Seamus Heaney – Norden. Gedichte englisch und deutsch

Es gibt 1 Antwort in diesem Thema, welches 2.588 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Breña.

  • Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    In zwei größeren Abschnitten bearbeitet Heaney historische Epochen des irischen Nordens. Im ersten Teil geht er dabei bis in die Eisenzeit (ungefähr) zurück und läßt späterhin auch die Wikinger nicht aus. Der zweite Teil betrifft eher das moderne Nordirland. Inhaltlich bin ich nur mäßig überzeugt, vor allem im ersten Teil war mir zu viel die Rede von eingeschlagenen Schädeln, gebleichten Knochen und Moorleichen. Die Gedichte des zweiten Teils waren da schon besser, thematisieren sie doch mehr als einmal die subtileren und offensichtlicheren Demütigungen, denen sich die Katholiken in Ulster ausgesetzt sahen – vielleicht auch noch sehen, da fehlt mir die genauere Einsicht in die heutigen Zustände, dieser Gedichtband ist schließlich bereits 1975 erschienen, also immerhin in der Kernzeit der „troubles“.


    Sehr froh war ich allerdings über diese zweisprachige Ausgabe, nicht nur, weil es mir ein Wörterbuch ersparte, um ab und an englische Begriffe einzuordnen, sondern vor allem wegen Heaneys Sprache. Nicht durchgängig alle Gedichte, aber doch ein beträchtlicher Teil waren ausgesprochen rhythmisch, besonders jene mit sehr kurzen Zeilen. Und sie leben definitiv von grollenden Konsonanten, was besonders zu Wikingerüberfällen und ähnlichem sehr gut paßt. Da sieht man die Drachenschiffe förmlich am Horizont auftauchen ...


    3ratten


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Mit Lyrik habe ich bekanntermaßen meine Schwierigkeiten, aber Heaney liest sich dank seiner kraftvollen, bildreichen Sprache sehr angenehm. Im Nachwort wird folgender Ausspruch von ihm zitiert: "Das Geheimnis, ein Dichter zu sein, irischer oder irgendein anderer, liegt in der Freisetzung der Energien der Wörter." Was zuerst wie ein schwer greifbarer, esoterisch anmutender Rat klingt, trifft absolut zu auf Heaneys Gedichte. Vor dem inneren Auge entstehen tatsächlich irische Moorlandschaften oder Küsten. Anders als Aldawen gefielen mir die Gedichte, die sich direkt mit den Konflikten befassen, weniger gut, weil ihnen dieses urtümlich-kraftvolle zu fehlen scheint. Heaney rutscht ins Erzählende ab und platziert seine Kritik etwas zu plakativ, worunter seine Bilder leiden.


    Die deutsche Übersetzung von Richard Pietraß finde ich leider nicht besonders gelungen, dennoch bin ich ebenfalls froh über die zweisprachige Ausgabe, da sich Heaney manchmal stark an altertümlichen Begriffen bedient. Allerdings schaffte Pietraß es nicht, den starken Rhythmus ins Deutsche zu übertragen und hatte offenbar auch Schwierigkeiten mit den zahlreichen doppeldeutigen Begriffen, die Heaney gerne verwendet. Ebenso war er sehr kreativ, was die Neuschöpfung von Worten durch Zusammenschlüsse anbelangt, was bei ihm auch sehr gut funktioniert, in der Übersetzung aber oft für Verwirrung sorgt.


    3ratten


    Viele Grüße
    Breña

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges