Hermann Hesse - Klein und Wagner

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    Hallo!
    Ich habe gestern ein sehr spannendes Buch über den Massenmörder Ernst Wagner fertig gelesen, der 1913 erst seine gesamte Familie ermordet und dann noch einen Amoklauf verübt hat. Als "Beigabe" zu diesem analytischen Buch, das die Psychose Wagners, dessen Tat und seine Motive sehr genau analysiert, war auch die nach ihm benannte Novelle "Klein und Wagner" von Hermann Hesse enthalten.


    Inhalt aus Amazon:
    Friedrich Klein, der ehrbare Beamte, treusorgende Ehegatte und Familienvater, durchbricht plötzlich, belastet mit einem imaginären Verbrechen, dem vierfachen Mord an Frau und Kindern, mit falschem Paß, einem Revolver und unterschlagenem Geld in der Tasche, seine hausbackene Respektabilität.


    Meine Meinung:
    Die Novelle ist relativ kurz und verzichtet fast komplett auf Details, die die einzelnen Personen betreffen. Ebenso ist die Handlung der Novelle relativ unspektakulär. Was dieses Buch ausmacht, sind die extrem detaillierten und wahnnsinnig tiefgründigen Gedanken der Hauptperson, über seine Psychose, sein Leiden und vor allem seinem eigenen Tod.
    Hesses Erzählweise ist sehr intensiv, weshalb man sich trotzdessen, dass man es hier mit einer verrückten Hauptfigur zutun hat, perfekt in dessen Rolle versetzen kann und das Leid von Klein sehr gut nachvollziehen kann. Keineswegs kommt man auf die Idee, Klein zu verurteilen oder zu tadeln - dass sein Verbrechen nur imaginärer Art ist, wurde mir persönlich nicht sofort klar.


    Hesse schafft es einfach durch eine meiner Meinung nach tolle Sprache den Prozess des "Wahnnsinnig-werdens" sehr authentisch zu vermitteln und man zweifelt eigentlich keine Aussage im ganzen Test an.
    Was das ganze noch weiter intensiviert sind immer wieder die Parallelen, die Hesse zwischen seiner Figur des Beamten Klein und dem tatsächlich existierenden Ernst Wagner zieht. Deshalb kann ich es wirklich nur jedem empfehlen, sich auch mit der echten Person Ernst Wagner zu beschäftigen, der auch eine sehr interessante Perönlichkeit war.


    Letztlich kann man sagen, dass Hermann Hesse es geschafft hat, eine Novelle zu schreiben, deren Handlung sehr kurzweilig ist, aber in keiner Sekunde langweilig wird. So langsam entwickelt sich dieser Hesse zu einem meiner Lieblingsautoren!


    5ratten + :tipp:

    Zitat von André Glucksmann: <br />Philosophieren bedeutet zuallererst, gegen die eigene Dummheit zu kämpfen.

  • Bei aller Skepsis, die man mit fortschreitendem Alter gegenüber Hesse erwirbt: Diesen Buchtipp unterstütze ich voll. Allerdings war meine Wahrnehmung ganz anders: ich hatte den Eindruck, dass die Fabel lange etwas unentschlossen vor sich hindümpelt. Der Dualismus Klein/Wagner ist als Psychogramm sehr schön ausgebreitet, aber da klar ist, dass man keinen Krimi liest, tritt die Erzählung irgendwie auf der Stelle. Dann allerdings, auf den letzten zehn, zwölf Seiten geschieht ein Wunder. Es ist die Vision des ertrinkenden Helden, und sie ist schlicht atemberaubend.


    Wer aufpasst, erkennt dann auch, dass es in einer Kurzfassung genau den Mythos schildert, auf den Hesses Siddharta hinausläuft.


    Mir geht es bei meiner Enschätzung auch hier - wie in der letzten Werther-Debatte - nicht darum, dass ich diesen Mythos inhaltlich teilte. Es geht mir auch hier nur um literarische Kriterien.


  • Dann allerdings, auf den letzten zehn, zwölf Seiten geschieht ein Wunder. Es ist die Vision des ertrinkenden Helden, und sie ist schlicht atemberaubend.


    Dem kann ich mich nur anschliessen!

    Zitat von André Glucksmann: <br />Philosophieren bedeutet zuallererst, gegen die eigene Dummheit zu kämpfen.