[Ägypten] Baha Taher – Die Oase

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    Autor: Baha Taher
    Titel: Die Oase
    Originaltitel, Jahr: Wahat al-ghurub, 2007
    Übersetzung aus dem Arabischen: Regina Karachouli
    Verlag: Unionsverlag
    ISBN: 978-3-293-00433-7
    Ausgabe: Hardcover
    Seiten: 333



    Klappentext: „Das 19. Jahrhundert neigt sich dem Ende zu, als der politisch in Ungnade gefallene Machmud Abdel Sahir von Kairo in die abgelegene und gefährliche Oase Siwa nahe der libyschen Grenze versetzt wird. Er sieht sich gezwungen, den Posten zu übernehmen, wohl wissend, dass zwei seiner Vorgänger ermordet worden waren. Aber weiß er wirklich, was ihn erwartet?
    Siwa ist eine eigene Welt mit ureigenen Gesetzen. Auf Schritt und Tritt erwacht die Geschichte: Das Orakel von Alexander dem Großen, das Bad der Cleopatra der hartnäckige Widerstand der berberischen Einwohner gegen alle Eindringlinge.
    In Siwa sieht sich Machmud nicht nur mit den sich untereinander bekriegenden Einwohnern konfrontiert, zwischen deren Fronten er bald gerät, sondern da ist auch noch Catherine, seine irische Frau, die mit ihrer unverhohlenen Art die ganze Gemeinschaft gegen sich aufbringt, und eine junge Schönheit, deren Wunsch nach Freundschaft ein Verhängnis nach sich zieht. Als die Kluft zwischen Besetzer und Besetzten, Frau und Mann, Traum und Realität immer weiter wird, erreichen die Spannungen ihren Höhepunkt.“



    Meine Meinung: Statt einer eigenen Inhaltsangabe habe ich den Klappentext wiedergegeben, weil ich ihn rückblickend ganz in Ordnung finde und vor allem selbst auch nichts Sinnvolleres formulieren könnte. Inzwischen bin ich ja einiges an „exotischer“ Literatur gewöhnt, aber hier habe ich mich doch mehr als nur gefordert gefühlt. Das liegt gar nicht mal an Tahers Stil, der durchaus gut zu lesen ist, sondern an der Verschränkung der Vielzahl der Inhalte, die (mir) dann doch zu vieles ungesagt lassen. Ich habe ja nichts dagegen, daß ein Autor nicht alles ausbuchstabiert, aber wenn die Lücken größer werden als das Drumherum, dann wird es eben doch irgendwann problematisch. Der Klappentext deutet schon an, was hier an Inhalten und Konfliktlinien aufgefahren wird, und das sind beileibe noch nicht alle.


    Um Machmud zu verstehen, muß man einiges über den Urabi-Aufstand wissen (oder nachlesen), da dieser für sein Leben wichtig und für seine Karriere als Polizeioffizier in mehr als einer Hinsicht ausschlaggebend war. In Siwa kommen dann die nur ansatzweise aufgezeigten Streitereien zwischen den Sippen innerhalb der Oase, die Auseinandersetzungen der Oasenbewohner mit der Obrigkeit und ihre, selbst für die ägyptischen Soldaten merkwürdigen Traditionen und Riten hinzu. Catherine hat bereits eine schreckliche Ehe hinter sich und hofft, mit Machmud neues Glück zu finden, aber das Leben in der Oase verändert beide: Machmud vor allem wegen der ständig drohenden physischen Gefahr und der Veränderungen seines bisherigen Lebenswandels, Catherine, weil sie ihren historisch-archäologischen „Forschungen“ wegen des Widerstands der Einheimischen nicht nachgehen kann wie gewünscht und sie sich zudem in die Idee verrennt, einen Beweis für Alexanders Grablege in Siwa zu finden. Das alles wäre schon für einen umfangreicheren Roman ausreichend, aber Taher überlädt das Ganze dann noch zusätzlich mit Parallelen der englischen Besetzung oder Kolonisierung oder Verwaltung (je nach Perspektive) Irlands und Ägyptens, unterschiedlichen Auffassungen von Religion, medizinischen Disputen und diversen anderen Dingen.


    In seinem Nachwort erläutert Taher, daß über den Offizier, der hier als Vorbild gedient hat, nicht viel biographisches Wissen verfügbar ist, und welcher Literatur er sich für die Darstellung der Rahmenbedingungen bedient hat. Es handelt sich also sicher nicht um reine Fiktion, aber weniger wäre definitiv mehr gewesen.



    2ratten


    Schönen Gruß
    Aldawen

  • Im Gegensatz zu Aldawen hat mir der Roman ausgesprochen gut gefallen. Mag es daran liegen, dass mir so manches schon bekannt ist? Ich weiß es nicht, ist auch egal.


    Der Autor nimmt uns mit auf eine Reise in die Oase Siwa am Ende des 19. Jahrhunderts, in eine Zeit als Ägypten unter britischer Herrschaft stand.
    Die Oase Siwa liegt westlich, an der Grenze zur libyschen Wüste und ihre Geschichte lässt sich bis auf 1500 Jahre v.Chr. zurückverfolgen, zudem war sie eine Orakelstätte, das Orakel von Siwa, auch bekannt als Orakel von Amun.


    Durch ihre Lage ist die Oase ein kleiner Kosmos für sich, bewohnt wird sie hauptsächlich von Berbern, die "Amtssprache" ist Siwi, ein paar wenige sprechen ägyptisch-arabisch.
    So scheint es fast selbstverständlich, dass Sitten und Gebräuche sich an der Vergangenheit orientieren. Traditionen und Aberglauben wiegen schwer, eine Orientierung in Richtung Zukunft scheint aussichtslos. Eine Fehde, an deren Ursprung man sich kaum noch erinnern kann, spaltet zudem die Bewohner der sogenannten Westsippe und Ostsippe. Man beäugt sich misstrauisch, kriegerische Auseinandersetzungen keimen immer wieder auf.
    Und doch wird dieser Flecken Erde von den Engländern nicht vergessen, das britische Weltreich braucht Geld, die Oase wird besteuert. Die Steuern sind hoch, vielleicht ein Grund, dass die Vorgänger von Machmud Abdel Sahir ermordet wurden?
    Zu Beginn scheint es noch, als würde sich alles zum Guten wenden. Machmud ist freundlich und zurückhaltend. Anders als seine Vorgänger versucht er nicht mit Macht und Gewalt die Steuern einzutreiben. Allerdings wurde Machmud von seiner Frau Catherine auf diesen Posten begleitet. Sie ist klug, intelligent und getrieben von dem Wunsch das Grab von Alexander den Großen in der Oase zu finden, hatte er wohl zu Lebzeiten den Wunsch geäußert in dieser Oase beerdigt zu werden.
    Ihre offene und moderne Art wird in der Oase nicht gerne gesehen. Nicht nur die Männer wenden sich ab -was noch zu verstehen wäre- auch die Frauen der Oase verweigern ihr jede Sympathie. Im Gegenteil, man ängstigt sich vor ihr. Bis auf Malika, eine junge Frau aus der Westsippe, die versucht Kontakt mit Catherine aufzunehmen und damit den Stein des Verderbens ins Rollen bringt.


    Geschickt erzählt der Autor die Geschichte aus der Sicht von fünf Ich-Erzählern, so dass alle Elemente, wie Tradition und Moderne, für den Leser erschlossen werden. Selbst Alexander der Große kommt zu Wort.


    Überaus spannend, weiß Baha Taher zu fesseln und die Geschehnisse voran zu treiben. Ein historischer Glitzerroman in ausufernder orientalischer Erzählmanier ist dieses Buch nicht. Jedoch eine gelungene Zeitreise an einen wenig bekannten Ort in Ägypten, hervorragend übersetzt von Regina Karachouli.


    Für diesen Roman erhielt Baha Taher 2008 den, in dem Jahr erstmalig verliehenen, International Prize for Arabic Fiction.


    5ratten