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Inhalt: Hier fangen meine ersten Probleme mit dieser Rezension schon an, weil sich das Buch kaum kurz nacherzählen läßt. In einer Vielzahl nur lose miteinander verbundener Episoden (teils auch völlig außerhalb der Handlung stehend) wird die Geschichte des abgesetzten Pfarrers Gösta Berling erzählt, der sich nach dieser Blamage eigentlich aus dem Leben verabschieden will, aber unter den Kavalieren auf Ekeby Zuflucht findet. Dies ist ein Haufen heruntergekommener Adliger und ehemaliger Offiziere, die dort von der (wegen des militärischen Rangs ihres Mannes) Majorin genannten Hausherrin ausgehalten werden. Die Episoden beleuchten nun rund ein Jahr, zu dessen Beginn die Majorin von ihrem Gut vertrieben wird und die Kavaliere die Verwaltung übernehmen. Da diese aber nur an Prasserei, Musik, Kartenspielen und anderen Vergnügungen interessiert sind, verkommt das Gut, aber durch das leichtfertige Verhalten dieser Kavaliere werden auch Nachbarn in Mitleidenschaft gezogen, zum Teil mit sehr tragischen Folgen. Allerdings sind diese Nachbarn auch nicht alle schuldlos an ihrem Schicksal, beileibe nicht. Da gibt es das Ehepaar Sinclaire, stolz auf die schöne Tochter Marianne, aber als der Vater den Eindruck hat, sie habe sich in Gösta verliebt und womöglich sogar die Absicht, sie zu heiraten, läßt er sie im Winter nachts vor Tür fast erfrieren. Erst später, nach überstandenen Pocken, die dem Mädchen die Schönheit genommen haben, kommt es zur Aussöhnung. Dann lebt dort Graf Henrik Dohna mit seiner jungen italienischen Frau Elisabeth, die durch eigene Dummheit und eine Intrige der Schwiegermutter zur Flucht aus dem Haus getrieben wird, später aber noch eine wichtige Rolle bei Göstas Bekehrung zum rechten Leben spielt. Außerdem gibt es den bösen Sintram, der Zwietracht und Unfrieden aus purem Vergnügen sät. Und so läßt sich die Reihe noch fortsetzen.
Meine Meinung: Anhand der oben genannten wie der weiteren auftretenden Personen lassen sich interessante psychologische Studien über menschliches Verhalten führen. Hier kommt keine(r) „normal“ daher, immer geht es um die ganz großen Gefühle: Liebe, Haß, Tod, Zerstörung – ja, viel Negatives in diesem schlimmen Jahr für Ekeby und Umgebung, trotz des versöhnlichen Endes. Allerdings wirkt das alles mit dem starken Gottvertrauen („es wird schon seinen Grund und Zweck haben“) auch recht anachronistisch, obwohl die dahinterstehenden Frage nach der Rolle bzw. der Aufgabe, die ein Mensch während seines Lebens auf der Erde hat und wahrnehmen sollte, ja nicht unbedingt an Aktualität verloren hat, nur weil sie heute in der Regel auf ganz andere Art beantwortet wird. Trotzdem hätte ich auf fast jeder Seite gerne jemanden aus dem Buch gezogen und ordentlich durchgeschüttelt, besonders die Frauen, die eigentlich die wirklich starken Figuren in diesem Roman sind.
Eine weitere Hauptrolle spielt definitiv die Landschaft, die Lagerlöf so wunderbar beschreibt, daß ich gleich den Wunsch hatte, hinzufahren und mich vor Ort umzusehen. Da es sich um eine bäuerisch-ländliche Gemeinschaft handelt, in der die Geschichte angesiedelt ist, ist die Prägung der Menschen durch die Landschaft auch nicht verblüffend. In diese Landschaft passen auch die phantastischen bzw. aus Märchen entlehnten Elemente, die Lagerlöf hier einstreut. Die Menschen glauben an die Waldfrau und andere Erscheinungen, damit sind sie auch real. Es gibt auch eine spürbare Differenz im Erzählton zwischen diesen Kapiteln und denen, die ohne diese Elemente auskommen. Erstere haben einen sehr poetischen Ton, letztere werden oft pathetisch.
Die sehr anekdotenhafte Reihung der Episoden, die zum Teil mit der Haupthandlung auch gar nichts mehr zu tun haben, hat mich allerdings schon einige Male aus der Erzählung gerissen. Bei manchen klärt sich im weiteren Verlauf, wie sie in diesen Strang einzuordnen sind, machen bleiben einfach separat. Außerdem würde ich gerne eine aktuellere Übersetzung lesen (die mir vorliegende Fassung ist nicht die oben verlinkte, sie muß von etwa 1930 sein), um den doppelten Filter des Zeitabstands einerseits zum Originaltext und anderseits zur Übersetzungszeit etwas auszugleichen. Grundsätzlich glaube ich nämlich schon, daß der Roman zeitlose Aussagen enthält, die unter diesen Schichten etwas verschüttet werden. Daher für die mir vorliegende Fassung „nur“:
Schönen Gruß,
Aldawen