Jose M. Eca de Queiroz - Vetter Basilio

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    Jose M. Eca de Queiroz: Vetter Basilio. Nur noch antiquarisch erhältlich. Zur Zeit bei Zweitausendeins für 5,- Euro.



    Eca de Queiroz gehört zu den berühmtesten Autoren Portugals, in Deutschland wird er hingegen kaum gelesen - zu unrecht. Die 1878 erschienene Geschichte, die hier über die Protagonistin Luiza erzählt wird, ist eine typische Ehebruchgeschichte und gehört somit in die Reihe Madame Bovary (1856) und Effi Briest (1895). Auch zum fast zeitgleich erschienen Werk Anna Karenina finden sich Parallelen.


    Zum Inhalt möchte ich nicht viel verraten, nur die Grundidee: Luiza lebt in großem Wohlstand und ist mit einem gutsituierten Ingenieur verheiratet. Ein äußerer Grund für einen Ehebruch ist nicht zu erkennen, den sie dann schließlich doch begeht.


    Das Buch erinnert mich an andere Bücher. In der Handlung gibt es einige "geklaute" Ideen von Flaubert, das Thema Bücherlesen wird zum Beispiel ebenfalls thematisiert. Vom Plot her verzichtet das Buch auf große "Feuerwerks-Effekte" wie man sie bei Flaubert findet. Das Leben plätschert vielmehr vor sich hin, es passiert aber noch hinreichend viel. Dabei wird detailliert beobachtet und beschrieben, insofern fühlte ich mich stilistisch stellenweise an Stifters Nachsommer erinnert. Man liest einen solchen Stil schnell und flüssig. Und man liest ihn gerne, zudem die Handlung nie auf unwahrscheinliche Zufälle zurückgreifen muss. Dennoch liest es sich nicht langweilig.


    In den ausführlich beschriebenen Liebesszenen musste ich jedoch auch an die platten Beschreibungen meines gelesenen Nackenbeißers denken. Eca de Queiroz bekommt aber gerade noch rechtzeitig die Kurve, so dass das Buch letztlich immer auf der Spur bleibt und vor dem Absturz bewahrt wird, auch wenn mir in zu vielen Szenen der Busen der Damen in den Vordergrund gestellt wird - eine Art Fetischismus wie man es sicher seinerzeit gern gelesen hat. Vielleicht wird dies auch bewusst eingesetzt*, so dass die Handlung eine gewisse Ironie erhält.


    *Aufgrund der Lektüre des Romans erkenne ich persönlich nicht, wo der Autor nur schlecht schreibt und wo er bestimmte Stilmittel bewusst einsetzt. Da ich inzwischen auch drei seiner Kurzgeschichten gelesen habe, die die enorme stilistische Vielfalt des Autors zeigen, bin ich im Nachhinein davon überzeugt, dass er hier ein bewusstes Stilmittel gewählt hat.


    Eine klassische Liebesgeschichte mit allem Drum und Dran, die auch für Nackenbeißer-Leser von Interesse sein dürfte und die ich hiermit besonders zur Lektüre motivieren möchte. Aber ein Buch für alle anderen, die einen stilistischen Könner lesen möchten, der zu Unrecht etwas im Hintergrund steht.


    4ratten


    Schöne Grüße,
    Thomas



    EDIT: Betreff angepasst. LG Seychella

    Einmal editiert, zuletzt von Seychella ()

  • Vielen Dank für deine ausführliche Rezension! Klingt so als könnte mir "Vetter Basilio" auch gefallen.

  • José Maria Eça de Queiroz
    Vetter Basilio (O primo Basílio, erschienen 1878)



    Der Autor
    José Maria Eça de Queiroz (1845 – 1900) zählt zu den bedeutendsten Schriftstellern Portugals. Er war zunächst Rechtsanwalt in Lissabon und später Konsul in Kuba, England und Frankreich. Eça nahm in seinen Werken Einflüsse der Romantik, des Realismus und des Naturalismus auf. Von Kritikern wurde er bald als „portugiesischer Zola“ bezeichnet. In seinen Werken widmet er sich mit bisweilen bissigem Sarkasmus der Kritik an der Gesellschaft, besonders dem ererbten oder finanziellen Adel, dem Klerus und der Politik, und prangert immer wieder die dort vorherrschende Doppelmoral an.


    Mit Vetter Basilio erlangte Eça Weltruhm.


    Inhalt
    Lissabon, im beginnenden Frühling des Jahres 18… Die junge Luiza, seit einigen Jahren glücklich mit einem gut situierten Beamten verheiratet, trifft überraschend ihre erste große Liebe wieder: ihren Vetter Basilio. Als Luizas Gatte in eine Provinz abberufen wird, zögert der lebenslustige Basilio nicht lange, die alte Leidenschaft wieder anzukurbeln. Luizas Hausmädchen Juliana, die nach höherem strebt, sieht ihre Chance gekommen, von dem Verhältnis zu profitieren, und bringt Luiza in eine prekäre Lage.


    Mein Eindruck
    Stilistisch ist das Buch teilweise fast modern geschrieben. Kurze Sätze und schnelle Dialoge gestalten die Handlung straff und streckenweise rasant. Lange Abschweifungen sind nicht zu finden, Eça beschränkt sich auf die Schilderung von Personen und Ereignissen, die tatsächlich eine Rolle spielen. Er beschreibt auch intime Szenen viel offener, als ich es von seinen Zeitgenossen kenne. Ausführliche Passagen kommen deshalb aber nicht zu kurz. Die Protagonisten werden lebendig gezeichnet und entwickeln sich wie die Handlung stetig weiter, so dass das Buch keine Minute langweilig wird.


    Im Mittelpunkt stehen Luiza und Juliana. Während Luiza ohne Sorgen und Verpflichtungen in den Tag hineinlebt, muss Juliana für ihren Lebensunterhalt arbeiten, und das unter Umständen, die ihr nicht gefallen. Aus eigener Kraft und mit ehrlichen Mitteln sieht sie keine Möglichkeit, ihrer Tretmühle zu entrinnen, daher ergreift sie die Gelegenheit beim Schopf, als sie dem Verhältnis ihrer Dienstherrin auf die Schliche kommt. Es entsteht ein temporeicher und Nerven zermürbender Psychokrieg, dessen Siegerin nicht absehbar ist.


    Luiza ist nicht fehlerfrei, ganz im Gegenteil, sie ist wankelmütig, unsicher und impulsiv. Ihre Naivität macht sie zu einem hilflosen Opfer der Umstände. Sie hasst die „geerbte“ Bedienstete aufs Äußerste und lässt sie das auch spüren – wahrscheinlich nicht unüblich zu dieser Zeit - doch gerade das macht sie menschlich und lebensnah. Die dreiste Juliana wird ebenfalls sehr realistisch dargestellt und macht sich mit ihrer Niederträchtigkeit leicht zur Zielscheibe der negativen Gefühle des Lesers. Die Männer in dieser Erzählung glänzen allesamt nicht besonders mit ihren Eigenschaften. Man möge mir nachsehen, dass ich sie nicht eingehender beschreibe (besser selbst lesen :smile:).


    Von einer „Satire auf die romantische Liebe“, wie das Buch unter anderem bezeichnet wird, konnte ich hier nicht viel spüren. Es ist eine Liebesgeschichte, die vom Streben nach Glück und Besitz erzählt, aber auch vom Verzeihen und Egoismus handelt, und mehr oder weniger frei von kitschigen Floskeln oder Spitzen jedweder Art ist. Für mich ein Buch, das einen tiefen Eindruck hinterlassen hat und mir deshalb


    5ratten wert ist.