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Craig Clevenger Der geniale Mister Fletcher The Contortionist's Handbook Aus dem Amerikanischen von Susanne Mecklenburg Berlin 2005, Aufbau Taschenbuch |
Inhalt
Daniel Fletcher landet nach einer Überdosis Schmerztabletten im Krankenhaus. Während des obligatorischen Gesprächs mit einem Therapeuten, der herausfinden soll, ob es sich um einen Suizidversuch handelte, macht er einen durchaus normalen Eindruck. Allerdings ist er nicht Daniel Fletcher, sondern John Dolan Vincent. Nur der Leser erfährt die wahren Umstände, wie Vincent ins Krankenhaus kam, und nimmt mittels Rückblenden, die bis in Vincents Kindheit zurückreichen, an seinem Leben teil.
Meine Meinung
Eins wird schnell klar: Vincent ist ein begnadeter Fälscher, der in seinem Leben schon diverse Identitäten angenommen hat. Allerdings hat er keine kriminellen Energien, sondern schlüpft aus reinem Selbstschutz in verschiedene Rollen. Eigentlich möchte er nur eins: ein ruhiges, unscheinbares Leben führen. Dagegen sprechen einige Faktoren: der sechste Finger an seiner linken Hand, eine dicke Akte, gefüllt mit psychatrischen Gutachten, und ein umfangreicher Vorstrafenregister, da er sich als Jugendlicher zu oft mit den falschen Freunden umgeben hat.
Clevenger siedelt die Handlung in den späten Achtzigern an, wodurch wichtige Fixpunkte in der Lebensgeschichte des John Dolan Vincent überhaupt erst möglich werden. Er wächst in zerrütteten Verhältnissen auf, der Vater sitzt im Knast oder trinkend zu Hause, die Mutter geht arbeiten und versorgt John und seine Schwester, bis sie an Krebs stirbt. Die Eltern können das Geld für die Amputation des sechsten Fingers kurz nach der Geburt nicht erübrigen und sorgen so bereits für einige Schwierigkeiten ihres Sohnes. Außerdem ist er hochbegabt, was allerdings in den frühen Siebzigern nicht erkannt wird, John wird im Gegenteil für geistig zurückgeblieben gehalten. Hinzu kommen Migräneanfälle, die als Schrei nach Aufmerksamkeit verstanden und daher nicht behandelt werden. Er muss sich gegen pöbelnde Mitschüler behaupten, versucht seinem Vater zu imponieren und gerät aufgrund seiner Talente an die falschen Leute. Kein Wunder, dass er die Flucht in eine andere Identität als Befreiung ansieht.
Diesen Zwang, wie eines zum anderen führen muss, stellt Clevenger gekonnt dar. Die Situation, die am Anfang des Buches noch Rätsel aufgibt, wird nach und nach entwirrt, der Protagonist, der eigentlich am Rand der Gesellschaft steht, wird Sympathieträger. Leider kommt das Ende im Gegensatz zum Rest etwas dünn daher.
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Viele Grüße
Breña