Moses Isegawa – Abessinische Chronik

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    (deutsche bzw. englische Ausgabe)


    Inhalt: Mugezi, Anfang der 1960er Jahre im ländlichen Uganda in der Nähe der Hauptstadt Kampala geboren, erzählt seine Geschichte und die seiner Familie. Der Vater, Serenity, hat eine ganze Reihe Macken und interessiert sich nicht besonders für seine Kinder. Die Mutter, Padlock, führt als fanatische Katholikin ein strenges Regiment über ihre Kinder (ein Erbe ihrer Klosterzeit), neigt aber zu völlig unkontrollierten Gewaltausbrüchen, unter denen vor allem Mugezi als der Älteste leidet. Dies ist für ihn zusätzlich schwer, weil er anfänglich bei den Großeltern väterlicherseits aufgewachsen ist, während die Eltern versuchten, sich in der Stadt zu etablieren, und dort einen ganz anderen Umgang miteinander kennengelernt hat. Padlock setzt sich auch durch, als es um die Schule geht, und so kommt Mugezi ins Priesterseminar, obwohl sein Großvater doch wollte, daß er Anwalt würde. Die Strukturen des Seminars sind geprägt von Autorität, Hierarchie und Gewalt, aber Mugezi weiß sich zu wehren. Die Schulferien verbringt er bei einer Tante mütterlicherseits, die sich im Widerstand gegen Idi Amin engagiert, wodurch der Junge ganz neue Einblicke erhält, die an seinem früheren Bild des Diktators mehr als nur kratzen. Durch die zweite Regierungszeit Obotes und den Guerillakrieg sowie die folgende Neuordnung des Landes windet sich Mugezi durch, immer einen Blick auf die Verhältnisse in der eigenen Familie und einen auf die Geschehnisse im Land – bis sich die Chance eröffnet, das Land Richtung Amsterdam zu verlassen.



    Meine Meinung: Eine Bewertung fällt mir hier ein bißchen schwer. Soweit es die ugandische Zeitgeschichte angeht, finde ich den Roman, der autobiographische Züge trägt, sehr gelungen, auch wenn es für jemanden, der sich mit den Ereignissen noch nie beschäftigt hat, vielleicht doch an einigen Stellen unklar oder verwirrend sein kann. Vor der Lektüre war ich davon ausgegangen, daß die Zeit Idi Amins einen größeren Anteil haben würde, aber letztlich paßt es so gut zum erzählten Alter Mugezis und angesichts der folgenden Ereignisse im Land wäre es sonst vielleicht auch zu gewaltsam geworden, um noch als literarisches Werk durchzugehen, schließlich ist es keine historische Abhandlung und auch kein Bericht der International Crisis Group über ein Bürgerkriegsgebiet.


    Die Familie nimmt einen großen Raum ein, bei der Vielzahl an Verwandten nicht erstaunlich, auch wenn natürlich nicht alle Familienmitglieder gleichermaßen ausführlich berücksichtigt werden. Während man über die Eltern, die Mutter im besonderen, eigentlich nur den Kopf schütteln kann, sind die Großeltern und die Guerilla-Tante ausgesprochen herzerwärmend. Bemerkenswert übrigens, daß zwar alle Verwandten mit Namen (und wenn es „nur“ ein Spitzname ist) auftauchen, aber kein einziger der Geschwister. Insgesamt sind es schon eine Menge Schicksalsschläge, die die Familie treffen: Vergewaltigungen, gewaltsamer Tod, AIDS, die ganze Palette. Man kann der Ansicht sein, daß es weniger auch getan hätte, nur: Man wird sicher ohne größere Probleme und langes Suchen Familien finden können, auf die das so zutrifft, daher finde ich es völlig legitim. Lediglich ein, zwei Tode waren derart symbolbehaftet, daß ich es etwas übertrieben fand.


    Das größte Manko ist die Erzählperspektive, wobei sich dies nicht in allen Abschnitten gleichermaßen bemerkbar macht. Mugezi weiß und berichtet vieles, was er als Ich-Erzähler eigentlich gar nicht wissen kann. Und speziell wo es um das Alter von ungefähr acht oder zehn bis etwa vierzehn geht, oszilliert das ganze zwischen einer recht kindlichen, unreflektierten Perspektive passend zum erzählten Alter und einer solchen, die nur rückblickend mit Anreicherung bis dahin gewonnener Erfahrungen erklärlich ist. Insgesamt wäre eine konsequentere Einnahme einer Erzählposition, welcher auch immer, angenehmer gewesen. Da dies aber nur ungefähr ein Drittel des Romans in nennenswerter Form betrifft, kann ich darüber hinwegsehen.


    Ein Wort noch zum Titel, der im Englischen doppeldeutig Abyssinian Chronicles lautet und unpassend ausgerechnet mit Abessinischer Chronik übersetzt wurde. Mit Abessinien, dem äthiopischen Hochland, hat dieses Buch nämlich schlicht gar nichts zu tun, wohl aber mit den abyssischen Zuständen im Land. Ein wundervolles Beispiel für verlorengegangene humanistische Bildung, die den Begriff des ábyssos (griech., Abgrund, Unterwelt) vermutlich noch gekannt hätte :rollen:


    4ratten


    Schönen Gruß,
    Aldawen

    Einmal editiert, zuletzt von Aldawen ()

  • Auch mein zweiter Versuch mit diesem Buch ist leider gescheitert. Beim ersten Mal waren es nur ein paar Seiten, diesmal bin ich bis zum Ende des ersten Teils gekommen (und habe dafür 8 Tage gebraucht :rollen:). Zwei Gründe gibt es für den Abbruch. Erstens wurde ich mit dem Schreibstil einfach nicht so recht warm. Und zweitens (und vor allem) störte mich die Erzählperspektive. Aldawen hat das in ihrer Rezension schon schön erklärt, genau das meine ich. Und leider hat mich das Buch nun mal nicht so sehr gefesselt, als dass ich die Geduld aufbrächte, auf Besserung zu hoffen und mich weiter durchzuackern.
    Es gibt eben Bücher und Leser die miteinander nicht können :zwinker: Ich hoffe, dass das Buch einen neuen Besitzer findet der mehr Freude daran hat als ich.

    "Man hat in der Welt nicht viel mehr, als die Wahl zwischen Einsamkeit und Gemeinheit." A. Schopenhauer

    :blume::engel::katze: