John Fowles - Die Geliebte des französischen Leutnants

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    Charles, Hobby-Paläontologe und zukünftiger Erbe seines kinderlosen Landadel-Onkels hat sich entschlossen sein Junggesellenleben voller Reisen zu beenden und endlich zu heiraten. Er begleitet seine Verlobte Ernestina, Erbin eines Kaufhausmagnaten, zu ihrem allsommerlichen Besuch bei einer Tante im Küstendörfchen Lyme. Dort lebt auch Sarah, die Titelfigur, als Gesellschafterin bei einer älteren, selbstgefälligen Dame, die es als Buße ansieht, der gefallenen Sarah ein Auskommen zu ermöglichen. Es ist stadtbekannt, dass Sarah, als sie einen schiffbrüchigen, verletzten Franzosen pflegte, sich nicht den Konventionen entsprechend verhielt und ihm sogar ein Stück weit nachreiste als er das Dorf wieder verließ. Seitdem gilt sie als „gefallenes Mädchen“ und nähere Kontakte zu ihr werden von der Gesellschaft vermieden. Charles allerdings begegnet ihr mehrfach bei seinen Fossiliensammel-Wanderungen, schließlich vertraut sich Sarah ihm an und so gerät Charles immer tiefer in ihren Bann und beginnt seine Zukunftsplanung zu hinterfragen.


    Angelegt ist „Die Geliebte des französischen Leutnants“ als viktorianischer Gesellschaftsroman, das notwendige Personal entspricht den üblichen Gepflogenheiten und die Geschichte plätschert vor sich hin. Ein wenig erinnert sie an Jane Austen, zwar mit männlicher Hauptfigur, aber auch hier geht es um Konventionen, die eine Liebe und Ehe beeinflussen und auch hier gibt es diesen etwas amüsierten, leicht ironischen Unterton.


    Am besten sind allerdings die Stellen, wo der Autor von der Erzählung einen Schritt zurücktritt und dem Leser deutlich macht, dass er nur eine Geschichte liest. Ohne den Erzähler wäre es nur ein mittelmäßiger viktorianischer Roman, aber so macht der Autor einem immer wieder die gesellschaftliche Situation der damaligen Zeit deutlich und gestattet seinem Leser zwar ab und zu ein leises Amüsement, aber achtet durchaus darauf, seine Figuren nicht der Lächerlichkeit preiszugeben. Der Autor stellt jedem Kapitel ein oder mehrere Zitat voran, die größtenteils von Zeitgenossen des 1867 spielenden Buches stammen, aber aus verschiedensten Richtungen kommen, wie zum Beispiel Marx, Darwin oder Tennyson. Dadurch, aber auch durch den Kunstgriff sich hin und wieder direkt an den modernen Leser zu wenden um Unterschiede in der modernen und damaligen Betrachtungsweise aufzuzeigen, gewinnt das Buch ungemein. Ich mag es, wie er den roten Faden beiseite legt und ein paar Sätze oder Abschnitte später wieder aufnimmt. Dieses Buch darf man nicht so sehr um der Geschichte willen lesen, sondern sollte es tun, um sich an den Qualitäten des Autors zu erfreuen.


    4ratten