[Südafrika] J.M. Coetzee - Zeitlupe

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    J.M. Coetzee - Zeitlupe
    Originaltitel: Slow Man
    Fischer Verlag, Frankfurt am Main, 2005
    aus dem Englischen von Reinhild Böhnke


    Klappentext:
    Ein einziger schicksalhafter Augenblick verändert das Leben von Paul Rayment: Er fliegt durch die Luft. Zuerst denkt er noch, gleich werde er durchatmen und wieder auf sein Fahrrad steigen. Aber er soll nie mehr auf die Beine kommen, schlimmer noch, er verliert eines bei dem Unfall. Nun stakst er auf Krücken, und alles ist in Zeitlupe.


    Der Klappentext umreißt die Ausgangssituation des Romans: nach einem Autounfall verliert Paul Rayment ein Bein und muss sich in seinem Leben neu zurechtfinden. Der Anfang, in dem es noch um diese Neuorientierung geht, hat mir ausgesprochen gut gefallen. Doch Rayment verliebt sich in seine Krankenpflegerin und Hausangestellte Marijana, und mit den amourösen Verwicklungen, die sich zumeist in Rayments Kopf abspielen, konnte ich wenig anfangen. Nachdem er seine Liebe gesteht und zudem der Familie Jokić Geld anbietet, wird die Situation noch schwieriger, denn Marijanas Familie droht daran zu zerbrechen. Als Elizabeth Costello die Bildfläche betritt kennt die Verwirrung keine Grenzen, denn "die Costello" nistet sich nicht nur in Rayments Wohnung ein, sie stellt auch unangenehme Fragen, scheint andererseits alles zu wissen und mischt sich in alles ein.


    Coetzee erzählt präzise, die zentralen Ereignisse umfassen nur wenige Tage. Die Figuren erhalten dennoch ausreichende Tiefe, um die Überlegungen, welche die Handlung überwiegen, tragen zu können. Er spricht auf 300 Seiten zahlreichen Themen an, doch im weitesten Sinne geht es darum, sich auf veränderte Bedingungen einzulassen. Es geht für Paul Rayment ums Altern, um Liebe im Alter, um den Umgang mit einer Amputation und um Würde. Hinzu kommen Gedanken zur Familie, die Rayment nie hatte und die bei Marijana zu zerbrechen droht. Ebenso spielt Fremdsein eine Rolle, denn Marijana und ihr Mann wanderten als junges Ehepaar von Kroatien nach Australien aus. Sowohl Rayment als auch das Ehepaar Jokić wechseln von einem Leben als angesehene Mitglieder der Gesellschaft in den Randbereich. Coetzee beleuchtet Gegenpole wie Einsamkeit und Fürsorge, Respekt und Egoismus, Depression und Lebensfreude. Und ab einem bestimmten Punkt betritt Elizabeth Costello die Szenerie, Störfaktor nicht nur für die Protagonisten, sondern auch für den Leser. Die zuvor fein beobachteten Themen verlieren sich in zahlreichen kurz angerissenen Bon Mots, die Costello hat zu allem und jedem eine Meinung. Bis zum Ende konnte ich ihre Figur nicht einordnen und ohne ihr Auftreten hätte mir der Roman sicherlich besser gefallen.


    3ratten


    Viele Grüße
    Breña

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges


  • die Costello hat zu allem und jedem eine Meinung. Bis zum Ende konnte ich ihre Figur nicht einordnen und ohne ihr Auftreten hätte mir der Roman sicherlich besser gefallen.


    Costello gilt ja als Coetzees alter ego, ein bißchen was davon findet sich auch im englischen Wikipedia-Artikel über Elizabeth Costello. Und vielleicht freut es Dich, daß die Kritik damals in der ZEIT durchaus in gleiche Richtung wie Dein Kommentar jetzt zielte: klick!

  • Danke für die Links! Offenbar muss ich mich mit der Costello zum einen abfinden, zum anderen näher befassen, wenn ich weitere Bücher von Coetzee lesen möchte.
    Und hey, immerhin stehe ich mit meiner Abneigung nicht allein da! ;)

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges