(4) Vom römischen Standpunkt aus war der Verlust von drei Legionen zwar eine demütigende Niederlage, letztlich aber nur eine Episode des dreißigjährigen Kriegsverlaufs in den germanischen Stammesgebieten.
Und entsprechend schnell vergessen.
Aber so schnell nun auch wieder nicht - immerhin wurde noch rund hundert Jahre später darüber geschrieben?
Hundert Jahre später hat man in Rom das Thema wiederentdeckt. In der Zwischenzeit wurde jedoch sehr wenig zur Varusschlacht gesagt, weil die Erinnerung offensichtlich durch die nachfolgenden, viel dramatischeren Ereignisse der Germanicusfeldzüge übertüncht worden ist. Vielleicht wurde erst wieder Tacitus darauf aufmerksam, als er hörte, dass Arminius bei den Germanen immer noch besungen werde, und der Sache auf den Grund ging.
Was für Bücher sind denn das, wenn man mal fragen darf?
Da wäre vor allem das Sachbuch "Die Römer an Rhein und Main" zu nennen, an dem drei Autoren beteiligt waren; darin habe ich diese These erstmals aufgestellt, und bisher ist ihr nicht widersprochen worden. Im Roman "Corpus Sacrum" habe ich sie weiterverarbeitet.
Um die Grenzen zu schützen, hätte doch eine Verteidigungsanlage wie der Limes genügt, der später tatsächlich gebaut wurde. Also ging es wohl wirklich vorwiegend darum, Soldaten und Sklaven zu bekommen, da das Gebiet ja ansonsten nicht sehr ertragreich war?
Der Limes war keine militärische Verteidigungsanlage, sondern eher ein Schutzwall gegen illegale Einwanderung. Dr. Klee vom Hessischen Landesmuseum vergleicht ihn gerne mit der US/mexikanischen Grenzbefestigung. Die gescheiterte Eroberung geht wohl eher auf einen grundlegenden politischen Irrtum zurück: Man stellte sich Germanien anfangs als ein zweites Gallien vor, das sich den Römern bereits halbwegs zivilisiert präsentierte und daher relativ leicht zu integrieren war. Das war eben nicht so; aber als man den Unterschied bemerkte, war es schon schwierig geworden, die Strategie ohne Gesichtsverlust zu ändern. Neuerdings scheint es ja sogar so, als hätten die Römer den politischen Anspruch auf die Germania Magna gar nicht wirklich aufgegeben, sondern sich lediglich mit einer "begrenzten Souveränität" begnügt wie im Ostblock. Die Flavierkaiser könnten sogar eine Idee verfolgt haben, den Limes allmählich stückweise bis an die Elbe vorzuschieben und dabei die erforderliche Infrastruktur langsam nachzuziehen. In seinem heute bekannten Verlauf wurde er ja (mit ein paar späteren Änderungen) erst von Trajan festgelegt.