Neal Stephenson - Quicksilver

Es gibt 69 Antworten in diesem Thema, welches 19.583 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Yklamyley.

  • Glückwunsch Bettina! :klatschen:
    Und schreibst Du noch ein Fazit? Oder lässt Du uns am ausgestrecken Arm verhungern? :breitgrins:

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Ein Fazit wird es geben, aber kürzer!
    Ich bin mir nur noch nicht ganz schlüssig, was ich schreiben soll. Es wird wohl auf drei Ratten hinauslaufen, denke ich. Das für mich mühsame Ende sollte nicht den gesamten Eindruck auf zwei Ratten runterkürzen.

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  • Ich bin in mich gegangen:


    Nach drei Monaten Lesezeit, 1129 Seiten, unterbrochen von mehreren Zweitbüchern, ist es vollbracht: Ich habe mich durch Quicksilver gekämpft. Der Silberlack auf dem Cover ist inzwischen fast abgerieben und das Buch musste sogar einen Wasserschaden durch eine Kindertrinkflasche hinnehmen - weil das Buch eine sehr lange Zeit quer durch meine Wohnung verbracht hat.


    Quicksilver zu beschreiben, kann man entweder ellenlang machen oder nur ähnlich kurz wie in der Kurzbeschreibung: Daniel Waterhouse, Wissenschaftler und Fellow der Royal Society, macht seine Erfahrungen mit der Wissenschaft und den Auswirkungen der Religion auf die Lebensumstände, je nachdem, wer gerade wo herrscht. Jack Shaftoe, europaweit bekannte Vagabunden-Legende, befreit auf einem seiner Streifzüge durch Europa die Sklavin Eliza. Zwar liebt er sie innig, das hindert aber weder ihn noch Eliza daran, eigene Wege zu gehen. Ansonsten passiert schlicht ungeheuer viel in den drei Büchern, die in Quicksilver zusammen gefasst sind.


    Alle drei Figuren dienen sehr oft nur als Vehikel, die das politische und gesellschaftliche Geschehen begleiten, von dem uns Stephenson erzählt. Waterhouse ist zum Beispiel bei der Royal Society, aber kein wirklich brillanter Kopf. Die Show stehlen ihm Hooke, Newton oder Leibniz. Und so bleibt Waterhouse einfach immer dran, damit der Leser erfährt, was die anderen gerade tun. Jack Shaftoe ist der abenteuerlustige Kerl, der Waterhouses Erlebnisse nach 416 Seiten ablöst und es kommt Leben in die Bude. Während er selbst Vagabund bleibt und dabei immer wieder schlechte Erfahrungen einstecken muss (und für das Buch notwendigerweise überlebt), steigt Eliza gesellschaftlich auf. Sie wird im Lauf der Geschichte geadelt, damit sich die Leute am Hof mit ihr treffen können; denn Eliza, die zur guten Bekannten von Leibniz geworden ist, versteht sich auf Finanztransaktionen und handelt für verschiedene Höflinge in den Niederlanden an der Börse.


    Nach etwa 800 Seiten wurde es für mich anstrengend. Das liegt an drei Gründen:
    • Mit dicken Büchern habe ich eigentlich immer Probleme und dieses hier ist besonders dick, und
    • es ist sehr ausschweifend und man muss sich ganz ordentlich konzentrieren, damit man den Intrigen und geschichtlichen Wirrungen, den Verwandtschaften in den royalen Familien etc folgen kann (und ich habe die ganzen Wechsel auf den Thronen nicht alle nachvollzogen), und
    • ich habe nach all den Seiten keine Ahnung, warum ich die drei Hauptpersonen eigentlich begleitet habe.


    Aus verlässlicher Quelle weiß ich, dass man den kompletten Barock-Zyklus lesen muss, um ganz am Ende alles zu verstehen und zu erfassen. Wer es bis hierher geschafft hat, hat ein offenes Ende bei Jack (das man akzeptieren kann), eine Zukunftsvision für Eliza (die nicht gemütlich, aber regelbar ist), und eine optimistische Zukunftsvision für Daniel. Eigentlich nicht schlecht als Ende, wenn denn erkennbar wäre, wozu das alles gut war. Für den Sinn der bisherigen Seiten müsste ich jetzt noch locker 2100 weitere Seiten lesen. Das ist keine Lektüre, das ist Arbeit! Trotzdem liegt der Folgeband Confusion noch im Bücherregal, ich habe ihn nicht weggefeuert, weil Quicksilver auch faszinierende Passagen hatte und ich das für eine eventuelle Fortsetzung recht ermutigend finde.


    Während Quicksilver empfehle ich hin und wieder eine kleine Nebenlektüre und auch nach Quicksilver eine Lesepause mit Büchern unter 200 Seiten.


    3ratten

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    Einmal editiert, zuletzt von Bettina ()

  • Toll, dass du das Buch doch fertig gelesen hast, Bettina. Ich hatte schon befürchtet, du hättest aufgegeben. Quicksilver ist wirklich nicht einfach, man muss schon Zeit und Lust haben, sich darauf einzulassen. Lektüre für nebenbei ist es nicht. Die Handlung und die Personen sind ja an sich sehr interessant, aber Stephensons Stil macht es zu etwas Außergewöhnlichem, mit dem man sich arrangieren muss.


    Liebe Grüße
    Doris

  • Da möchte ich dir auch mal Beifall zollen, Bettina, denn das klingt richtig nach Anstrengung. :klatschen:


    Danke für deinen Kommentar. Er macht mich einerseits noch gespannter auf das Buch als ich bisher schon war - andererseits erhöht sich die Schwelle, das Buch nun mal zu lesen (denn mir scheint, ich habe demnächst keine drei Monate Zeit, die ich in ein solches Projekt investieren kann :breitgrins:)

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.

  • Danke für die Glückwünsche :breitgrins: Dafür war es die Anstrengung nun auf alle Fälle wert, weil es sonst - vermute ich - kein anders Buch gibt, für dessen vollendete Lektüre man gelobt wird :breitgrins:


    Bei mir hat es 3 Monate gedauert, weil ich ohne Nebenlektüren nie durchgehalten hätte - ich wusste vorher übrigens nicht, dass sich das zu einem 3-Monate-Projekt auswächst. Ich hatte meinen grossen Hänger nach ca. 800 Seiten. So spät, weil ich eben immer wieder mal was anderes nebenher hatte. Zum Schluss wurde es für mich persönlich noch knifflig, weil ich Briefromane am liebsten verbannen würde. Und am Ende kamen sehr viel Briefwechsel.


    Ich habe vieles nicht richtig kapiert oder behalten. Ständig wechseln die Könige ihre Throne, es gibt Winterköniginnen, von denen ich bis heute nicht begriffen habe, wo sie nun sass und was sie tut. Ich habe sie dann kurzerhand immer nur zur Kenntnis genommen, weil ich bei all den Royals zwischen Spanien und England nie durchgeblickt hatte. Ich habe auch bis heute keine Ahnung, warum Monmouth einen Anschlag auf den englischen Thorn versuchte.
    Meine Taktik war nun, die Personen einfach wahrzunehmen und zu hoffen, dass ich entweder irgendwann verstehe oder trotzdem einfach flüssig lesen kann. Bei den meisten hat es auch funktioniert.


    Dazu kommt, dass sich die Menschen (vor allem die Standespersonen) sehr merkwürdig ausdrücken - sie sagen nie direkt, was sie meinen, sondern umschiffen teils so schlimm, dass man nicht weiss, was sie wollen. Zum Glück wird in der Regel irgendwie erklärt, wie eine Bemerkung aufgefasst werden muss. Stephenson hat sich nicht komplett aus dem Rennen gekegelt, aber ich finde ihn schwierig. Vielleicht wird Confusion ja besser??

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    Einmal editiert, zuletzt von Bettina ()

  • Dafür war es die Anstrengung nun auf alle Fälle wert, weil es sonst - vermute ich - kein anders Buch gibt, für dessen vollendete Lektüre man gelobt wird :breitgrins:


    :breitgrins: Da würden mir schon noch ein paar einfallen, zB "Ulysses" von James Joyce, vor dem ich so viel Angst habe, dass ich es niemals lesen werde. Oder "Die Enden der Parabel" von Thomas Pynchon, das ich zweimal abgebrochen habe. Ich ziehe den Hut vor jedem, der das Ding von vorne bis hinten gelesen hat. In einer Kritik zu einem Stephenson-Buch irgendwo im Internet meinte der Rezensent, Stephenson sei etwas für Leute, denen Pynchon zu schwierig sei - ich fühlte mich ertappt :elch:



    Ich habe vieles nicht richtig kapiert oder behalten.


    Macht nichts, es ging mir beim ersten Mal genau so. Trotzdem hatte ich am Ende der Trilogie einen guten Überblick darüber, was eigentlich passiert war. Ich glaube, diese Ziegelsteine kann man drei- bis viermal lesen und immer noch neue Details und Zusammenhänge entdecken. Allerdings wird sich das kaum jemand antun :breitgrins: (Ich habe die Trilogie ja auch erst zweimal gelesen...)



    Stephenson hat sich nicht komplett aus dem Rennen gekegelt, aber ich finde ihn schwierig. Vielleicht wird Confusion ja besser??


    Mir scheint "Quicksilver" tatsächlich der schwierigste Band der Reihe zu sein, "Confusion" der einfachste. Du hast das Gröbste also hinter dir :zwinker:


    Ich habe vorhin übrigens gerade wieder die Leserunde zur Trilogie ausgegraben und bin dabei auf mein selber gebasteltes Personenverzeichnis gestossen, dass hier ich verlinke. Vielleicht hilfts ja anderen, die sich auch noch durch den Schinken kämpfen möchten.
    Und wenn wir dann die Leserunde für Teil 3 wieder ausgraben, werde ich es noch vervollständigen.

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • Ein zweites Mal starte ich den Versuch Quicksilver zu lesen. Beim ersten war ich über 20 Seiten nicht hinausgekommen, habe mit der Sprache (zu kompliziert und Präsens noch dazu) gekämpft und mich überhaupt nur gelangweilt.


    Mittlerweile bin ich ca. auf Seite 150 und das Durchhalten hat sich gelohnt: Die Beschreibungen, wie Wilkins, Hooke und Waterhouse zusammen interagieren und welche Experimente sie machen, habe ich extrem gern gelesen und ich musste manchmal sogar richtig lachen. Mit der Sprache quäl ich mich überhaupt nicht mehr, und nein, mein Englisch ist nicht unbedingt besser geworden, ich glaube, ich habe einfach einige Seiten gebraucht, um mich an Stephensons Stil zu gewöhnen.


    Also momentan bin ich sehr positiv gestimmt, dass es sich lohnen wird, diesen Wälzer mit mir herumzuschleppen... :zwinker:

    Auch ungelebtes Leben<br />geht zu Ende<br />- Erich Fried

  • Das Buch ist es bestimmt wert, ein bisschen zu kämpfen. Wenn du so weit gekommen bist und ein gutes Gefühl dabei hast, wird dir der Rest auch gefallen. Kompliment übrigens, auf Englisch würde ich mich nie daran wagen. Ich fand es auf Deutsch schon anspruchsvoll geschrieben.


  • Das Buch ist es bestimmt wert, ein bisschen zu kämpfen. Wenn du so weit gekommen bist und ein gutes Gefühl dabei hast, wird dir der Rest auch gefallen. Kompliment übrigens, auf Englisch würde ich mich nie daran wagen. Ich fand es auf Deutsch schon anspruchsvoll geschrieben.


    Oh, dankeschön! :smile:
    Noch bin ich überzeugt davon, dass es mir auch weiterhin gefallen wird!

    Auch ungelebtes Leben<br />geht zu Ende<br />- Erich Fried