gesagte den richtigen Personen zuzuordnen. Doch es lohnt sich, denn so wirkt es, als ob man unmittelbar an den Unterhaltungen teilhat. Kein 'Ich sagte' oder 'Er antwortete', was sich besonders bei den Behördengesprächen (nach Karins Tod) als Vorteil herausstellt. Noch nie sind mir die Abstrusitäten der Bürokratie deutlicher ins Auge gesprungen als beim Lesen dieser Zeilen. Wenn Tom beispielsweise dem Finanzamt erklären muss, über welches Vermögen bzw. Schulden seine neugeborene Tochter verfügt, kann man nur noch verständnislos den Kopf schütteln. Und da sage mir noch jemand, die Deutschen wären die Weltmeister der Bürokratie. Die Schweden hätten sicherlich mindestens ein Anrecht auf den Vizetitel.
    Alles in allem keine leichte Kost, sowohl im Hinblick auf das Thema wie auf den Schreibstil. Dennoch ist es lesenswert, wenn auch besser an Schönwettertagen ;)

    4ratten


    So unterschiedlich sind die Hörgeschmäcker :zwinker: Mir hat das Hörbuch nämlich recht gut gefallen - gerade die Szene mit dem Familienurlaub.
    Nachdem ich Wigald Boning bei einer Lesung dieser Berichte erlebt habe, war der Kauf dieses Hörbuches ein Muss. Der einzige Haken: Vermutlich sind es im Vergleich zum Buch viel zu wenige Geschichten.
    Nachdem er bereits in sehr jungen Jahren durch die Exotik des mallorquinischen Alltags geprägt wurde (gelber Reis, Männer in weißen Anzügen usw.), treibt es ihn mit zunehmendem Alter immer weiter in die Ferne. Glücklicherweise konnte und kann er durch seine geschickte Berufswahl diesem Drang immer wieder nachgeben und macht uns die Freude, seine dabei gemachten Erlebnisse und Erfahrungen in diesem Hörbuch mitzuteilen. So vertritt er beispielsweise zusammen mit drei anderen AthletInnen Deutschland bei der Fulda-Challenge in Kanada, bei der man bei eisigen Temperaturen diverse sportliche Herausforderungen bewältigen muss (ja, Wigald Boning. Genau der). Oder er bringt u.a. mit einem Quietscheentchen deutsche Musikkultur in die Türkei. Oder findet heraus, bei welcher Kunstfliegerfigur man das Haus des Nikolaus nicht mehr malen kann. Aber auch ganz persönliche Dinge fehlen nicht: Seine Silvesterfeier mit Familie und Freunden im La Grotta, dessen Name genau das verspricht was es bietet. Und der gemeinsame Fahrradurlaub mit einem Freund in Afrika, der dann aber eher ohne Fahrrad stattfand.
    Boning ist ein guter Beobachter, der vieles genau auf den Punkt bringt (das Leben auf einem Kreuzfahrtschiff, die Schilderungen in Afghanistan), sich aber vor allem auch nicht scheut, seine selbst erlebten Peinlichkeiten frei von der Leber weg zu erzählen und sich dabei selbst nicht allzu ernst zu nehmen. Das Ganze trägt er ebenso launig vor wie er schreibt und man hört immer wieder, wie er selbst beim Vortragen lachen muss.
    594 km gute Unterhaltung - oder 4 Körbe Bügelwäsche ;)

    5ratten


    Irgendwann kommt ein Zeitpunkt, an dem man feststellt, dass die noch vor einem liegende Lebensspanne deutlich kürzer ist als die bereits vergangene. Es ist der Moment, ab dem man beginnt, sich öfter auf das Vergangene zu besinnen und sich Fragen stellt wie: Bin ich zufrieden mit meinem Leben? War es erfüllt? Lebte ICH oder wurde ich gelebt? Was wurde aus meinen Träumen, Wünschen, Sehnsüchten?
    Tony Webster, um die 60 und im Ruhestand, geschieden, im Großen und Ganzen mit sich im Reinen, ereilt dieser Moment, als er einen Brief eines Anwaltbüros erhält, in dem ihm mitgeteilt wird, dass er von der Mutter einer früheren Freundin eine kleine Erbschaft zu erwarten hat: 500 Pfund und das Tagebuch seines bewunderten Jugendfreundes Adrian. Wie diese in den Besitz des Buches kam, ist Tony völlig unklar und er beginnt mit Nachforschungen, die ihn in seine eigene Vergangenheit zurückführen und mit manchem konfrontieren, das er in völlig anderer Erinnerung hat.
    Je intensiver er sich damit befasst, umso mehr muss er erkennen, dass seine Wahrheit nicht unbedingt die einzige und wahre ist und in schonungsloser Offenheit macht er sich klar, wieviel Selbsttäuschung in seinem Leben herrscht. Immer wieder kommen Fragen auf, die man sich auch selbst stellen kann und deren Beantwortung die Lesezeit des doch recht dünnen Büchleins (174 Seiten) deutlich verlängern können.
    Es ist eine leise, zurückhaltende Geschichte ohne großen Spannungsbogen und vergleichsweise handlungsarm. Dennoch hat sie einen (zumindest für mich) überraschenden Schluss und es fiel mir schwer, das Buch vor dem Ende aus der Hand zu legen. Es regt zum Nachdenken über das eigene Leben an - und hoffentlich, bevor es zu spät ist.

    4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:


    Die Schweden können nicht nur gute Krimis schreiben, wie man sieht, sondern auch richtig gute Romane :zwinker:
    Der 59jährige Ove Svensson ist ein Griesgram wie er im Buche steht. Seit dem Tod seiner Frau vor einem halben Jahr lebt er mehr schlecht als recht allein und als seine Firma ihn gegen seinen Willen in den Vorruhestand entlässt, beschließt er, dass es nun reicht: Er will sterben. Doch die neu hinzugezogene Nachbarsfamilie, der Trottel Patrick mit seiner aus dem Iran stammenden, hochschwangeren Frau Parvaneh und den beiden kleinen Töchtern, machen ihm einen Strich durch die Rechnung. Ohne sein Zutun wird Ove plötzlich in Geschehnisse in der Nachbarschaft hineingezogen, die ihn seine Selbstmordpläne immer wieder verschieben lassen.
    Ove ist wirklich ein Miesepeter und Pessimist, wie man ihn sich schlimmer kaum vorstellen kann - zumindest auf den ersten Blick. Ordnung und Regeln sind für ihn unter allen Umständen einzuhalten und da er, wie seine verstorbene Frau Sonja erklärte '...aus einer Generation stammt, in der ein Mann noch das war, was er tat, nicht das, was er sagte', findet er sich in der neumodischen Medienwelt, in der der Schein mehr als das Sein zählt, nicht zurecht. Ove ist ein altmodischer Held: Er rettet Menschenleben, packt ungefragt an wo Hilfe benötigt wird und will unter keinen Umständen auch nur die geringste Form der Aufmerksamkeit. Denn für ihn sind es Selbstverständlichkeiten. Ich gebe zu, dass ich mich zu Beginn etwas schwer tat mit dem Protagonisten, denn das Buch wird größtenteils aus seiner Sicht und seiner Stimmlage erzählt, die durchweg etwas ruppig klingt. Doch mit zunehmender Seitenzahl erkennt man Oves weiche Seite und seine Großzügigkeit immer deutlicher und er wuchs mir zusehends mehr ans Herz. Auch weil stets klarer wird, dass seine schroffe Art auf all die Verletzungen zurückzuführen ist, die ihm in der Vergangenheit zugefügt wurden.
    Ich habe diesen Helden wirklich lieb gewonnen und werde mit dieser Geschichte wieder daran erinnert :zwinker:, Menschen nicht gleich nach dem ersten Eindruck zu beurteilen. Meist gibt es so viel mehr zu entdecken.
    PS: Nur um es deutlich zu machen: Auch wenn meine Rezension nun so klingen mag, als sei es eher ein nörgeliges Buch, dem ist nicht so. Das Ganze liest sich überaus vergnüglich, da Oves mürrisches Wesen immer wieder auf's Neue von allen nur möglichen Personen ständig unterlaufen wird. Ich fand es ausgesprochen unterhaltsam und amüsant.

    4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:


    Mungo Park, der große Afrikareisende, der unbedingt den Verlauf des Nigers erkunden wollte, ist die Hauptperson in diesem historischen Abenteuerroman. Daneben sind Ned Rise, ein schlitzohriger Überlebenskünstler aus London, der immer wieder aufs Neue um seine Existenz kämpft und Ailie, die künftige Frau Mungo Parks, die beiden anderen Protagonisten in diesem Buch. Erzählt werden immer wieder abwechselnd aller drei Leben, beginnend zum Zeitpunkt der ersten Afrikareise Parks.
    Boyle hält sich an das Grundgerüst der Informationen, die hauptsächlich durch Mungo Parks eigenes Buch 'Travels in the Interior of Africa' bekannt wurden. Darüber hinaus aber lässt er seiner Phantasie freien Lauf, was diesen Reisebericht zu einer opulenten und außergewöhnlich fesselnden Leküre macht. Boyles schreibt unglaublich bildhaft, sodass man nicht nur Afrikas Gerüche, Städte und Wildnis vor Augen hat, sondern ebenso das dreckige, verwahrloste London der damaligen Zeit. Ein kleines Beispiel: "...Da kommen abrupte Abhänge, Hügel und Täler, Grate und Rinnen, Ciboa-Haine sind dunkle Flecken in den Tälern, und mächtige Tabbas, mit Stämmen so dick wie Big Ben, wachen still auf den Gipfeln. Unter ihren Füßen welkes Guineagras und Ginstergestrüpp voller Kletten und Dornen. Überall lauern Schlangen, Skorpione, Spinnen so groß wie Omelettes...". Boyle übertreibt und dramatisiert, aber es passt zu dieser Zeit und diesen Geschehnissen, wo wohl vieles ins Extreme abglitt.
    Wer phantasievolle, ausufernde Literatur liebt, wird mit diesem Buch sicherlich viel Freude haben. AbenteuerliebhaberInnen, die lieber realitätsgetreue Lektüren mögen, sind vermutlich nicht so begeistert.

    3ratten :marypipeshalbeprivatmaus:


    Zu diesem Buch eine Rezension zu schreiben gelingt mir nicht so mühelos, wie ich eigentlich dachte. Natürlich könnte ich es mir so einfach machen wie der Klappentext und schreiben, hier wird die Lebensgeschichte Evas erzählt. Aber das würde nicht stimmen. Denn Evas Leben ist nur eine Geschichte von vielen.
    Es beginnt mit ihrer Geburt und dem nicht ganz alltäglichen Start ins Leben. Ihre Mutter lässt sie als Baby mit ihrem Vater allein, um ein neues Leben zu beginnen. Und ihr Vater stirbt ein halbes Jahr später. Daher wächst sie bei ihrem Onkel und dessen Frau auf, die sie im Glauben lassen, sie wären ihre richtigen Eltern. Eva ist ein erstaunliches Kind, mit ungewöhnlichen Begabungen und Fähigkeiten, die ihren 'Eltern' eher unheimlich sind. So muss sie sich bei Schwierigkeiten weitestgehend alleine helfen, lediglich ihr Cousin Randy und ihre Cousine Braque stehen ihr zur Seite.
    Was danach folgt, sind chronologisch folgende Kapitel aus der Sicht unterschiedlicher Personen, die mehr oder weniger mit Eva zu tun haben, manche wirklich nur ganz am Rande. Da ist beispielsweise Braque, ihre Cousine; Will, ihr erster Freund; Octavia, eine Bekannte; Pat Prager, Stiefmutter ihres ersten Freundes usw. Es scheinen alles Menschen zu sein, die sich selbst im Weg stehen, ohne es aber selbst zu wissen. Entweder weil sie sich etwas vormachen, oder weil schlicht die Umstände gegen sie sind. Diese Geschichten sind alle gut und amüsant erzählt - doch was manche davon mit der ursprünglichen Idee des Buches zu tun haben, ist mir nicht so ganz klar geworden. (Abgesehen davon, dass es sich bei Allen irgendwie um Essbares dreht.) Denn hätten sie gefehlt, wäre das Buch einfach nur dünner geworden, aber Evas Geschichte hätte es keinen Abbruch getan. So bleibe ich etwas unzufrieden zurück: Die Geheimnisse der Küche des Mittleren Westens habe ich nicht wirklich kennengelernt (die wenigen Rezepte trieften vor Fett - oder ist das das Geheimnis?) und von Eva habe ich viel viel weniger erfahren als ich erwartet habe. Gut unterhalten habe ich mich trotzdem, und so sind es 3,5 Rättchen.

    2ratten


    Jackson, 19jähriger Student, entdeckt, dass er immer wieder ein paar Stunden in die Vergangenheit und zurück reisen kann. Mit seinem Freund Adam, einem Physikgenie, beginnt er, dass Ganze systematisch zu erforschen und der Ursache dafür auf den Grund zu gehen. Doch bevor sie zu weiteren Erkenntnissen gelangen, werden Jackson und seine Freundin Holly von Unbekannten überfallen und Holly dabei erschossen. Nun beginnen sich Jacksons Fähigkeiten in unerwarteter Weise zu entfalten, was er auf seine Art nutzt: Er begibt sich auf die Suche nach den Hintergründen und versucht, die Geschehnisse in der Vergangenheit zu verhindern...
    Was als Spannungs-Liebes-Science-Fiction-Roman begann, verliert sich zusehends in einem Kuddelmuddel von Agenten, Zeitfeinden, Verschwörungstheorien, Weltuntergangsszenarien, Ganz- und Halbzeitsprüngen usw. Als ob es der Autorin nicht ausreichte, ihren Helden als Zeitspringer zwischen die Fronten zu schicken um Hollys Tod zu verhindern, wird eine komplexe Verschwörungstheorie angeleiert, die zum Ende hin nur noch zum Kopfschütteln verleitet. Schade, denn das Thema Zeitreisen hätte durchaus auch allein für Spannung und Tiefgang sorgen können. So bleibt es bei kleinen kurzen Anklängen (Was passiert, wenn ich meinem Ich begegne? Gibt es einen Alterungsprozess? Gibt es den Tod?), die dann jedoch zugunsten einer plötzlichen 'spannungsgeladenen Action' kurzfristig wieder abgewürgt werden. Dazu noch ein Hauch von Pseudoerotik, der natürlich ebenfalls endet, bevor es wirklich anzüglich werden könnte - und fertig ist ein Jugendroman, der noch schneller vergessen ist als man ihn gelesen hat.
    Schade, wirklich schade, da hätte man mehr draus machen können.

    4ratten


    Don, Professor für Genetik, sucht eine Frau. Nichts leichter als das sollte man denken, denn rein objektiv betrachtet erfüllt er alle Anforderungen: durchaus attraktives Äußeres (wenn auch eher im Verborgenen) und ein Job mit hohem gesellschaftlichem Ansehen und überdurchschnittlichem Verdienst. Doch weit gefehlt, denn Don hat so seine Schwierigkeiten mit Menschen, nicht nur mit dem anderen Geschlecht. Gefühle und Empathie sind nicht so sein Ding, denn seine 'Vermutungen über den Rest der Welt gründeten vor allem auf Film- und Fernsehserien', die er als Kind gesehen hatte sodass es immer wieder zu peinlichen Situationen kommt. Logik und Rationalität sind seine Welt und genau mit diesen Mitteln macht er sich auf die Suche nach einer Ehefrau. Doch da trifft er Rosie...
    Simsion ist es gelungen, die Welt eines Asperger-Betroffenen in einer gelungenen Form humorvoll darzustellen, ohne dass er sich über seine Hauptfigur lustig macht. Konsequent behält er den nüchternen Ton seines Protagonisten bei und je weiter man liest, umso weniger merkwürdig erscheint einem diese Art und Weise. Egal wie wunderlich man Don zu Beginn empfunden haben mag, Seite für Seite wächst er einem mehr ans Herz und man hofft innigst, dass er trotz aller Widrigkeiten sein Glück finden wird.
    Dennoch gab es einige Dinge, die mich störten. Dass Don Asperger hat, liegt auf der Hand denke ich. Dass er jedoch trotz seiner Reflektiertheit über seine eigene Person und mit seinem Hintergrund dies nicht bei sich diagnostiziert (sondern lediglich bei den Kindern seines Vortrages), hat bei mir heftiges Kopfschütteln ausgelöst. Auch die Sache mit der Augenfarbe und seinem besten Freund empfand ich als unglaubwürdig. Und zuguterletzt tritt, so amüsant dieser Schreibstil auch sein mag, ca. ab 2/3 des Buches doch so etwas wie ein Gewöhnungseffekt ein. Man kennt Don und seine Art inzwischen, sodass die Lektüre etwas an Originalität verliert.
    Nichtsdestotrotz: Es hat Spaß gemacht und ist eine Empfehlung wert.