Kaufen* bei
Amazon
Bücher.de
Buch24.de
* Werbe/Affiliate-Links
Inhalt: Raj, am Ende seines Lebens stehend, will noch eine Geschichte erzählen, seine Geschichte. Und die Geschichte von David, mit dem er im Sommer 1945 einige glückliche Tage verbrachte, und der nun schon seit 60 Jahren auf dem jüdischen Friedhof ruht.
Im Norden von Mauritius lebte Raj als Kind mit seinen Eltern und seinen beiden Brüdern inmitten der Zuckerrohrfelder, ein ärmliches, mühseliges Leben, aber die Kinder halten zusammen und haben trotzdem Spaß und ihre Freiräume. Der gewalttätige Vater prügelt regelmäßig die Mutter und den ältesten Sohn, der sich für seine beiden Brüder opfert. Bei einem heftigen Unwetter werden die drei Jungen, die zum Wasserholen unterwegs waren, voneinander getrennt, der jüngste Bruder wird später tot aufgefunden, von dem ältesten fehlt jede Spur. Raj hat das Gefühl, als machte sein Vater ihm Vorwürfe, daß ausgerechnet er als der schwächlichste überlebt hat. Die Familie zieht um, weil der Vater andernorts einen Job als Gefängniswärter bekommt. Raj sucht sich einen Beobachtungsposten am Gefängnis, und dort sieht er das erste Mal David, einen Jungen in seinem Alter. Die beiden lernen sich besser kennen, als Raj nach einer Prügelattacke seines Vaters im Gefängniskrankenhaus liegt. Aus dem Krankenhaus entlassen, kehrt Raj jeden Tag zum Gefängnis zurück, um David wiederzusehen, lange ohne Erfolg. Nach einem Zyklon, der eine Schneise der Verwüstung über die Insel gezogen hat, flüchtet David aus dem Gefängnis und verbringt einige Tage in der Gesellschaft von Raj. Aber David wird schon gesucht ...
Meine Meinung: Appanah hat hier eine sehr anrührende Geschichte geschrieben, die mich am Ende auch durchaus hat schlucken lassen. Die Deportation von rund 1500 Juden nach Mauritius durch die Briten während des Zweiten Weltkrieges war mir bislang nicht bekannt, hat aber in dieser Form tatsächlich stattgefunden: Jüdisches Exil auf Mauritius. Tatsächlich bezog die Geschichte ihre Tragik zwar auch, aber nicht nur und meines Erachtens auch vergleichsweise wenig aus diesen konkreten Umständen, denn über David und die Ereignisse, die ihn nach Mauritius gebracht haben, erfährt man als Leser erst spät und recht wenig aus der Erzählung. Raj ist schließlich zum Zeitpunkt der Geschichte selbst noch ein Kind von neun oder zehn Jahren, das über den Krieg und alles, was damit zusammenhängt, nichts weiß.
Viel wichtiger ist das innerfamiliäre Konfliktpotential in Rajs Familie: der gewalttätige Vater, der besonders unter Alkoholeinfluß unzurechnungsfähig ist, die zurückhaltende Mutter, die sich unter ihrem Mann duckt und versucht, die Folgen seiner Ausraster so gut wie möglich zu kurieren, und Raj, der nach dem Tod der Brüder das Gefühl hat, sein Vater mache ihm Vorwürfe, daß ausgerechnet er als der schwächlichste der drei überlebt hat. Die Einsamkeit, in die Raj dadurch getrieben wird, macht ihn vor allem anderen empfänglich für die Freundschaft mit David: ein Ersatz für die verlorenen Brüder, der als eigenständige Person für den Jungen gar nicht so wichtig ist.
Erzählt wird das Ganze in einer schlichten (nicht simplen) Form, den Erinnerungen des Kindes angemessen, aber immer wieder unterbrochen von der Gegenwartssicht Rajs. Er legt sich dann auch Rechenschaft über die Fehler ab, die er als Kind in diesem Zusammenhang gemacht hat, vielleicht auch einfach machen mußte, und zeigt die Vorwürfe und Gewissensbisse, die ihn plagen, seit er die Zusammenhänge zunehmend durchschaut hat. Gerade weil aber klar ist, auf welches Ende die Ereignisse unweigerlich und ohne Beeinflussungsmöglichkeit durch die Jungen hinlaufen, durchzieht das ganze Buch von Beginn an eine spürbare Melancholie, die sich zum Ende fast zur Tragik steigert.
Schönen Gruß,
Aldawen