Czesław Miłosz – Tal der Issa

Es gibt 8 Antworten in diesem Thema, welches 3.571 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Aldawen.

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    Inhalt: In den Jahren um bzw. nach dem Ersten Weltkrieg wächst der kleine Thomas bei seinen Großeltern auf. Das Herrenhaus liegt im Tal der Issa im polnisch-litauischen Grenzgebiet, inmitten von dichten Wäldern. Hier scheint die Zeit noch stehengeblieben, das Leben geht vergleichsweise ruhig vonstatten, Glaube und Aberglaube haben noch ihren Platz im täglichen Lauf. Über die Jahre wandeln sich Thomas' Interessen natürlich, besondere Begeisterung bringt er der Jagd entgegen, die ihm aber auch die größten Enttäuschungen bereitet. Und immer ist die Rede davon, daß die Mutter kommen wird, um ihn nach Polen und in die Stadt zu holen, was durch die geschlossene Grenze nicht wahrscheinlicher wird.



    Meine Meinung: Wirklich passieren im Sinne einer erzählbaren Handlung tut in diesem Roman schlicht nichts. Es gibt zwar einen recht festen Kreis von Personen, die im Herrenhaus, im Dorf, in der Nähe leben, aber ihren Begegnungen liegt keine Richtung auf ein – für mich erkennbares – erzählerisches Ziel zugrunde. Als Leser betrachtet man schlicht das Alltagsleben in und um Ginie. Das ist ungefähr genauso spannend wie meinen eigenen Nachbarn zuzusehen, nämlich gar nicht. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß es sich um eine von heutigem Standpunkt wohl als nahezu untergegangen zu betrachtende, ländliche Welt handelt.


    Nun könnte es durchaus sein, daß eine solche irgendwie zielgerichtete Handlung auch gar nicht Miłosz' Absicht war, sondern der Prozeß des Erwachsen(er)-Werdens von Thomas. Dagegen wäre gar nichts zu sagen, nur lagen dafür Thomas' Gedanken, Gefühle und Motivationen zu sehr im Dunkeln. In einzelnen Szenen reflektiert der Junge seine eigenen Handlungen und läßt der Erzähler den Leser daran teilhaben, aber für eine konsequente Verfolgung des Entwicklungsprozesses war dies einfach zu wenig. Es machte sich an einzelnen Schlaglichtern fest, die – das allerdings war bemerkenswert – meist mit dem Tod zu tun hatten.


    Daß weder eine äußere noch eine innere Handlung für diesen Roman bestimmend sein können, wird auch deutlich, wenn man das Verhältnis von menschlicher Aktion zu Landschaftsbeschreibung betrachtet, denn letztere macht mindestens ein Drittel aus. Sie ist ausgeprochen stimmungsvoll gelungen, aber mir war es dann doch ein bißchen zu viel. Ich muß nicht jeden Baum am Flußufer und jeden Vogel in seinen Zweigen mit Vornamen kennen. So bleibt für mich als abschließendes Gefühl im wesentlich eine, teilweise schön erzählte, Langeweile.


    2ratten


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Das sollte nicht allzu sehr verwundern - auch zu Deiner Rezension : Milosz ist in erster Linie Lyriker...... Und dementsprechend wird auch seine Prosa ausfallen.



    Und wieder mal ein Literaturnobelpreisträger, für den ich Breña nicht viele Hoffnungen machen kann :breitgrins:


  • Das sollte nicht allzu sehr verwundern - auch zu Deiner Rezension : Milosz ist in erster Linie Lyriker...... Und dementsprechend wird auch seine Prosa ausfallen.


    Dann hätte er eben besser die Finger von Romanen gelassen :zwinker: Wäre ich darauf eingestellt gewesen, im wesentlichen keinen Roman, sondern ein Landschaftsporträt zu bekommen, dann hätte es mir vermutlich auch um einiges besser gefallen, denn diese Teile sind gelungen. Aber da paßten Erwartungshaltung und Inhalt einfach überhaupt nicht zusammen – schlechte Ausgangslage. Dafür hat er sich aber sogar noch gut geschlagen :breitgrins:

  • Das sehe ich anders. Erstens ist die Festlegung auf ein Genre für viele Autoren / Dichter eine zu starke - und einseitige - Festlegung, zum anderen gibt es eine Daseinsberechtigung auch für den lyrisch gestalteten Roman, sodaß das wohl eher ein Problem der vorher aufgebauten Erwartungen ist. Spätestens ab der Mitte des 18. Jahrhunderts verschwindet die ausschließliche Fixierung auf die Handlung.


    Roman


  • Das sehe ich anders. Erstens ist die Festlegung auf ein Genre für viele Autoren / Dichter eine zu starke - und einseitige - Festlegung,


    Ich will ja auch keinem verbieten, sich in anderen Gattungen zu versuchen. Aber dann darf ich – für mich; schließlich reden wir hier (auch) über Geschmacksfragen – auch feststellen, daß sie besser bei ihrem Leisten geblieben wären.



    zum anderen gibt es eine Daseinsberechtigung auch für den lyrisch gestalteten Roman, sodaß das wohl eher ein Problem der vorher aufgebauten Erwartungen ist. Spätestens ab der Mitte des 18. Jahrhunderts verschwindet die ausschließliche Fixierung auf die Handlung.


    Ich kann damit leben, daß ein Roman kaum Handlung aufweist, wenn ich so etwas haben will, dann gibt es genügend Bücher in meinen Regalen, wo ich von Action förmlich überrollt werde. Wie gesagt, wäre es ein „richtiger“ Coming-of-age-Roman gewesen, hätte ich da auch sehr gut mit leben können, aber das war es ja auch nicht. Daß es eine Diskrepanz zu meiner Erwartungshaltung gab, habe ich ja schon zugestanden.


    Und außerdem hänge ich das jetzt mal in den Thread zum Buch, da paßt es nämlich viel besser hin, weil es in meinem Listenthread ja kein Mensch sucht, der über Miłosz nachlesen will :zwinker:

    Einmal editiert, zuletzt von Aldawen ()

  • Du darfst darauf bestehen, daß Du das nicht magst, sogar darauf, daß Du das Buch für mißlungen hältst, aber Ratschläge, was ein Autor besser schriebe oder lieber ließe, finde ich schlicht unangemessen. Ich werde mir das Buch mal umgehend bestellen. Mich hast Du nämlich erst recht neugierig gemacht. ;)


    Ich will ja auch keinem verbieten, sich in anderen Gattungen zu versuchen. Aber dann darf ich – für mich; schließlich reden wir hier (auch) über Geschmacksfragen – auch feststellen, daß sie besser bei ihrem Leisten geblieben wären.



    Und außerdem hänge ich das jetzt mal in den Thread zum Buch, da paßt es nämlich viel besser hin, weil es in meinem Listenthread ja kein Mensch sucht, der über Miłosz nachlesen will :zwinker:


  • Ich werde mir das Buch mal umgehend bestellen. Mich hast Du nämlich erst recht neugierig gemacht. ;)


    Dann ist der Hauptzweck ja irgendwie doch erfüllt :breitgrins:

  • Jau, Du gehörst auf jeden Fall zu den mich inspirierenden Forenteilnehmern. Und das ist positiv gemeint.... ;) LG tinius


  • Jau, Du gehörst auf jeden Fall zu den mich inspirierenden Forenteilnehmern. Und das ist positiv gemeint.... ;) LG tinius


    So hätte ich es auch vestanden, und es beruht dann ja auch durchaus auf Gegenseitigkeit :zwinker: