[Algerien] Yasmina Khadra - Die Schuld des Tages an die Nacht

Es gibt 7 Antworten in diesem Thema, welches 2.533 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Muertia.

  • Yasmina Khadra - Die Schuld des Tages an die Nacht


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    Der arabische Junge Younes wächst im Algerien der 20er Jahre in ärmlichen Verhältnissen auf. Als sein Vater keinen anderen Ausweg mehr sieht, bringt er ihn zu seinem wohlhabenden Onkel. Man begleitet Younes, dessen Name im Laufe der Jahre zu Jonas abgeändert wird, auf seinem Lebensweg, lernt seine Freunde und später auch seine große Liebe kennen und gleichzeitig erfährt man, wie Algerien sich über diese Zeit verändert hat.


    Das Buch hat wirklich sehr interessant und stark begonnen, um dann immer mehr nachzulassen. Die erste Hälfte hat mir noch sehr gut gefallen, man sieht den kleinen Younes aufwachsen, liest, wie er sich in der großen Stadt Oran zurecht findet, nachdem er die ersten Jahre seines Lebens auf dem Land gewohnt hat, fühlt mit ihm, als er alles Vertraute hinter ihm lässt und in ein neues Leben aufbricht und erfährt nebenbei auch immer wieder interessante Dinge über Algerien. Auch spürt man die Gegensätze, zwischen denen Younes als Araber unter Europäern feststeckt.


    Leider verkommt die Geschichte in der zweiten Teil immer mehr zu einer uninteressanten, langweiligen Liebesgeschichte. Das politische und gesellschaftliche Geschehen in Algerien tritt immer mehr in den Hintergrund, obwohl das alles viel interessanter wäre, als die eigentliche Handlung des Buches. Zusätzlich wird das Verhalten der Hauptperson immer unerträglicher. Younes/Jonas bleibt während seines ganzen Lebens passiv, nie greift er aktiv in das Geschehen ein, immer lässt er sich nur treiben und alles mit sich geschehen, ohne jemals Widerspruch zu leisten oder sein Leben selbst in die Hand zu nehmen. Dieser Charakterzug ist nur schwer nachzuvollziehen und auch kaum zu ertragen.


    Auch sprachlich konnte mich das Buch nicht überzeugen, was allerdings auch an der Übersetzung aus dem Französischen liegen könnte. Die Sprache wechselt zwischen stark umgangssprachlichen Begriffen zu übertriebener Hochgestochenheit innerhalb weniger Sätze, außerdem wird nicht klar, warum einige Begriffe oder gar ganze Sätze kursiv gesetzt sind. Ein Glossar, der fremde Begriffe erklärt, wäre hilfreich gewesen, fehlt hier aber.


    Insgesamt muss ich leider sagen, dass das Buch in der zweiten Hälfte nicht hält, was die erste Hälfte versprochen hat.
    3ratten

    ~~better to be hated for who you are, than loved for who you&WCF_AMPERSAND're not~~<br /><br />www.literaturschaf.de

  • Inhalt: Younes ist ungefähr zehn, als die Familie nach einer durch Feuer vernichteten Ernte den heimischen Boden endgültig verlassen muß und nach Oran zieht, in den 1930er Jahren erfüllt von buntem Treiben, mit heruntergekommenen Vierteln der Armen, vor allem der Araber, und prächtigen Häusern, vor allem der Europäer. Zwar lebt der Bruder des Vaters in der Stadt, aber Issa will von ihm keine Hilfe annehmen, sein Stolz verlangt, daß er seine Familie selbst ernährt und sich allein wieder hochkämpft. Das ist angesichts der vielen Arbeitssuchenden der Stadt nicht ganz einfach, aber irgendwie schafft Issa sogar einen bescheidenen „Wohlstand“. Diesen will er in ein Geschäft investieren, aber er wird betrogen, ausgeraubt und verprügelt. Nachdem er seine Rache am Täter genommen hat, bringt er Younes zu seinem Bruder Mahi und verschwindet, Frau und Tochter bleiben allein zurück.


    Mahi, Apotheker und mit einer Chistin verheiratet, freut sich wie seine Frau Germaine sehr über den unverhofften Sohn. Sie überschütten Younes mit ihrer Liebe und der Junge gewöhnt sich schnell an das sehr viel komfortablere Leben. Mahi ist ein Intellektueller, unterstützt die Ideen einer algerischen Unabhängigkeit, wenn auch auf einer sehr abstrakten Ebene. Trotzdem wird er eines Tages verhaftet, aus dem Gefängnis zurückgekehrt ist er nicht mehr der Mann, den Germaine und Younes kannten. Um der dauernden Beobachtung in Oran zu entgehen, zieht man nach Río Salado. Younes hat einige Schwierigkeiten dort Freunde zu finden, aber schließlich landet er in einer Gruppe junger Leute, die für die kommenden Jahre seine Begleiter in dem trägen Leben werden, das man in Río Salado führt. Bis zunächst eine junge Frau namens Émilie und dann der Unabhängigskrieg auch diesen Ort erschüttern.



    Meine Meinung: War der erste Teil bis zum Umzug nach Río Salado noch interessant und ließ einiges für das weitere Geschehen und Younes' Rolle darin erhoffen, so verflachte die Erzählung von da ab zusehends und in raschem Tempo. Daher läßt sich leider nur von einem guten ersten Viertel sprechen.


    Younes ist ein furchtbar passiver Charakter, der durch sein Leben getrieben wird, keine eigenen Entscheidungen trifft, sondern sich von jedem X-beliebigen seine Handlungen vorschreiben läßt. Kein Wunder, daß unter solchen Umständen auch die „große Liebe seines Lebens“ keine Erfüllung finden kann. Allerdings liegt das nicht daran, daß er und sie aus verschiedenen Welten kommen, wie z. B. der Klappentext suggeriert. Im Gegenteil könnte diese ausgesprochen banale Liebesgeschichte auch in einem deutschen Provinznest genauso passieren, einzig die wenigen Eingriffe des Krieges in Younes' Leben wären in Hintertupfingen wohl nicht zu erwarten. Aber da Younes sich nicht besonders für diese Kriegsaktionen interessiert und auch daran nicht aktiv teilnimmt, ist der Einfluß auf sein Leben eher gering.


    Auch die anderen jungen Männer aus seiner Clique sind nicht viel interessanter, egal welcher Konfession und/oder sozialen Schicht sie angehören. Es gibt eine Reihe Animositäten, die sich bis zu regelrechtem Haß steigern, aber beim Wiedersehen als alte Männer Jahrzehnte später verfällt man in Friede-Freude-Eierkuchen-Stimmung. Alle Unstimmigkeiten sind wie weggeblasen. So plätschert die Story vor sich hin und erschöpft sich in Belanglosigkeiten, von denen man sich als Leser fragt, warum man das eigentlich lesen soll. Das wäre vielleicht noch zu ertragen, wenn es in sprachlich herausragender Form erzählt wäre, was aber leider auch nicht der Fall ist. Nein, entgegen der Anpreisungen in Klappentext und Blurbs: Dies ist weder ein großes Epos noch großartige Literatur und auch keine erschütternde Zeitgeschichte, sondern einfach ein langweiliger Roman. Mit viel gutem Willen und im wesentlichen für das erste Viertel gibt es dafür


    1ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


    Schönen Gruß,
    Aldawen

    Einmal editiert, zuletzt von Aldawen ()

  • Möglicherweise hatte ich zu hohe Erwartungen an dieses Buch, jedenfalls bin ich ziemlich enttäuscht worden. Nach einem guten Beginn hatte ich ziemlich zu kämpfen, das Buch überhaupt zu beenden, die letzten hundert Seiten habe ich nur noch quergelesen, erst das Ende dann wieder normal.


    Khadra erzählt auf über vierhundert Seiten die Geschichte eines Jungen, der in den 30er Jahren in Algerien aufwächst. Nachdem die Familie aufgrund eines Schicksalsschlages ihr Land verpfänden muss, wechselt Younes mit dem Umzug in die Stadt die Welten. Da es dem Vater nicht gelingt, die Familie aus den ärmlichen Verhältnissen zu holen, wächst Younes schließlich als Jonas im europäischen Viertel der Stadt bei seinem Onkel und dessen Frau auf.


    Bis zu diesem Punkt haben mich Geschichte und Younes´ Schicksal in ihren Bann gezogen und das Buch las sich kurzweilig, Khadras Sprache tat ihr übriges. Doch dann verkommt das Buch für meinen Geschmack zu sehr zu einer Geschichte einer Freundschaft von vier Jungs und einer unglücklichen Liebe. Zudem war die Erzählung eine Zeit lang sehr sprunghaft, mir hat die zeitliche Orientierung gefehlt, es tauchten erst gegen Ende wieder Jahreszahlen und Daten auf. Ich hätte mir mehr Einbezug und Informationen der politischen Hintergründe gewünscht, aus der Freundschaft der unterschiedlichen Jungs hätte man mehr rausholen können. Im Verlauf des Buches wurde Jonas durch seine passiv-phlegmatische Art und Weigerung für bestimmte Dinge einzustehen (und sei es nur für seine Liebe) zunehmend unsympathischer. Schließlich dieses "alles wird irgendwie gut"-Ende


    - ein paar Spannungen hätten auch ruhig bestehen bleiben können.


    Mein Fazit: Möglicherweise eine gute Roman-Idee, die Umsetzung hat mich nicht vom Hocker gehauen.
    1ratten

  • Hallo ihr Lieben,


    ich finde eure Meinungen sehr interessant. In der neuen "Bücher" wird "Die Schuld des Tages an die Nacht" hochgelobt. Da sieht man mal wieder, wie manche Kritiken am Leser vorbeigehen.


    Liebe Grüße
    nimue

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Ich kann mich eigentlich nur der allgemeinen Meinung anschließen: es begann wirklich sehr gut und ließ dann stark nach.
    Ich hatte mich auf ein Buch gefreut, das mir Algerien und seine Menschen im Umbruch der ausgehenden Kolonialzeit und des Unabhängigkeitskrieges näherbringt. Ich wollte etwas über die Lebensverhältnisse der eingeborenen Bevölkerung unter französischer Herrschaft und das Zusammenleben erfahren. Was bedeutet Algerien der heranwachsenden französischen Generation, die dort geboren ist und wie verkraftet sie den Verlust der Heimat? Wie prägen sich die unterschiedlichen Kulturen gegenseitig und wie heilen die Wunden des blutigen Unabhängigkeitskrieges - heilen sie überhaupt?
    Leider wurde keine meiner Fragen auch nur annähernd beantwortet. Wenn es schon kein sozialkritisches Buch wurde, wie man es von einem Autor wie Khadra hätte erwarten können, so hätte es wenigstens eine überzeugende Liebesgeschichte sein sollen. Das war aber auch nicht der Fall. Über pubertäres Geschwärme zweier Teenager, die die Zähne nicht auseinander bekommen und abwechselnd die beleidigte Leberwurst spielen, kommt die Geschichte nicht hinaus. Alles bleibt oberflächlich und langweilt schnell. Dazu tragen die Protagonisten Younes und Émilie ganz erheblich bei: beide Charaktere sind nicht wirklich sympathisch und in ihrer Art dermaßen nervtötend, dass ich gelegentlich den Wunsch verspürte, den beiden herzhaft eine zu knallen.
    Auch Younes' Freunde fand ich nicht besonders sympathisch: dumme Schnösel, deren hormongesteuertes Geschwafel mich auch nicht vom Hocker reißen konnten.
    Die Antwort auf die Frage, wieso sich in der Geschichte einer Handvoll Heranwachsender mit ihren Pubertätsproblemen die Kluft zwischen Orient und Okzident auftut, ist der Autor dann auch schuldig geblieben, denn auf diese spezielle Problematik geht er gar nicht ein. Meines Erachtens sind Heranwachsende auf der ganzen Welt gleich und so hätte man die Handlung an jedem beliebigen Schauplatz spielen lassen können, man hätte nur die Kulisse ändern müssen.


    Als völlig daneben sehe ich dann das Ende des Buches: war es bis dahin unglaubwürdig und die Handlungen der Akteure nicht nachvollziehbar, so sackt es dann schließlich auch noch in Kitsch ab.


    Für den starken Anfang mit seinen anrührenden Momenten und wunderschönen Beschreibungen vergebe ich
    2ratten. Der Rest ist Schweigen.

  • Wenn ich eure Beiträge hier so lese, vergeht mir die Lust auf das Buch völlig. Schade... Oder besser: Danke für die Warnungen. :winken:


    Die Geschmäcker sind zwar verschieden, dennoch werde ich mir "Die Schuld des Tages an die Nacht" nicht kaufen. Vielleicht gebe ich dem
    Autor mit einem anderen Buch eine Chance.


    Viele Grüße,
    Muertia

    :lesen: Rebecca Gablé - Der dunkle Thron<br />SuB: 6 (+16 bereits bestellte Bücher, um den SuB mal ein wenig aufzuwerten)

  • Muertia:
    Da ich es kostenlos über vorablesen bekommen habe und es sicher nie wieder lesen werde: Wenn du es vielleicht doch noch lesen willst, aber kein Geld dafür ausgeben willst, sag mir Bescheid, ich würde es dir schicken. Vorausgesetzt du wohnst nicht in Timbuktu. :breitgrins:

  • Danke für das liebe Angebot Baerbeline! :knuddel:
    Vielleicht komme ich darauf zurück, aber im Moment ist mir schlicht die Lust auf das Buch vergangen.


    Viele Grüße,
    Muertia

    :lesen: Rebecca Gablé - Der dunkle Thron<br />SuB: 6 (+16 bereits bestellte Bücher, um den SuB mal ein wenig aufzuwerten)