[Südafrika] André Brink - Weiße Zeit der Dürre/A Dry White Season

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    Heute habe ich begonnen, dieses erstmals 1979 erschienene Buch zu lesen. Ich lese es auf Englisch, wobei mir nicht ganz klar ist, ob dies nun einen Übersetzung aus dem Afrikaans ist oder nicht. Im Impressum findet sich kein Hinweis darauf, allerdings zählt Brink zu den größten afrikaanssprachigen Autoren. Irgendwo habe ich gelesen, dass er seine Bücher gleichzeitig auf Afrikaans und Englisch schreibt, weiß aber nicht, ob das wirklich stimmt.


    Da Amazon aur deutschen Übersetzung keine Inhaltsangabe liefert, kopiere ich hier die englische Kurzbeschreibung:

    Zitat

    As startling and powerful as when first published more than two decades ago, André Brink's classic novel, A Dry White Season, is an unflinching and unforgettable look at racial intolerance, the human condition, and the heavy price of morality.


    Ben Du Toit is a white schoolteacher in suburban Johannesburg in a dark time of intolerance and state-sanctioned apartheid. A simple, apolitical man, he believes in the essential fairness of the South African government and its policies—until the sudden arrest and subsequent "suicide" of a black janitor from Du Toit's school. Haunted by new questions and desperate to believe that the man's death was a tragic accident, Du Toit undertakes an investigation into the terrible affair—a quest for the truth that will have devastating consequences for the teacher and his family, as it draws him into a lethal morass of lies, corruption, and murder.


    Nach gut 60 Seiten kann ich konstatieren, dass diese Inhaltsangabe einen guten Eindruck von dem Buch vermittelt, allerdings unterschlägt sie die Rahmenhandlung, in der ein alternder Liebesromanschriftsteller von einem Freund aus Studientagen aufgesucht und gebeten wird, doch ein paar Dokumente für ihn aufzubewahren - für alle Fälle. Dieser ehemalige Freund, der sich als Ben du Toit erweist, ist sichtlich psychisch mitgenommen. Der Schriftsteller wollte ihn und seinen Besuch eigentlich gerne vergessen, guckt sich aber aus einem Grund, den ich aus Spoilergründen nicht erwähnen möchte, die Papiere dann doch genauer an und erfährt so nach und nach von Ben du Toits Versuchen, dem (schwarzen) Hausmeister Gordon Ngubene zu helfen, der seinen nach besonders gewaltsamen Krawallen 1976 in Soweto verschwunden war. Erst weiß die Polizei von nichts, streitet kategorisch ab, den Jungen gefangengenommen zu haben, dann - nach Wochen verzweifelten Nachfragens und Hoffens - heißt es plötzlich, er wäre eines natürlichen Todes gestorben, die Leiche könne aber erst in der folgenden Woche freigegeben werden. Die nächste Woche kommt, aber die Leiche ist plötzlich schon vor Wochen begraben worden, weil niemand sie eingefordert hatte und die Todesursache ist eine Schusswunde, der er am Tag der Krawalle erlegen wäre. Das Obduktionsprotokoll ist verschwunden, die Begräbnisstätte unbekannt, alle weiteren Versuche, von den Behörden Informationen zu bekommen, werden abgeblockt.


    Gordon, der Vater, kann das nicht akzeptieren. Er muss wissen, was mit seinem Sohn passiert ist, und so gelingt es ihm nach und nach, Zeugenaussagen zu sammeln, die deutlich machen, dass Jonathan eben doch gefangen genommen und im Polizeigewahrsam brutal gefoltert worden war. Doch bevor Gordon etwas - was, das weiß er selbst nicht - mit diesen Aussagen unternehmen kann, wird er selbst vom SB, dem Special Branch, abgeholt. Seine Frau wendet sich erneut an Ben du Toit mit der Bitte um Hilfe.


    So weit bin ich jetzt und begeistert, trotz der furchtbaren Handlung. Von dem ersten Satz an hat mich das Buch in seinen Bann gezogen. Brink gelingt es, eine intensive Atmosphäre aufzubauen. Die Verzweiflung des Vaters, die Gutgläubigkeit Ben du Toits, der noch daran glaubt, dass sich alles zum Guten lösen wird, das Wissen der Leser, dass das nicht so ist - das alles vermittelt Brink sehr gut in einer Sprache, in der einfach alles stimmt. Bisher ist das Buch ein Volltreffer!

    Wir sind irre, also lesen wir!


  • Irgendwo habe ich gelesen, dass er seine Bücher gleichzeitig auf Afrikaans und Englisch schreibt, weiß aber nicht, ob das wirklich stimmt.


    Soviel ich weiß, stimmt das tatsächlich. Einer seiner frühen in Afrikaans geschriebenen Texte war von der südafrikanischen Regierung verbotenen worden, und dann hat er begonnen, sofort in beiden Sprachen zu schreiben. Englisch sichert nun mal eine größere Beachtung als Afrikaans.



    So weit bin ich jetzt und begeistert, trotz der furchtbaren Handlung. Von dem ersten Satz an hat mich das Buch in seinen Bann gezogen. Brink gelingt es, eine intensive Atmosphäre aufzubauen. Die Verzweiflung des Vaters, die Gutgläubigkeit Ben du Toits, der noch daran glaubt, dass sich alles zum Guten lösen wird, das Wissen der Leser, dass das nicht so ist - das alles vermittelt Brink sehr gut in einer Sprache, in der einfach alles stimmt. Bisher ist das Buch ein Volltreffer!


    Vor allem letzteres höre ich gerne! Es subt auf Deutsch bei mir auch noch (wie einiges andere von Brink) und ich will es schon lange lesen, zumal es auch auf der Liste der Africa's 100 Best Books of the 20th Century steht. Brink und Breytenbach waren Schlüsselfiguren einer afrikaans-sprachigen Literatengruppe, die sich in den 1960er Jahren zusammenfand, also zu einer Zeit, wo die Apartheidspolitik schon in vollem Ausmaß griff. Kritiker waren sowieso nicht gern gesehen, aber wenn sie dann auch noch quasi aus den eigenen Reihen kamen, dann war es natürlich erst recht nichts, was das Regime so ohne weiteres zulassen konnte.

  • Puh - ich weiß nicht, ob ich dieses Buch zu Ende lesen kann. Es, bzw. sein Inhalt macht mich so wütend! Hilflos und wütend - das ist eine furchtbare Kombination.


    Da geht es mir so wie seinem Protagonisten, der zum ersten Mal wirklich entdeckt, in welchem Land er eigentlich lebt. Bisher lief sein Leben seinen gemächlichen Gang und mehr oder weniger durch Zufall muss er erkennen, was im Südafrika der Siebziger noch so alles abläuft. Unter welchen Bedingungen die Mehrheit der Bevölkerung lebt, wie die "Gerechtigkeit" mit Füßen getreten wird, wie wenig das die herrschende Minderheit stört und wie schnell jeder Versuch einer Änderung massiv bestraft wird.


    Eigentlich ist das für mich ja nichts Neues; theoretisch weiß ich das alles, aber dies durch einen so geschickten Autor wie André Brink vermittelt zu bekommen, ist doch etwas anderes.

    Wir sind irre, also lesen wir!


  • Eigentlich ist das für mich ja nichts Neues; theoretisch weiß ich das alles, aber dies durch einen so geschickten Autor wie André Brink vermittelt zu bekommen, ist doch etwas anderes.


    Diese Erfahrung habe ich auch schon des öfteren bei Literatur aus Afrika oder auch Lateinamerika gemacht. Das ist unter Umständen „besser“, im Sinne von eindringlicher, als jede Kurzreportage in den Nachrichten. Und auch die Kombination aus Hilflosigkeit und Wut solchen Beschreibungen gegenüber kann ich so gut nachvollziehen, ich sitze dann auch vor Wut zitternd da und weiß nicht, wo und wie ich mich am besten abreagieren soll.

  • Meine Meinung
    Weiße Zeit der Dürre erzählt eine bedrückende Geschichte. Die farbige Bevölkerung hat keine Rechte. Man darf mit ihnen umgehen, wie man will. Auch foltern und töten. Die Schuldigen werden nicht zur Rechenschaft gezogen. Kommt überhaupt ein Fall vor Gericht, ist der Prozess eine Farce. Die Wahrheit interessiert niemand. Zeugen werden bestenfalls bedroht, meistens verschwinden sie aber.


    Glaubt Ben du Toit anfangs, dass seine Hautfarbe ihn schützen wird, muss er seinen Irrtum bald erkennen. Sicher, er bekommt mehr Warnungen als ein Farbiger. Aber letztendlich wird er genauso so unerbittlich zum Schweigen gebracht. Was mich dabei besonders erschüttert hat, ist dass wirklich jeder sich von ihm abgewendet hat. Man hat lieber den fadenscheinigen Beschuldigungen geglaubt als sich hinter ihn zu stellen. Der Grund war sicherlich Angst. Aber Angst wovor? Ums eigene Leben oder vor einer möglichen Veränderung?


    Natürlich kann man sagen, dass Weiße Zeit der Dürre nur ein Roman ist, der vor langer Zeit in einem anderen Land geschrieben wurde. Aber ich finde, das Thema ist immer noch aktuell. Nicht nur in Südafrika, sondern überall.
    5ratten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.