György Dalos - Der Gottsucher

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    Inhalt: Budapest, drei Jahre nach dem gescheiterten Volksaufstand von 1956. Der Gymnasiast Gábor Kolozs ist kein Musterschüler: er schwänzt den Unterricht, gilt als Störenfried und fälscht sogar die väterliche Unterschrift. Doch dies soll sich ändern. Nach einer Schulfeier rückt Gábor nicht nur in den Fokus des katholischen Gesangslehrers Dr. Paulik sondern auch in den des kommunistischen Schuldirektors Ludasi. Der eine begibt sich mit dem Schüler auf die Suche nach Gott, der andere sieht in ihm ein Musterbeispiel für sozialistische Erziehungsmethoden. Schließlich befindet sich der Fünfzehnjährige mitten in einer ideologischen Diskussion der beiden Pädagogen.


    Meine Meinung: Auch wenn ich den Einstieg in das Buch eher schleppend fand, hat es mir insgesamt recht gut gefallen. Am kraftvollsten fand ich das Erzählte immer abseits der Diskussionen. Wenn Gábor sich Gedanken über seinen Vater macht, der Mauthausen überlebte und seitdem arbeitsunfähig ist. Wenn dem Leser Einblicke in den Alltag der verarmten jüdischen Familie gewährt werden. Oder wenn Gábor für sich darüber nachdenkt, dass er ein ernstes Wörtchen mit Gott zu reden hat. Die Gespräche mit den beiden Lehrern und auch die Geschehnisse an der Schule wirken dagegen konstruiert und vollgepackt, wenn auch lehrreich. Die Idee, den Schlagabtausch über Gábor führen zu lassen, gefällt mir dabei sehr gut, wenn sie nur nicht ganz so steif umgesezt worden wäre... Am Ende bleibt Mitleid mit Gábor, der zwischen Elternhaus, katholischem Gesangslehrer und kommunistischen Direktor keine Chance hat sich selbst zu finden.


    Außerdem hat mich das Buch zum Weiterlesen gebracht. Zu Dalos (dessen Vater 1945 an den Folgen des Arbeitslagers starb, der 1968 wegen „maoistischer Umtriebe“ verurteilt wurde, der ein Berufs- und teilweisen Publikationsverbots bekam und dem 2000 schließlich die persönliche Anerkennung des Präsidenten der Republik Ungarn verliehen wurde), zum ungarischen Volksaufstand und dem sowjetischen Pädagogen Makarenko.


    4ratten

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges

  • Im wesentlichen kann ich mich Breñas Einschätzung hier anschließen. Der stark konstruierte Charakter der Erzählung hat mich dabei am meisten gestört, weil es einfach zu offensichtlich war. Das betrifft nicht nur die Form der Diskussion zwischen den beiden Lehrern über Gábor (das hätte man ja im Prinzip auch einfacher haben können, aber so konnte jeder von beiden behaupten, mit dem anderen nicht gesprochen zu haben – angesichts der gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen kein ganz unwesentlicher Punkt), sondern vor allem auch die Tatsache, die Auseinandersetzung zwischen Katholizismus und Kommunismus über einen jüdischen Jungen zu führen, was den messianischen Charakter beider Richtungen besonders deutlich macht.


    Das Milieu, in dem sich die Geschichte bewegt, bleibt daher eher eine Randerscheinung, was ich sehr schade fand. Die ganze Konstellation hätte sich auch sehr gut zu einer psychologischen Studie geeignet, die der Autor aber leider in diesem Fall nicht schreiben wollte :zwinker: So bleiben ein paar Andeutungen über den ungarischen Volksaufstand, die Behandlung der „Konterrevolutionäre“, das nicht unbedingt versteckte, aber doch ignorierte jüdische Leben – allesamt gut genug für eigene längere Erzählungen, und zumindest ersterem hat sich Dalos wohl auch gewidmet, weshalb er definitiv auf meine Autorenbeobachtungsliste gewandert ist.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


    Schönen Gruß,
    Aldawen