Susanna Tamaro - Cara Mathilda

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    Autor/in: Tamaro, Susanna
    Titel: Cara Mathilda
    Format: 182x113x15 mm
    Seiten: 174 Gewicht: 151 g
    Verlag: Diogenes Verlag AG Ort: Zürich
    Auflage: 4. Erschienen: 2003
    Einband: Taschenbuch


    Klappentext:
    "Cara Mathilda", beginnt Susanna Tamaro diese Briefe an ihre Freundin. Bald nachdenklich, bald leidenschaftlich spricht sie über Geist, Konsum, Natur und Umwelt, Freundschaft und Fernsehen. Fragen der Zeit beschäftigen sie ebenso wie innere Einkehr und die Freuden des Alltags. Sie ermutigt uns, immer wieder neue Wege zu finden, auf der Suche zu sein und nicht aufzugeben, unserer Gefühle stets eingedenk.

    Der Klappentext trifft den Inhalt ziemlich genau, dem müsste man eigentlich kaum etwas hinzufügen. Wenn man es aber wie ich, nicht nur gelesen hat, sondern förmlich verinnerlicht und am Ende sich sehr emotional angesprochen fühlt, sollten hier doch noch ein paar Zeilen mehr zu dem Buch gesagt werden. Dazu habe ich mir einige Textstellen notiert, die mich besonders angesprochen haben.

    Vorab noch diese Information. Derzeit ist das Buch nicht im Buchhandel zu finden. Die erste Auflage stammt aus dem Jahr 1995. Zurzeit findet man nur eine italienische Ausgabe. Das mir vorliegende Buch hatte ich von einer Freundin geliehen, aus dem Jahre 1995.

    So wie es mir schon bei Christa Wolf mit der Stadt der Engel ging, so ist es auch bei diesem Buch: ich kann und will Autorin und Briefeschreiberin nicht auseinanderhalten. Für mich ist es also so, dass Susanna die Briefeschreiberin ist. Durch das ganze Buch zieht sich eigentlich eine Art Abschiedsstimmung, denn die Briefeschreiberin will ihr altes Haus, welches auch nicht sehr komfortabel ist, verlassen und in ein neues Haus ziehen, allerdings verzögert sich der Umzug praktisch um das eine Jahr, in welchem sie die Briefe schreibt. Und so ist das Buch auch nach Jahreszeiten strukturiert. Sehr schön, dabei bekommt man ein schönes Gefühl vermittelt, jeder Jahreszeit ihre Seiten abzugewinnen und für das echte Leben, einfach mal wieder genauer hinzuschauen. Denn die wir hier in Mitteleuropa zu Hause sind sollten eigentlich froh sein, den Wechsel der Jahreszeiten zu haben. So haben Körper und Geist die Möglichkeit je nach Jahreszeit das Auf und Ab, was uns Menschen in der Seele ja ausmacht, zu erleben. Susanna Tamaro schreibt dazu an einer Stelle: durch das moderne Leben haben wir uns daran gewöhnt, die große Macht unseres Körpers zu unterschätzen. Sie bezweifelt, dass der Kopf weiser ist als der Körper.

    So wird zum Beispiel an einer Stelle ein dreitägiger Stromausfall beschrieben. Es gab nur Kerzenlicht und somit nur Beleuchtung auf das Wesentliche. Das stelle ich mir herrlich vor :smile: . Susanna schreibt dazu an Cara Mathilda, dass sie überzeugt ist, dass der Mangel an Räumen und Situationen, in denen man Stille und Sammlung erleben kann, eine Flucht vor sich selbst grundlegend bestimmt. Sie schreibt hier weiter, dass Einsamkeit uns dabei hilft, Intimität mit uns selbst herzustellen. "Nur wenn ich mich selbst kenne, ... mein Inneres, kann ich den anderen auf dieser Ebene ansprechen." Wie wahr, wie oft reden wir heute ständig und überall aneinander vorbei!

    Ich möchte an dieser Stelle noch ein wundervolles Zitat für alle Leseverrückten aus diesem Buch einfügen (siehe auch Thread Lieblingszitate aus Büchern): "Lesen bedeutet im Grunde genommen nichts anderes, als einen kleinen Garten in unserem Gedächtnis anzulegen. Jedes schöne Buch erweitert ihn, um ein Blumenbeet, einen Weg, eine Bank zum Ausruhen, wenn man müde ist. Mit den Jahren, indem man ein Buch nach dem anderen liest, verwandelt sich der Garten allmählich in einen Park, und es kann geschehen, dass man in diesem Park jemand anderen trifft. Lesen ist weder eine Pflicht noch ein bitterer Kelch, der in der Hoffnung auf wer weiß welche Wohltat bis zur Neige geleert werden muss. Lesen heißt, sich einen kleinen persönlichen Schatz an Erinnerungen und Gefühlen zuzulegen .. und den wir .... mit anderen teilen können." (Wer will da noch etwas hinzufügen? Einfach genial!)

    Wenn man dieses Buch liest gewinnt man gleich zwei Freundinnen, die Briefeschreiberin, ich sage mal Susanna Tamaro und die Briefeempfängerin Cara Mathilda. Ich hatte das Gefühl an der Seite mir sehr gut bekannter und lieber Freundinnen durch ein Jahr zu schreiten und sehr viel dazuzulernen. Susanna Tamaro schreibt auch über das Schreiben. Das war für mich hochinteressant, wie sie darlegt, dass man erst einmal lernen muss, Inhalte zusammenzufassen und zwar ohne Ausschweifungen, weil man nur in der Kürze zum Wesentlichen der Geschichte vordringen kann. Und sie wünscht VIEL GLÜCK BEIM SCHREIBEN Jedenfalls hat mich am Ende wieder der tiefe Wunsch bewegt, selbst zu schreiben. Diesen ernsten Wunsch hatte ich zuletzt nach dem Buch Owen Meany von John Irving. Vor einigen oder vielen Jahren.

    Das Buch war ein Genuss! 5ratten Und es hat mich jetzt neugierig gemacht auf "Geh, wohin dein Herz dich trägt"

    Herzliche Frühlingsgrüße von der Ostsee

  • Hallo!


    Eine schöne Rezi! Ich mag Bücher in Briefform sowieso und stimme Dir zu: manchmal kann und will ich den den Autor und den Briefeschreiber nicht auseinander halten :winken:


    So wird zum Beispiel an einer Stelle ein dreitägiger Stromausfall beschrieben. Es gab nur Kerzenlicht und somit nur Beleuchtung auf das Wesentliche. Das stelle ich mir herrlich vor :smile:


    Das kann es sein- muss aber nicht. Ein Stromausfall im Sommer ist bestimmt etwas Schönes, aber im Winter ist es grenzwertig (das weiß ich aus eigener Erfahrung). Trotzdem hatte auch der Stromausfall im Winter sehr schöne Momente und war zum Glück nicht ganz so lange :zwinker:


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Kurioser Weise oder wie auch immer man das bezeichnen will, haben wir gestern Abend im ganzen Wohngebiet einen 1-stündigen kompletten Stromausfall erleben dürfen. Da wir immer in allen Zimmern mindestens zwei Salzlichter (mit Teelicht) brennen haben, hielt sich der Schreck in Grenzen und da wir totale Kerzenfans sind, war das Erleuchten schnell hergestellt. Und wir genossen die Stimmung zwischen Fürchten, Romantik und ganz pisschen Panik. Zum Glück hat der "moderne" Mensch noch ein Handy und kann sein Kind anrufen, um es um die Notfallnummer für die Stadtwerke zu fragen. Das Schlimmste für mich in dieser Situation war nur, dass ich nicht genug Kerzenlicht zusammentragen konnte, um mit meinen etwas älteren Augen noch an meinem Buch in Ruhe weiter zu lesen, das war die einzige "Tragödie" an der Situtation für diesen Abend. Ich möchte noch kurz den Titel des Buches nennen und mich damit auch dem nächsten Thread zuwenden, ich las von Susanna Tamaro - Geh, wohin dein Herz dich trägt :tipp::winken:


    Herzliche Grüße vom Meer

  • Susanna Tamaro ~ Cara Mathilda


    Briefe an eine Freundin



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    Seiten: 175
    Verlag: Diogenes
    Erscheinungsjahr: 1997 (2003)



    [hr]


    Zum Inhalt:
    "Man bat mich, als Kolumnen eine Art Tagebuch zu schreiben. Ich konnte gleichermaßen vom Wetter erzählen wie vom Kochen, vom Wechsel der Jahreszeiten wie von dem, was mich beschäftigt. Es sind Gedanken darüber, wie man bewusster leben könnte, anders wohl als bisher, verantwortungsvoller dem Nächsten gegenüber, offener zu den Mitmenschen, frei von Ideologien." (Susanna Tamaro)



    Meine Meinung:

    Susanna Tamaro schrieb über ein Jahr lang Briefe an ihre Freundin Mathilda, die in der Zeitschrift Famiglia Cristiana veröffentlicht wurden. Sie beginnt im Herbst mit dem Schreiben und endet im Frühjahr. So ist auch dieses Büchlein strukturiert.


    Tamaro sitzt in ihrem Häuschen in Umbrien und betrachtet die Welt unmittelbar um sie herum - ihr Garten, die Landschaft, Flora und Fauna, Düfte, Licht, der Wechsel der Jahreszeiten. Aber sie betrachtet auch die Welt ganz im Allgemeinen. Sie stellt Beobachtungen an über die Entwicklung des Menschen in der westlichen Zivilisation, die immer mehr durch maßlosen Konsum und Geld geprägt ist, doch der Mensch selbst und vor allem sein natürliches Verhältnis zu sich selbst leidet, er entfremdet sich zunehmend von sich selbst:


    "Und was ist das Leben denn meistens, wenn nicht eine ständige, hastige, mühelose und schlaue Flucht vor sich selbst? Sich abzulenken ist leicht und natürlich, Gelegenheiten dazu bieten sich fast unbegrenzt und erfordern keinerlei Anstrengung, es genügt, den Knopf einer Fernbedienung zu drücken...Sich zu viel abzulenken ist aber auch sehr gefährlich: Vor lauter Ablenkung kann es zuletzt geschehen, dass man morgens aufsteht, in den Spiegel schaut und einen Menschen, sieht, den man nicht kennt. Wer bin ich? Wohin gehe ich? Was tue ich? Ich weiß es nicht. Ich mache das, was die anderen machen. Ich schlage mich so durch, und das genügt mir, ich gebe mich damit zufrieden."


    Sie sieht auch in ihrem eigenen Land den Werteverfall, die Hoffnungslosigkeit einer einst so heißblütigen Nation, die Perspektivlosigkeit der Jugend und die Leere in den Augen der Menschen. Doch am schlimmsten ist die Passivität - sie ist ein Zeichen von Resignation.


    "Passivität ist eines der großen Gifte unserer Zeit... man verschließt sich damit dem Reichtum, den das Leben uns ständig bietet."


    Ein weiteres Problem der heutigen Zeit ist es, dass man alles am besten sofort und ohne sich anzustrengen bekommen möchte - denn man kann es ja zum Teil auch. Doch man muss sich bewusst werden, dass das Leben kein "Aussichtspunkt" ist, wie Tamaro schreibt, sondern das Leben ist ein Weg, der oft genug bergauf führt. Ihn zugehen, in sich selbst zu wachsen und etwas aufzubauen, das kostet immer Anstrengung! Aber eben das ist das Schöne am Leben. Wenn man Körper und Geist mit Selbstachtung und Aufmerksamkeit pflegt, kann man beide wachsen lassen "wie einen einzigen Baum".


    "In uns allen steckt Kraft, Würde, Energie, wir haben alle einen wunderschönen kleinen Panther in uns, der darauf wartet herauszukommen. Warum also weiter sein Leben von außen bestimmen lassen?"


    Ich habe mir viele Textstellen in diesem Buch markiert, weil ich die meisten Gedanken von Susanna Tamaro absolut nachvollziehen konnte. Aber mehr noch: ich habe über die Dinge, die sie anspricht, schon selbst oft nachgedacht und ähnliche Gedankengänge und auch Fragen entwickelt, die unser Leben in der Gesellschaft und unser Verhältnis zu uns selbst angehen. Tamaro schreibt sehr angenehm, beinahe poetisch-philosophisch. Aber der Grundtenor ist zu keinem Zeitpunkt negativ oder deprimierend. Im Gegenteil - ich habe richtig Lust bekommen, mir eine Auszeit in einem kleinen Häuschen in der Natur zu nehmen, ohne Alltag, ohne die Hektik der Stadt, nur eins mit sich und der Natur um sich herum zu sein.


    5ratten

  • Meine Meinung

    Susanna Tamaro führt ihre Freundin und den Leser mit ihrer Kolumne durch ihr Jahr. Sie erinnert sie Mathilda an gemeinsame Erlebnisse, erzählt von ihrem Alltag und ihren Erinnungen, seit sie in ihr kleines Haus gezogen ist, in dem sie die Briefe schreibt. Dieses Haus wird sie am Ende des Buchs verlassen und der Abschied macht ihr zu schaffen. Er bedeutet zwar einen Neuanfang, aber auch, dass sie sich von etwas trennen muss, das sie liebgewonnen hat. So, wie sie beschreibt, wie sich ihr Garten verändernt und wie ihre Pflanzen wachsen, kann ich mir nicht vorstellen, was sie zu dem Umzug veranlasst hat. Sie wirkt so glücklich.


    Die Themen, die Susanne Tamaro anspricht, sind immer noch aktuell. Bei manchem hätte ich es schön gefunden, wenn ich eine Antwort auf die Gedanken von Susanna Tamaro bekommen hätte, das hätte ihre Kolumne für mich anbgerundet. So aber schreibt sie ein bisschen ins Leere.

    4ratten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.