Ethel Mannin - Der lebendige Lotos

  • Jenny Finching, die Tochter eines englischen Kolonialbeamten und einer jungen Birmanin, ist gerade fünf Jahre alt, als die Familie 1945 bei einem Fluchtversuch vor der japanischen Besatzungsmacht brutal auseinandergerissen wird. Bei der Überquerung eines Flusses ertrinken die Mutter und der kleine Bruder. Jenny wurde von der Strömung mitgerissen und nie gefunden, so dass der Vater schließlich alleine nach England zurückkehrt.


    Jenny ist jedoch nicht ertrunken, sondern wurde von dem jungen Birmanen, der das behelfsmäßige Floß übers Wasser bringen sollte, gerettet und lebt seitdem bei seiner Familie in einem beschaulichen, von Traditionen geprägten Dörfchen.


    Viele Jahre später kehrt Jennys Vater zurück, um noch einmal nach seiner Tochter zu suchen. Mittlerweile ist Jenny vierzehn, nach birmanischer Sitte bereits (glücklich) verheiratet und hat eigentlich nicht die Absicht, jemals ins Heimatland ihres Vaters zu gehen, obwohl sie sich tief im Innern manchmal immer noch nach ihrer Mutter sehnt, die sie die Überlieferungen des Landes und der buddhistischen Religion gelehrt hat. Doch der Vater gibt die Suche nicht auf und ebenso wenig die Hoffnung, das Mädchen zu finden und eine gesittete Dame der englischen Gesellschaft aus ihr zu machen …


    Dieser Roman aus dem Uralt-Fundus meiner Schwiegereltern hat mir überraschend gut gefallen. Von Ethel Mannin hatte ich noch nie etwas gehört – sie war eine englische Reiseschriftstellerin, die Mitte des 20. Jahrhunderts sogar ziemlich viele Romane veröffentlicht hat.


    Die Gegenüberstellung der steifen englischen Gesellschaft und der modernen Annehmlichkeiten des Westens mit den uralten Traditionen Birmas, dem Aberglauben und dem schlichten Leben im Dörfchen am Fluss fand ich recht gelungen, ohne dass auf allzu viele Klischees zurückgegriffen wird.


    Der Übersetzung merkt man allerdings an, dass sie Anfang der 60er Jahre entstanden ist, an vielen Stellen wirkt sie aus heutiger Sicht recht betulich. Dem Lesefluss tut das aber insgesamt keinen Abbruch. Anfangs waren mir die Figuren allesamt ein wenig fern, was sich mit der Zeit aber gab. Sehr schön die Schilderungen der Heiligtümer und Schreine und auch der Natur. Die Charakterzeichnung ist im allgemeinen ein wenig holzschnittartig, die wichtigsten Protagonisten verfügen aber durchaus über Entwicklungsfähigkeit.


    Insgesamt sicher keine ganz große Literatur, aber eine nette Familiengeschichte mit einem kräftigen Schuss Exotik.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


    Da das Buch bereits 1961 erschienen ist und keine aktuelle Ausgabe mehr gedruckt wird, gibt es kein Bild bei amazon, das über den Button angezeigt werden kann. Unter diesem Link kann man sich jedoch ein Foto von dem hübsch gestalteten Einband angucken ;)

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen